DER
INDOGERMANISCHE ABLAUT,
VORNEHMLICH IN SEINEM VERHILTNIS ZUR BETONIING
VON
HERMAN HIRT,
A. O. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG.
STRASSBÜRG
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER
1900.
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Alle Gestalten sind ähnlicli, nnd keine gleichet der andern; Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz.
Goethe, die Metamorphose der Pflanzen.
Vorwort.
Dies Buch behandelt den indogermanischen Ablaut, im wesentlichen aber nur soweit er durch den Akzent bedingt ist. Es gehört zu den sichersten Wahrheiten in unsrer Wis- senschaft, dass die Vokalschwächung im Indogermanischen durch Tonentziehung hervorgerufen ist. Aber über die ge- nauere Wirkung des Akzentes hat man noch nicht zur Klar- heit kommen können. Heute herrscht in unserer Frage eine Verschiedenheit der Ansichten, die bei manchen Forschern eine gelinde Verzweiflung hat entstehen lassen. Trotzdem ist die Saat für eine neue Erkenntnis längst gepflanzt, und zahl- reiche Keime sind schon aufgegangen. Es fehlte nur der Ver- such, die ganze Frage im weitesten umfang noch einmal auf- zunehmen, um sie dadurch vielleicht zur endgültigen Lösung zu bringen. Nötig war aber auch, dass man sich nicht auf einige wenige Beispiele beschränkte, sondern ein möglichst umfangreiches Material sammelte. Diese Forderung hat neuer- dings Brugmann gestellt (Grd. P 485 1), und ich erkenne die Berechtigung seines Standpunktes durchaus an, aber freilich das Wesentliche kann nie das Material sein, sondern das We- sentliche muss die ordnende Idee, die Hypothese bleiben. Meine Ansichten haben sich ganz allmälig entwickelt, und noch am Schluss konnte ich einen wichtigen Punkt hinzu- fügen, der manches erklären wird. Meine Arbeit gründet sich auf das, was ich in den letzten Bänden der Indogerm. For- schungen veröffentlicht habe. Das, was ich dort auseinander- gesetzt habe, konnte durch das reiche neue Material, das ich gebe, in einigen Punkten modifiziert und erweitert werden, in allem Wesentlichen hielt es aber Stand, und wird Stand halten. Ich hoffe nicht nur, wie Brugmann Grd. I^ 396 ^ meinte, der
rV Vorwort.
Wahrheit am nächsten gekommen zu sein, sondern hoffe diese seihst gefanden zn haben. Das schliesst natürlich nicht ans^ dass in Einzelheiten noch manches genauer zu bcfttiinmen sein wird. Ich habe nicht alles bis in die einzelsprachliche Entwicklung hinein verfolgen können, und musste aus äusserem Anlass an wichtigen und lohnenden Untersuchungen vorübergehen. Sie werden hoffentlich später ihre Erledigung finden.
Unser Problem konnte nur gelöst werden, wenn man die indogermanischen Formen rekonstruierte, die vor der Wirkung des Akzentes bestanden haben. Das ist nicht besonders schwer, wie man ja auch aus dem Schatten eines Gegenstandes seine Form erschliessen kann, es ist dies auch kein glottogonisches Problem, da wir unsere Urformen nur mit Hilfe von aus- nahmslos wirkenden Lautgesetzen rekonstruieren, aber man wird sich an diese neuen Gebilde erst gewöhnen müssen. Um dies und das allgemeine Verständnis zu erleichtern, habe ich, wo es möglich schien, diese präindogermanisclien Formen den ein- zelnen Sippen vorangestellt. Sie sollen aber nichts weiter als Formeln sein, wie die indogermanische Grundsprache selbst eine Formel ist, der wir zur Erklärung der Einzelsprachen bedürfen.
Ich will hier nicht unterlassen, die Bedeutung von de Saussures genialem Memoire hervorzuheben, in dem er vor 20 Jahren unsere Erkenntnis wunderbar gefördert bat. Wenn ich auch die langen silbischen Liquida und Nasale samt rr, //, wfi, Tfiin aus dem Lautschatz der indogermanischen Grund- sprache streichen musste, so bleibt doch seine wichtigste Er- kenntnis, die der zweisilbigen Basen, unzweifelhaft zu Recht bestehen. Die kurzen silbischen Nasale und Liquiden, in der neueren Zeit mit einer gewissen Leidenschaft bekämpft, hoffe ich aber als richtig erschlossen nachgewiesen zu haben, wenn- gleich in beschränkterem Umfang als bisher.
Ich habe im Allgemeinen darauf verzichten müssen bei den einzelnen Etymologieen die Litteratur anzugeben. Es hätte dies den Umfang des Buches zu sehr vermehrt. Wo ich von diesem Punkte abgewichen bin, geschah es meistens, um dem betreffenden Autor die Verantwortung zu überlassen. Auch konnte ich mich nicht, wo verechiedene Ansichten über
Vorwort. V
die Auffassung eines Wortes vorlagen, mit den Verfassern aus- einandersetzen, ebenfalls aus dem Grunde, um Raum zu sparen. Das Material ist ja nur Mittel zum Zweck, nicht dieser selbst. Wo verschiedene Auffassungen eines Wortes möglich waren, habe ich ein solches mehrfach angeführt. Mit Hilfe der Ver- weisungen und des Index wird man das leicht verfolgen kön- nen. Auch sind einige Widersprüche stehen geblieben, weil sich meine Ansichten über einzelne Punkte im Laufe des Druckes noch geändert haben. Die Litteratur dieses Jahres habe ich nicht mehr benutzen können. Da, soviel ich sehe, nichts in dieser Zeit erschienen ist, was sich auf das Problem selbst bezieht, so wird das nicht allzuschwer ins Gewicht fallen. Einige Versehen und Druckfehler sind am Schlüsse bemerkt. Was die Transskription betrifft, so schreibe ich j und w statt i und u (/ und v) bleiben dann für die idg. Spiranten) und ei und eu. Dieses hat auch Brugmann angenommen, und die Konsequenz erfordert dann jenes. Für den schwachen Vokal in der Reduktionsstufe der kurzen Vokale habe ich e (und a, o) beibehalten. Vielleicht empfiehlt es sich die sla- vischen h und ^ dafür anzuwenden, da wir doch wohl nur zwei schwache Vokale erkennen können. Sonst schliesse ich mich in der Umschreibung der von Brugmann im Grundriss an, mit geringen Ausnahmen. Ideal ist sie ja nicht. Das Ideal für sprachwissenschaftliche Arbeiten scheint mir das zu sein, dass man die gleichen Laute aller Sprachen auch gleich schreibt. Kompromissformen der Einzelsprachen sind zuweilen durch ein -f gekennzeichnet. Dass ich die idg. Grundformen nicht mit einem überflüssigen Stern versehe, wird man wohl billigen. Denn dass diese nicht überliefert sind, weiss jeder. Die Paragraphenzählung dient nur zur Bequemlichkeit des Lesers, der Möglichkeit, von vorn nach hinten zu verweisen und dem Index. In diesem konnte ich natürlich nicht jedes Wort verzeichnen. Für das Indische habe ich meist nur die Wurzeln nach Whitneys Verbalwurzeln angeführt. Von dem, was bei ihm unter einer Nummer vereinigt ist, wird man an der betreffenden Stelle etwas finden. Auch seine Bezeichnungs- weise der indischen Texte ist durchgehends angewandt. In den übrigen Sprachen ist gewöhnlich nur eins der ablauten-
VT Vorwort. >
i den Worte zitiert. Da mein Material auch gelbst im wescnt- j liehen alphabetisch geordnet ist, so wird man leicht alles fin- den können. '
Zu lebhaftem Danke für mannigfache Unterstützung bin ich, wie immer, Leskien und Brugmann verbunden, ühlen- ; heck hatte die Güte mir die Aushängebogen der zweiten Hälfte seines so brauclibaren etymologischen indischen Wörterbuclies zu senden, wofür ich ihm sehr verpflichtet bin, während Streit- berg bei der Korrektur geholfen hat. Den entscheidenden Entschluss aber, dies Buch zu schreiben, verdanke ich Herrn | Prof. Hübschmann. Ich hatte freilich den Plan dazu schon seit längerer Zeit gefasst, auch viel Material gesammelt, aber alles dieses in einer gewissen Mutlosigkeit wieder bei Seite gelegt. Da teilte mir Hübschmann mit, dass er gleich nach i Abschluss seines idg. Vokalsystems den Zusammenhang der \ sef' und der starren Basen erkannt und seitdem in andauern- \ der Prüfung als richtig befunden habe. Seiner direkten Auf- ! forderung, die Frage des Ablauts von Grund auf neu zu be- arbeiten, bin ich dann gern gefolgt mit dem freudigen Mut, den eine solche Übereinstimmung der Ansichten gewährt.
j Leipzig-Gohlis, den 18. September 1899. 1
Uerman Hirt.
Inhalt.
Seite
Einleitung (1—9) 1
Die Schwundstufe (10—21) 4
Die Eeduktionsstufe der kurzen Vokale (22—28) 11
Die Vertretung- des idg. tonlosen e (26—37) 14
a. Idg. e vor Geräuschlaut (27—31); b. idg. e vor Sonorlaut, r, Z, m, 7i, i, u (32—37).
Die zweite Schwundstufe (38—39) 19
Die Ursachen der Schwundstufe (40—41) 20
Die Dehnstufe (42) 22
Übersicht (43-45) 23
Erster Abschnitt 28-41
A. Die einsilbigen schweren Basen.
I. Die monophthongischen Basen (46—05) 28
II. Die diphthongischen Basen 33
1. Die ei-, äi-, ö^■-Basen (66—97) ; 2. Die ä*w-Basen (98—119).
B. Die einsilbigen leichten Basen (120—123) 40
Zweiter Abschnitt 42-149
A, Die zweisilbigen schweren oder ^e^Basen 42
I. Die monophthongischen Basen 42
Das Problem (125—132) 43
Vollstufe I (133) 48
1. Das Arische, a. Altindisch (134—140); b. Das Iranische (141—144); 2. Das Litauisch-Slavische (144—145); 3. Das Germanische (146); 4. Das Italische (147); 5. Das Kel- tische (148); 6. Das Griechische (149).
Vollstufe II (150-151) 54
Die Schwächung (152—155) 58
Die Vertretung von RS. im Arischen, Lituslavischen und
Germanischen 60
1. Das Indische (156—161); 2. Das Litauisch-Slavische (162); 3. Das Germanische (163).
RS. in den südeuropäischen Sprachen 64
1. Das Italische (165); 2. Das Keltische (166); 3. Das Griechische (167—168).
Betonte RS. (169—172) 67
Die doppelte Schwundstufe SS. (173—177) 69
Die Vertretung von ja, icd in den Einzelsprachen (178—179) 71
Vni Inhalt.
Seite
sSf' und anif-B&Ben nebeneinander (180—186) 73
Die era-Basen (187-254) 76
Die cW-Basen (255-303) 85
Die cn^l-Basen (304—333) 91
Die emd-Basen (334—348) 95
Die ejä'B&aen (349-378) 97
' Die ewä-B&sen (379—430) 101
Die pe^d-Basen (431-443) 107
II. Die diphthongischen Basen (444-478) 108
1. Die exei-Basen (444—470) 108
2. Die eaJä*t/-Ba8en (471-478) 112
B. DiezweisilbigoiikurKvokalischen (leichten) Basen (479-769) 113
1. Die exew-Basen (480-538) 114
2. Die escei-Basen (539-550) 121
3. Die exer-, exen-Basen (551—561) 122
4. Die exek-BRsen (.562—704) 123
a. erc/c-Basen (5G3— 615); b. e/cÄ:-Basen (616—026);
c. enek-, emefe-Basen (627—649); d. ejek-, eicek-Btisen (650—683); e. exek-B&sen (684—704).
5. Die zweisilbigen auf -c, -o auslautenden Basen .... 139 a. ecce-Basen (705—753); b. «xe-Basen (754—765); c. oxe- Basen (766-769).
DHtter Abschnitt 150-206
I. Die dreisilbigen Basen (770-780) 150
IL Neue Ablautstypen (781) 153
ni. Der qualitative Ablaut 155
e-o, e-ö (782—789); a-o (790); ä-ö (791); e-ä (792); ä-o, ä-ö (793). IV. Die Bedingungen für das Auftreten von R. und
S. (794-806) 164
1. Fallende Betonung (795); 2. Steigende Betonung (796 -798); 3. Enklise (799-806).
V. Die Dehnstufe (807—808) 175
VI. Übersicht der regelrechten Nominal- und Verbal- typen 178-204
1. Präsens- und Aoristtypus (810—816); 2. Der s-Aorist (817—819); 3.DasPerfektsystem(820-821); 4. DieNasal- präsentien (822-826); 5. Die Präsensbildenden Suffixe (827—828); 6. Die reduplizierten Bildungen (829—836); 7. Die Wurzelnomina (837—840); 8. Die s-Stämme (841 —843); 9. Nominalsuffixe: -tu (844) ; ti (845), -tero (846); -meno (847);- -Jes (848); -to, -no, -mo. -ro (849—850); 10. Verbalendungen und Kasussuffixe (851).
Rückblick (852) 204
Wortindex 207
Einleitung.
1. In der indogermanischen Grundsprache wechseln in etymologisch zusammenhängenden Wörtern sehr häufig eine Reihe von Vokalen mit einander, oder ein Vokal ist in einem Wort geschwunden, während er in einem anderen noch vor- handen ist. Jak. Grimm nannte diese Erscheinung Ablaut, ein Name, der ja eigentlich für den zweiten der oben erwähn- ten Wechsel nicht passt, der aber doch als eingebürgert und unzweideutig beizubehalten ist, obgleich neuerdings andere Bezeichnungen vorgeschlagen sind.
2. Man unterscheidet einen qualitativen und einen quan- titativen Ablaut. Jener, dem der von Jak. Grimm geprägte Name im engeren Sinne zukommt, besteht darin, dass Vokale gleicher Quantität, aber verschiedener Qualität, z. B. e mit o, (gr. qpepuj und qpopö^, deutsch binde, band) mit einander wech- seln, dieser darin, dass Vokale verschiedener Quantität im Zusammenhang stehen, z. B. gr. xiOrijui : QeT6(;.
3. Beide Arten des Ablauts sind streng von einander zu sondern, und haben zweifellos verschiedene Gründe. Nicht einmal das steht fest, dass jede der beiden Arten nur durch eine Ursache bedingt ist, aber es wird allgemein angenommen, dass der quantitative Ablaut zum grossen Teil durch die wech- selnde idg. Betonung hervorgerufen ist.
4. Worauf der qualitative Ablaut zurückzuführen ist, scheint viel zweifelhafter zu sein, und ist bis heute umstritten. Er spielt aber gegenüber der Quantitätsabstufung eine unter- geordnete RollC; und seine Erklärung kann erst versucht wer- den, wenn der quantitative Ablaut festgestellt ist. Nicht um den qualitativen, sondern um den quantitativen Ablaut als das
Hirt, Der iiulof?erinanisclie Ablaut. 1
2 Der inrlopfirmanlKche Ablaut.
primäre liandclt C8 «icli daher in erster Linie, und auch um diesen zunäehst nur soweit, als er durch die Betonung her- vorgerufen ist. Ist dies festgestellt, so kann man an die Frage nach den anderen Ursachen gehen. Mit der blossen Konstatierung der vorhandenen Ablautsfälle werden wir zu keinem irgendwie erfreuliehen Ziele kommen.
f). Der (juantitative Ablaut entsteht zum grössten Teil dadurch, dass die Vokale e, a, ö, e, a, o und ihre diphthon- gischen Verbindungen durch Tonentziehung geschwächt oder auch durch besondere Momente gedehnt werden.
G. Die indogerra. Grundsprache bestand aus Worten und nicht, wie man, verleitet durch grammatische Abstraktionen, wohl annehmen kinnite und angenommen hat, aus Wurzeln. Wurzeln haben in der idg. Grundsprache ebensowenig existiert wie heut zu Tage. Wir können aber gewisse Abstraktionen aus mehreren zusammengehörigen Worten nicht gut entbeh- ren, doch wollen wir diese nicht Wurzeln, sondern mit Fiek GGA. 1881, 1427 Basen nennen ^). Die idg. Worte sind ein-, zwei-, drei- und mehrsilbig gewesen, und dem ent- sprechend sind auch die abstrahierten Basen ein-, zwei-, drei- und mehrsilbig.
7. In einem Worte muss jede Silbe irgend eine Vokal- stufc zeigen. Auf Grund der Thatsachen ordnen wir diese folgendermasseu :
V. Vollstufe in betonten Silben. Auf die Qualität der Vokale kommt es hier nicht an. Es ist also o so gut ein Vollstufenvokal wie e.
R. Reduktionsstufe (von anderen auch nebentonige Schwundstufe genannt).
S. Schwundstufe. Dieser Name ist für eine Reihe von Fällen, nämlich für den Ablaut langer Vokale, nicht zu- treffend, weil hier der Vokal nicht schwindet, wir müssen ihn
1) Ich werde es nach Möglichkeit vermeiden, diese Basis durch einen Bindestrich von seinem Suffix abzutrennen. Denn diese Binde- Striche sind nicht so harmlos, wie es Brugmann Grd. 1^ 36 ff. dar- stellt. Jeder Bindestrich wird den Leser in gewissem Sinne beein- flussen, und namentlich der Anfiinger wird dadurch leicht in ganz bestimmte Anschauungen gedrängt. Einen Grund im Sinne der „naiven Analyse" zu schreiben, liegt für uns auch nicht vor, und es ist jedtMifalis besser, dass jeder Leser die Formen selbst analvsiert.
Der indogermanische Ablant. 3
aber in Ermangelung eines irgend wie genügenden Ersatzes beibehalten.
Wichtig ist die Unterscheidung einer ersten und zweiten Schwundstufe, S. 1 und 2, s. § 38 und 801.
D. Dehn stufe.
Wo es noch nötig ist, besondere Arten der Stufen zu unterscheiden, z. T. auch um gewisse Kombinationen von Schwundstufe und Vollstufe auszudrücken, wenden wir latei- nische Buchstaben an, die deshalb keine durchaus feststehende Verwendung finden können. Die römischen Ziffern dagegen bezeichnen die Silben vom Anfang des Wortes an gerechnet, in denen eine Stufe ihren Sitz hat. Es ist dies vor allem bei den Vollstufen nötig anzuwenden, bei denen wir daher V. I, V. II, V. III ganz regelmässig gebrauchen. Zuweilen werden wir auch R. und S. genauer auf diese Weise bestimmen müssen. Durch diese Bezeichnungsweise wird es hoffentlich möglich werden, aller Unklarheit ein Ziel zu setzen und jeden belie- bigen Fall zu fixieren. Nehmen wir ein Beispiel, wie idg. deiwos und djeus oder dijeus, die zusammen auf dejewos zurückgehen, so würden wir das erste genau mit V. I, S. II, V. III, das zweite mit S. I, D. II, S. III, das dritte mit R. I, D. II, S. III bezeichnen können. Eine derartig komplizierte Weise der Bezeichnung ist indessen meistens unnötig, da ge- wöhnlich die der Vollstufe genügt, um auch die übrigen Silben zu bestimmen, wie das folgende noch zeigen wird.
8. Der Hauptton {') ruht in einem mehrsilbigen Worte immer nur auf einer Silbe. Doch kann in mehrsilbigen Worten auf einer zweiten Silbe noch ein Gegenton (') vor- handen sein. Da sich die Vollstufe ursprünglich nur in be- tonten Silben finden kann, so müssen alle übrigen Silben des Wortes, soweit sie nicht einen Gegenton haben, schwund- stufig sein. Das ist in der That sehr häufig der Fall. Doch sind die Wirkungen der Lautgesetze schon im Idg. durch zahlreiche Neubildungen durchbrochen; ebenso oft ist der Ak- zent analogisch verschoben, so dass die historische Betonung nicht ausschliesslich für die Vokalstufe massgebend ist. Jeden- falls sind aber zwei Vollstufenvokale unmittelbar neben ein- ander ursprünglich unmöglich, was z. B. für die Beurteilung der thematischen Verben, der es-^ oSj der o-Stämme von Wich- tigkeit ist.
4 Die Schwundstufe.
9. Als VollBtnfenvokale finden wir:
a. Die Längen ö, n, ö und ihre diphthongiRchen Verhin- dniif^cn eiy ai, öi, 6u, au, öu, schliesslich auch die Verbin- dungen dieser langen Vokale mit r, Z, m, n.
Anin. 1. Auch diese Gruppen nennt man Diphthonge, weil /', /, m, n hier dieselbe Funktion h,abcn, wie i, u. Natürlich ist der lautphysiologischen Beschaffenheit nach ein Unterschied zwi- sclien i, u und r, /, m, n.
b. Die Kürzen e (und dessen Ablaut o, cpepw — tpopöq) und ursprüngliches o, wofür jetzt ä geschrieben wird, was wir aber der Unmöglichkeit willen, es stets zu setzen, nicht thun. Dass idg. a ein Vollstufenvokal war, ist nicht allge- mein anerkannt. Es wird von den meisten Forschern, vgl. bes. Hübschmann Das idg. Vokalsystem 62 ff., angenommen, wurde aber von de Saussure Mem. S. 160, von Bechtel HPr. 265, neuerdings auch von H. Pedersen KZ. 36, 75 bestritten. Wir müssen es, wie ich glaube, als solchen gelten lassen, vgl. unten § 754 ff.
Als Vollstufen treten ferner die diphthongischen Verbin- dungen von e, 0, a auf,, also ei, e«, er, eZ, em^ en u. s. w.
Anni. 2. ?, ü, die sog. r, /, w, n sind keine Vollstufen-, son- dern nur Schwundstufenvokale. Was ?*, /, in, n betrifft, so wird das von niemand bezweifelt. Dass es besonders hervorgehoben werden.
Die Schwundstufe.
10. Die Arten und die Formen der Schwundstufe und die Schwundstufenvokale sind nicht allgemein anerkannt. In die- sem Punkte ist erst ganz allmählig Klarheit geschaffen wor- den, ohne dass eine genügende Übereinstimmung zwischen den Forschern erzielt wäre. Allerdings sind manche Differenz- punkte nur gering, andere dagegen von weittragender Be- deutung.
Anm. Die Litteratur dieser Frage ist sehr umfangreich. Die wichtigsten Arbeiten sind: Brugmann Nasalis sonans in der idg. Grundsprache. — Zur Geschichte der stammabstufenden Deklina- tionen 1. Abth. Die Nomina auf ar und tar. Curtius Studien IX 287—338; 363—406; de Saussure Memoire sur le Systeme primitif des voyelles dans les langues indoeuropeennes 1879; Osthoft', Die Tiefstufe im indogerm. Vokalismus, Morph. Unters. IV 1-406. 1881; W. Schul/r Indoirermanische «i- Wurzeln KZ. 27, 420—429; Fick,
Die Schwundstufe. 5
Zur griech. Lautlehre I. Ablaut e : ri, o : uü und a : r\uj, ßezz. ßtr, 9,313; IIübschinann,Das indogermanische Vokalsystem; Bartholomae, Arm. a >- griech. o und die indogermanischen Vokalreihen BB. 17, 91ff. ; Bechtel, Die Hauptprobleme der indogermanischen Lautlehre seit Schleicher, Göttingen 1892; Kretschmer, Vokalabstufung in un- betonten Silben KZ. 31, 373; Joh. Schmidt, Kritik der Sonanten- theorie, Gütersloh 1895; Hirt, Akzentstudien 5. Zur Sonantentheorie IF. 7, 138—160; 6. Die Abstufung zweisilbiger Stämme IF. 7, 185— 211; 7. Die thematischen Präsentien IF. 8, 267— 278; 11. Die Stämme auf ei IF. 10, 20 — 36; Fortunatov, Über die schwache Stufe der ur- idg. 'a'-Vokale KZ. 36, 38—54; Wackernagel, Aind. Grammatik passim; Bück, Some general probleras of Ablaut Am. J. of Phil. 17, 267 fP.
1 1 . Wollen wir über die Schwundstufe zur Klarheit kommen, so wird es gut sein, möglichst genau die einzelnen auftreten- den Lautgruppen zu spezialisieren, im übrigen aber sich mög- lichst an die Thatsachen und nicht an die bisher aufgestellten Theorieen zu halten.
12. 1) Als Schwundstufen vokal der Längen e, ä, ö setzt man ziemlich allgemein einen Laut an, den man Schwa indo- germanicum nennt und mit 9 schreibt. Im Indischen wird dies zu i. Hübschmann hat es in seinem idg. Vokalsystem mit Heranziehung des gesamten Materials unternommen zu be- weisen, dass alle ursprünglichen idg. Längen im Indischen mit i ablauten, tisthämi : sthitds, dadhämi : hitds, und dieser Beweis muss als absolut gesichert angesehen werden. In den europäischen Sprachen soll dieses 9 durchweg zu a geworden sein, so z. B. im Lateinischen, wo es datus, facio heisst zu idg. dö (gr. bibuuui) und dhe (gr. xiOrijui). Im Griechischen da- gegen erscheint entsprechend dem 9 der übrigen Sprachen in den einsilbigen langvokalischen Stämmen nicht a, sondern dem e antwortet ein e, dem ä ein a, dem ö ein o, iiGrijui : Oeiöq, iCTä|ui : ciaTÖ«;, bibuujui : boTÖ(;. Die meisten Forscher sehen in diesen Formen mit e, o Neubildungen für solche mit a, so dass 0eTÖ<; für *0aTÖ(;, boxoc; für *baTÖ^ stände. Fick BB. 9,315 erklärte dagegen gr. e, a, o für ursprünglich, eine Ansicht, der sich Bechtel HPr. 247 ff., Wackernagel ai. Gr. § 15, CoUitz Transact. of the Amer. Phil. Assoc. 28, 1897 S. 98 ff. angeschlossen haben. Auch ich halte die Ficksche Erklärung für wahrscheinlicher. Fragen wir nämlich nach der Natur des 9, so werden wir es als eine Art Murmelvokal auffassen dürfen (siehe über diese Sievers Phonetik'^ 264), und es ist, dies angenommen, selbstverständliche Voraussetzung, dass
8 Di« SchwuiKlstufe.
jedem Langvokal sein besonderes Scliwa cntsprcclien niuss, und wir deshalb ein e-8chwa, rt-Scliwa, o-Schwa anzusetzen haben. Allerdings fallen derartige Murmelvokale leicht zu- sammen, und es wäre nicht sonderbar, dass sie nur noch im Griechischen unterschieden wären, während sie in allen übrigen Sprachen als a aufträten, also in a zusammengeflossen wären. Das ist die eine Möglichkeit, die griech. a, e, o zu erklären. Andrerseits ist vom phonetischen Standpunkt, worin mich eine Unterredung mit Sicvers bestärkte, der Sprung vom langen zum Murmelvokal sehr gross, und es ist fast notwendig, zwi- schen diesen beiden noch eine Mittelstufe anzusetzen, als die nur vollstimmige e, a, o in Betracht kommen können, vgl. dazu Danielsson bei Johansson BB. 15, 307 und Bechtel HPr. 264. Diese Annahme wird dadurch wahrscheinlicher, dass auch zwischen e und völligem Schwund, wie vielfach ange- nommen wird, eine Mittelstufe bestanden hat, die ich TF. 7, 140 als e (tonlosen Vokal) bestimmt habe. Diese Reduktionsstufe (R.) findet sich unter anderem in der ersten Silbe eines Wortes vor dem Ton, und dem entsprechen Formationen wie gr. OeTÖ(;, boi6<; ganz genau.
Anm. 1. Ich halte in diesem Falle eine gCAvisse Konsequenz für durchaus angebracht. Es ist ausserdem immer besser genau zu unterscheiden als ungenau zusammenzuwerfen.
Anm. 2. Auch ColUtz Transactions of the Am. Phil. Assoc. 28, 1807, S. 98 ff. spricht sich entschieden für die Ursprünglichkeit der griech. a, e, o aus unter ausführlicher Begründung. Wenn er lat. datiis mit Recht aus dotös erklärt, so würde allerdings die Annahme noch wahrscheinlicher.
lo. Auf Grund dessen, was sich später ergeben wird, glaube ich die Annahme Danielssons vorziehen zu dürfen, und ich setze daher an: Reduktionsstufe (R.) zu idg. e,a,ö = idg. ey a, o. Ich unterpungiere diese Laute, weil sie von den vollstufigcn betonten idg. e, äj d, wie die historische Entwick- lung ergibt, verschieden waren. Schwundstufe (S.) = a.
14. e^ cif o sind im Indischen zu a geworden und weiter durchweg zu i geschwächt, mit Ausnahme der Stellung vor j und r, vgl. Hübschmann Das idg. Vokalsystem 62, Brugmann Grd. I- 170, also mit idg. a vollständig zusammengefallen. Idg. 3, das besonders in nachtoniger Stelle stand, ist, soweit es in den europäischen Sprachen erhalten ist, durch a ver- treten, vgl. unten die zweisilbigen schweren Basen; a, e, o er-
Die Schwundstufe. 7
scheinen dagegen im Griech. als a, e, o, im Ital. als a. Im Germanischen Und Litauisch-Slavischen mussten a und o jeden- falls /Aisammenfallen^ und e scheint ebenfalls zu a geworden zu sein, d ist im Germanischen sicher vor m (n) und auch wohl in anderen Fällen zu u geworden.
15. Aus Hübschmanns Nachweis ergibt sich, dass, w^o einem ind. i ein europ. a (resp. a, e, o) entspricht, ein Schwä- chungsvokal vorliegt, wo sich aber auch im aind. a findet, wie in ai. djati, gr. dyai, lat. ago, aisl. aka, wir einen Voll- stufenvokal ansetzen müssen. Trotz der eingehenden Unter- suchung, die Hübschmann dieser Frage gewidmet hat, ist seine Annahme von Bechtel HPr. 265 ff. und neuerdings auch von H. Pedersen KZ. 36, 75 bestritten worden; zugleich leugnen diese Forscher, dass a ein Vollstufenvokal war. An und für sich ist indessen gegen den Ansatz eines idg. a als Vollstufen- vokals nichts einzuwenden, es fragt sich nur, ob dieser durch eine genügende Anzahl von Beispielen gesichert ist. Die Frage ist entscheidend nur durch die Betrachtung des Ablauts zu lösen, vgl. § 754 ff. Die Annahme, dass & im ai. ausser in den von Hübschmann angegebenen Fällen zu a geworden sei, scheint mir sehr bedenklich. Dass dies nicht unter dem Ton der Fall war, wie Bechtel HPr. 249 ff. und Wackernagel ai. Gr. 5 annehmen, scheinen mir die Fälle, in denen i = d vor- liegt, sicher zu widerlegen, vgl. arüram, khayiitram, carüram, janifram, pavitram, hharüram, hhavitram, sanitram. Hier haben wir ja ebenso wie in sidhyati, sthitis u. a. sekundäre Akzentverschiebung und doch ist i geblieben. Nicht überzeu- gend ist H. Pedersens Versuch KZ. 36, 75 sowie die Bemer- kung von Lorentz IF. 8, 111 f., dass für 9 i in offener, a in geschlossener Silbe einträte. Alle diese Versuche sind im wesentlichen dadurch hervorgerufen, dass man nicht mit dem Ablaut ins Reine kommen konnte, und sie brauchen daher hier nicht im einzelnen widerlegt zu werden.
16. 2) Sind die Längen e, ä, ö mit i, u verbunden, so haben wir als Schwundstufe von antekonsonantischen Formen di, du anzusetzen. Da aber für diese Bildungen einzelsprach- lich durchaus ^, ü auftreten, so dürfen wir wohl schon für das Idg. Übergang in /, ü annehmen. Standen ej, ew vor einem Sonaten, so gehörten / und w zur folgenden Silbe, und in diesem Falle konnte in der Schwundstufe natürlich keine
8 Die SfhwuiMlstuft*.
Kontniktioii eintreten. In allen Sprachen erscheint daher a. Aber wir (inden als Schwundstufenprodukte von a*iy d'^u u.s. \v. auch Diphthonge wie ai, au, und raan wird diese Laute kaum anders, jedenfalls am leichtesten erklären können unter An- satz von vollslimmigcm e, o, a -\- i, u. W. Schulze KZ. 21, 428 will dagegen in ai, au Analogiebildungen sehen, ir.dem sich etwa zwischen au und ü ein äu einstellte. Das ist, wo es sich um den Diphthong au handelt, möglich, man kann aber nicht äu neben öu so erklären. Bei weiterer Kürzung schwindet das a ganz, und es ergeben sich dann — , i, u,
17. 3) Während die Ablautsstufen der langen Vokale seit Hübschmann allgemeingültig festgestellt sind, sind die der kurzen Vokale erst ganz allmählig erkannt. Wir treffen hier als Grundvokale nicht nur einfaches e, sondern auch ei, eu, neben denen als regelmässige Formen der Schwundstufe — , i, u stehen, z. B. gr. Ix^y ^^s cexu), aber cx-eTv, Xemeiv, aber XittcTv, cpeiJYeiv, aber qpuYeiv. Wo auf das e ein r, l, m, n folgt, treten als Schwundstufenprodukte diese Laute in Be- gleitung verschiedener Vokale auf, für die mit der Annahme sonantischer Liquiden und Nasale von Osthotf und Brugmann eine einleuchtende Erklärung gefunden wurde. ;/• liegt im In- dischen wirklich vor, während n allerdings nirgends mehr er- halten ist. Dem Wechsel von ai. daddrsa = gr. bebopKa und dr^täs entspricht so gr. bepKOjuai — ebpaKOv, dem von ai. tdn- tum— tat ds gr. reivu) — Taiö^. Durch den Ansatz von idg. r, l, m, n erhalten wir also eine vorzügliche Einheitlichkeit: In den Verbindungen e, ei, eu, er, el, em, en fällt das e in un- betonter Stellung fort, und es bleibt — , i, u, r, l, m, n übrig. Gegen diese JSonantentheorie sind in der letzten Zeit verschie- dene Angriffe gerichtet worden, so von Bechtel in seinen HPr. 98 ff. und von J. Schmidt in einem besonderen Buche Kritik der Sonantentheorie. Diese Forscher erkennen die prinzipielle Richtigkeit von Brugmanns Standpunkt an *) und
1) „Brugmann glaubt, der tieftonige Vokal sei ganz geschwun- den und silbebildende r, /, w, n entstanden. Ich habe mich in der Anzeige des ersten Aufsatzes, mit welchem Brugmann diese soge- nannten Sonanten aufgestellt hat, unter warmer Anerkennung des von Brugmann gemachten Fortschrittes gegen ihren Ansatz und für reduzierte Vokale mit konsonantischem r, U w, n erklärt." J. Schmidt Kritik d. Sth. S. 2.
Die Schwundstufe. 9
wollen riiir Schwächung des e, nicht völligen Ausfall zulassen. So betraclitet würde die ganze Frage allerdings auf einen Streit um des Kaisers Bart hinauslaufen, denn es wäre ja nicht von Erheblichkeit, ob man n oder en annehmen solle. Brug- mann ist auch thatsächlich seinen Gegnern insoweit entgegen- gekommen, als er die Möglichkeit von en zugibt. Aber wir brauchen nicht in einem derartigen Zweifel stehen zu bleiben, in Wirklichkeit erfordert die idg. Grundsprache sowohl den Ansatz von er, et, em, en wie von r, /, m, n. Das glaube ich IF. 7, 141 ff. nachgewiesen zu haben. Nur auf dem dort ange- gebenen Wege lassen sich die idg. Ablauts Verhältnisse erklären.
18. Auf Grund der eben erwähnten Arbeit nehmen wir daher zwei Schwächungsstufen der kurzen Vokale an, die wir als Reduktions- und Schwundstufe (R. und S.) unterscheiden. a) In der ersten Silbe des Wortes sind unbetonte e, a, o nicht immer geschwunden, sondern meistens nur reduziert. Ich bezeichne die in diesem Fall entstandenen Laute mit Petit- druck, e, a, 0, und habe sie a. a. 0. als tonlose Vokale an- gesetzt. Selbstverständlich ist es nicht möglich, ihre Natur genau zu bestimmen, und man kann sie daher lautphysiolo- gisch auch anders definieren. Es lässt sich von ihnen nur sagen, dass sie irgend wie reduziert, aber nicht ausgefallen waren, und dass sie ihre ursprüngliche Klangfarbe bewahrt haben müssen. Denn sie erscheinen vor Geräuschlaut in den historischen Sprachepochen wieder als e (a, o). Andrerseits werden sie durch r, l, n, m, j, w modifiziert, sodass sie die grösste Ähnlichkeit mit den slavischen h und 7, haben. Weiter ist als negatives Kriterium zu verzeichnen, dass e von idg. a verschieden war, denn es ist in allen Sprachen mit Ausnahme des Italischen und vielleicht des Armenischen (s. § 21 ff.) an- ders vertreten als dieser Laut. Wir setzen daher an: idg. e, e«, eil, ef, elj em, en\ über deren Entwicklung in den Ein- zelsprachen siehe § 2& ff.
Anm. 1. In dem Ansatz dieser 'nebentonigen' Schwundstufe berühre ich mich zunächst mit Osthoff M. U. 4, von dem ich aber sonst abweiche. An und für sich teilen auch andere Forscher diese Annahme, aber die Ansicht von Bartholomae BB. 17, 105 ff., Bechtel HPr. 104, Streitberg Urg. Gr. 39, dass in dieser Reduktionsstufe 9 auftrete, ist falsch und hat die riciitige Auffassung durchaus gehin- dert. Wir halten an der Erkenntnis Hübschmanns fest, dass europ. a = ind. i = idg. 9 nur die Schwundstufe eines langen Vokals ist.
10 T)i<'. SchwundKtuft'.
Aliin. 2. Ih'V l iiiraii<4- <lrr lt<'<iuklioii.'ssluUr i.st uiii (it-r ;iii«:e- g'übciicii Hcdiii^un^" nicht ^enau umschriebcu. Wir ixöiiiien aber hier, wo e« sich nur uui allgemeine orientierende Bemerkungen handelt, noch nicht genauer sein. Man vergleiche daher die wei- teren Ausführungen § 796 ff.
19. b) Unmittelbar nach dem Ton und zwischen Neben- und Hauptton, sowie nach der nebentonigen Schwundstufe tritt völliger Verlust des e ein, so dass wir also in diesen Fällen — , i, u, r, /, w, n anzusetzen haben. In diesem Punkt unterscheiden sich wohl die neueren An- nahmen am meisten von den früheren. Dass sie noch nicht durchgedrungen sind, zeigt Brugmanns Bemerkung Grd. P 500: „Nicht sicher ist, ob Vokalrednktionen von den besprochenen Arten auch in Silben hinter der haupttonigen Wortsilbe statt- gefunden haben." Ebenso skeptisch ist Wackernagel ai. Gr. S. 65, wo die ältere Litteratur verzeichnet ist. Es ist Kretsch- mers Verdienst zuerst wieder (KZ. 31, 325 ff.), auf die pro- gressive Wirkung des Akzentes hingewiesen zu haben. Aber erst durch Streitbergs x4bhandlung über die Dehnstufe (IF. 3, 305 ff.) sind die Fälle, die durch progressive Akzentwir- kung erklärt werden müssen, genügend vermehrt und sicher erkannt, nachdem sich mir schon bei der Untersuchung über die Entstehung des idg. schleifenden Tones (IF. 1, 1 ff.) diese Ansicht aufgedrängt hatte. Schliesslich bin ich dann IF. 7, 147 zu der Erkenntnis gekommen, dass überhaupt eine stär- kere Akzentwirkung nach dem Hauptton als vor ihm auftritt. Mit dieser Annahme stehe ich auf einem lautphysiologisch durchaus zu rechtfertigenden Standpunkt, der sich zudem durch eine Reihe von Erscheinungen aus älteren und modernen Sprach- perioden belegen lässt. Es dürfte angebracht sein, den völ- ligen Schwund des Vokals durch einige Beispiele zu belegen.
20. a) Schwund nach dem Hauptton ergibt sich 1. aus den Kompositis. Es heisst lat. genu, aber ai. mitdjnu- 'knieend', gr. Ttpöxvu, ai. haridru- 'ein best. Baum', zu gr. bopu, ai. ghrtihnu 'dessen Rücken mit Ghee bestrichen ist' zu *8enu, gr. bicppoq zu feÄer, gr. cpopöc;, ai. d-grus 'nicht schwanger' zu ai. gurüs 'schwer', gr. öfnÖTVio^ zu -^iy/oc, u. s. w.; 2. aus den Fällen mit Dehnstufe, z. B. idg. pHs aus *pedos (ai. padj gr. Tioijq, lat. pes) gegenüber ai. paddm, gr. 0r|p neben lat. f'erus, ai. täsfi neben tdksatL Es folgt aus der-
Die Reduktionsstufe der kurzen Vokale. 11
artigen Fällen, dass auch im Akk. Sg. idg. *peclo7n der Vokal vollständig schwinden niusste; da indessen die Silbe als solche in allen Fällen erhalten ist (vgl. ai. pddam, gr. -rröba, lat. pedern, got. fötu u. s. w.), so ist das Vorhandensein sonan- tischer Nasale und Liquida in dieser Stellung mit Sicherheit zu erschliessen. Man vergleiche auch idg. pedm gegenüber Formen wie ai. dyäm, gr. Zf|v aus *djem < '^djeum. Hier ist mit dem Konsonantischwerden des m Verlust einer Silbe ver- bunden, und es ist daher naturgemäss Dehnung eingetreten. Die Hauptmasse der Beispiele für unsere Anschauung ergibt sich weiter unten aus dem gesamten Material der zweisilbigen Basen. Die Annahme, dass nach dem Ton die stärkste Kür- zung stattgefunden hat, ist die notwendige Voraussetzung für eine richtige Erkenntnis des idg. Ablauts.
21. ß) Der völlige Schwund des Vokals trifft ferner von zwei unbetonten kurzen Vokalen, von denen der erste anlautet, den zweiten, oifenbar weil der erste als Anlaut einen gewissen Nachdruck hatte. Man kann daher in diesem Fall von einer nebentonigen Schwundstufe reden, die in der ersten Silbe ihre Stellung hatte. Hierher gehören alle Fälle der zweisilbigen leichten Basen (s. u.), z. B. zu gr. e'xeiv lautet das Part, ekto^ aus idg. ^seJcetös, das zunächst zu seketös wurde. Ebenso gr. TreTTTÖq, lat. coctus, ai. paMds aus pek^^'etös, vgl. § 836.
Anm. Nicht anerkennen kann ich J. Schmidts KZ. 25, 80 fF., 32, 378, vgl. auch W. Schulze KZ., 27, 424 If., Bartholomae IF. 7, 54, ausgesprochenes Gesetz, dass eine zweite Verkürzung stattfindet, wenn der Akzent weiter nach hinten rückt. Die Unrichtigkeit dieses Gesetzes wird sich erst später ergeben, vgl. § 797.
Die Reduktionsstufe der kurzen Vokale.
22. a) Die Annahme, dass zwischen den kurzen Voll- stufen vokalen und ihrem völligen Schwund noch eine Mittel- stufe bestanden hat, dürfte, was zunächst die Stellung vor Geräuschlauten betrifft, kaum zu bestreiten sein, vgl. J. Schmidt Krit. 4, Fortunatov KZ. 36, 39, Brugmann Grd. V 252 (in der zweiten Auflage nicht mehr). Es fallen hierher die Fälle wie idg. jpeyt^^tos, ai.palttds, Int. coctus, gr. neinoc;, ^ot. gibans, die Reduplikationssilbe des Perfekts ai. daddrsa, gr. bebopKa, die Wurzelsilbe in den endbetonten Kasus der konsonantischen Stämme ai. padds, gr. -rroböt; für *Trebö<; u. s. w.
12 Diu KeduktioiiHBtutc <I«t knr/<M» Vr>kale.
23. h) Vor Sonorlaut ist die Sache noeh klarer, denn während man im Falle a) zur Not annehmen könnte und an- genommen hat (de Saussure Mera. 48, Brugmann Mü. 2, 152, s. auch Wackernaj^el ai. Gr. S. 78), dass der Vokal wegen der Unsprechbarkeit der Lautgruppe *pM68 nieht ausgefallen oder alsbald nach Schwund wieder eingesetzt sei, ist das in Fall b) nicht möglich, weil die Lautgruppen sprechbar bleiben und z. T. die Doppelfonnen neben einander stehen. Man ver- gleiche: gr. ßavd, ved. gfaw4, Sirm. Je anaiJcy air. feaw- (in Comp.) gegenüber ai. gnd, air. mna. Die Vollstufe finden wir in got. qinö, also haben wir idg. anzusetzen gu^'en?, g^^'e-nä, g^(^nd; got. gumaj lat. homo, aber lit. zmä-^ gr. qpapeipa 'Köcher' aber bi-(pp-0(; u. V. a., vgl. Verf. IF. 7, 143 ff. Besonders deutlich wird die doppelte Schwundstufenbildung, wenn dem e ein Laut vorausgeht, der eventuell silbisch werden kann, vgl. V. in abg. dvor^, ai. dväram, R. in gr. 0aipö(; 'Türangel', aus idg. dhwc-rjos Svas zur Tür gehört', abg. dvhVh, S. gr. 0upa, got. daür, lit. dürys; gr. (Taipuu aus *twe-rjo und cup|uö<;; so aueb wohl T^vri aus g^nä, indem der labiale Nachklang des Gut- tural silbisch wurde. Danach wäre Osthoffs Erklärung von ILivdojuai aus *ßvdo)Liai KZ. 26, 326 falsch.
Anm. 1. Ywvf] neben ßavd ist aus idg. givnä neben g^'^e-nä zu erklären, wie Gupa neben eaipöq. Für eine Form g^^^nä bleibt dann im Griechischen kein Raum. Y^vri und ßavd gehören aber zusammen und müssen erklärt werden. Dass |uvdo|uai bedeutet Mch suche ein Weib", ist eine geistreiche, aber nicht unbedingt schlagende Ver- mutung. Es bleiben für mich auch semasiologische Bedenken.
Anm. 2. Höchst wahrscheinlich erklären sich durch Silbisch- werden eines w auch die meisten der von Brugmann Grd. I- S. 453 § 409 beigebrachten Fälle. So hiess es vielleicht ursprünglich agiverjö und daher in S. ÖT^pic. Doch bedarf dies noch näherer Untersuchung.
Anm. 3. In dem angegebenen Falle setzt de Saussure iin, rr an, was unmöglich ist. Nehmen wir irgend ein Beispiel, z. B. idg. g"^enä 'Weib', so gab es hier nur zwei Möglichkeiten des Ablauts, entweder fiel der Vokal vollständig aus, ai. gnä, altir. mnä, oder er wurde reduziert gt'^e-nä (gr. ßavd, aisl. kona). Zur Entstehung einer Lautgruppe yii ist überhaupt keine Möglichkeit gegeben, da die Silbentrennung nach Ausweis der historischen Formen erhalten blieb. Zum Ansatz eines ;m ist man nur gekommen, weil man von den schwundstufigen Formen, von n, r aUvSging, die sich vor Vokal in 9 -f den Übergangslaut n gespalten haben sollen.
24. c. a) Schwieriger ist dagegen der Nachweis zweier Sehwächungsstufen in tautosyllabischen Verbindungen. Aber
Die Reduktionsstufe der kurzen Vokale. 13
vorhanden waren sie auch. Am deutlichsten liegen R. und S. bei den Ablantstiifen der Lautgnippe wer und wel vor. Neben ai. vfkas, lit. vilkas, abg. vhJcTi, got. toulfs treten im griech. XuK0(;, im lat. lupus auf. Alle Versuche, das griechische und lateinische Wort mit denen der übrigen Sprachen zu vereinigen, sind gescheitert. Wir müssen vielmehr zugestehen, dass dem ind. vfkas im gr. F\dK0(; und im lat. vulq entsprechen müsste. Thatsächlich sind beide Formen in gr. euXaKa Tflug' und lat. vulpes (vgl. Verf. SBtr. 22, 230) belegt. Wenn der Fall iso- liert wäre, könnte man versucht sein, die Worte von einander zu trennen oder auf die Entdeckung unbekannter Lautgesetze zu warten. Aber isoliert sind die Fälle nicht, vgl. Wackernagel Ai. Gramm. § 154, es steht vielmehr jetzt fest, dass in diesem Fall im Idg. eine Metathesis stattgefunden hat. Wenn aber dem ind. vrkas, lit. viikas, ab. vhks, got. wulfs, idg. wlkos zu Grunde liegt, welches sollte dann die Urform für lukos sein? Wackernagel sagt zwar: „Wechsel zwischen sonan- tischer und konsonantischer Aussprache, verbunden mit Meta- thesis zeigt sich in der Ersetzung von vr durch n^", das heisst doch, neben wr muss eine Form ur bestanden haben (einen Sonanten muss die Silbe gehabt haben). Aber einen Grund für diese Doppelheit vermag die Sonantentheorie nicht zu geben. Ich setze daher für ai. vrkas eine Grundform WelkoSj für gr. XuKOc;, lat. lupus aber wlkos voraus. Dadurch erklärt sich alles auf das leichteste. Dass ai. r erst aus «r entstan- den sein kann, lässt sich nicht bestreiten. Vgl. ferner lat. mävort und ai. marut aus mawrt, ai. vrdh Vachsen' und rudh ^wachsen, spriessen' (?), idg. ky^\tw6r, ai. catväras, k^'etwer-e, gr. xeccape^, k^^etur-e, gr. Tricupe<;, ai. caturas, ku^'etwr-kons , air. capru-karana "vierkantig', gr. xpuqpdXeia, lat. quach'u-, gall. Petru-corius. Andere Beispiele bei Wacker- nagel a.a.O. und bei Brugmann Grd. I 260. Griech. ap und pa möchte ich so lange nicht mit Bestimmtheit für die idg. Doppelheit ,r und r anführen, als nicht eine ganz eingehende Untersuchung über diese Lautgruppe vorliegt.
Anm. 1. Zweifellos haben in g'riechischen Dialekten Meta- thesen von pa zu ap stattgefunden. Denn es kennt z. B. der kre- tische Dialekt überhaupt kaum ein pa. Es lieg-t nur in ein paar Fällen vor, die unter Systemzwang stehen. Altes ap ist aber zu ai g-eworden, vgl. luaixuc, woraus folgt, dass ap in T^TapTOC, CT(ipTo^ jung ist. Dass in griech. bapröc;, cTapxöc; keine alten Formen vor-
14 Die Vertretung des Idg. e-
Herren, geht auch diiraus hervor, dans pa in feparö^, CTpaTd<; auf idg. r,t ssurückgeht, s. u. § 173 f. Ich hofl'e, eine genaue Betrachtung des VorhUltniHses von gr. ap und pa bald vorlegen zu können.
Anm. 2. Ich möchte die Frage aufwerfen, ob nicht lat. ar neben or^ kelt. ar neben ri als Vertretung von er neben r aufzu- fassen sind, lat. para neben portio, sväsum aus ^svarssom neben soriU's (Brugniann 1^ 479), fasflgium zu ai. hhrsfis 'Zacke, Spitze, Kante', farcio, gr. (ppdcciu.
2iy. c. ß) Als Schwundstufe von vollstufigcni antekon- sonantischcm ei und eu erscheint in allen Sprachen nichts an- deres als i und u, vgl. z. B. XeiTitu — XitteTv, qpeuTuu - cpuTeTv. Wer sich mit der Annahme begnügen will, dass hier der Vokal in allen Fällen völlig geschwunden ist, der mag es thun. Wir aber müssen das an anderen Fällen gewonnene Ergebnis auch auf diese Lautgruppen übertragen, und wir setzen daher zwischen ei und ij eu und u noch eine Mittel- stufe eij eil an, die in allen Spraclien zu i und u geworden und demnach mit i und ii zusammengefallen sind ^).
Das Vorhandensein der rein theoretisch erschlossenen Übergangsstufe wird, wie es scheint, dadurch wahrscheinlich, dass /, 11 mit l, u im Wechsel stehen, dann aber den Ton tragen, d. h. wenn im Idg. ei und eu sekundär den Ton erhielten, entstand i, ü, vgl. z. B. ai. gühati V., gühana S., jugüha KI. neben göha und guTi\ gr. vöv neben ved. nuj das nie am Satzanfang steht, vgl. Wackernagel Aind. Gramm. § '^2. Die Beispiele sind verhältnismässig selten, aber ganz lässt sich das Auftreten von i und ü in den kurzvokalischen Reihen nicht in Abrede stellen. Der Vorgang selbst wäre verständlich.
Die Vertretung des idg. tonlosen e.
26. Da die Natur des e bisher noch nicht erkannt war, so ist es zunächst nötig zu untersuchen, wie es in den Einzel- sprachen behandelt wird, und dabei ist es gut, genügende Unterabteilungen zu schaffen, weil e ein sehr empfindlicher Laut war und daher verschieden behandelt ist.
a. Idg. e vor Geräuschlaut.
27. 1) Im Aind. treffen wir a, das, wie die Palatalisation
1) Wie ich nachträglich sehe, setzt schon Fick GGA. 1881, 1447 ci, fif an. mit genau dor u"loichen Begründung.
Die Vertretung des idg-. e. 15
der Gutturale beweist, einem älteren e entspricht. Das e ist also wieder zum vollstimniigen Vokal g-eworden. Hierher ge- hören ai. catväras %% got. [idwör, die Reduplikationssilbe des Perfekts, daddrsa, Formen wie padds (Gen. von päd), idg. Prdös, das a in den Partizipien paktds, idg. pcla^Hös. Auch in dem a der Präsentien erster Klasse kann e stecken, sobald sie aoi istische Bedeutung zeigen. Die Wurzelbetonung beruht alsdann auf Akzentverschiebung.
28. 2) Im Griechischen erscheint neben e in ireKTÖ^, eT€K0V, TTeiojv, xeccape^, bebopKcx auch i, vgl. Kretschmer KZ. 31, 375 ff., Bechtel HPr. 113, Verf. IF. 7, 154. In einer grossen Anzahl von Fällen ist i = idg. e sicher. Vgl. iriTvrmi aus "^petnämi, ebenso CKibvr||Lii, hom. Kibvajuai zu CKebdvvujui, TTiTveuj 'sinke' zu eTreiov, öpi^vdoiuai zu ope^uj, XiKpoi neben XeKpoi 'Aste des Hirschgeweihs' (Hesych.), XiKpicpi«;, xi^io^ ^i- saJidsram, Kiccöq, lat. hedei^a, xöi^o<S ^^u x^ec;, laxir), att. eciia, hom. TTicupec;, nicvpac, neben äol. Tiecupec;, hom. KpiKe 'es knarrte' zu KpeKovie«;, iBpi<;* crrdbaiv, TOjuiaq, euvoöxo^ Hesych., vgl. eGpiq* TOjuiai; Kpiö^, ai. vddhris 'verschnitten', gr. icGi 'sei' zu esy Fpiov 'ßergspitze' aus wVcSÖm, vgl. lit. virszüs, ^'xta 'Wurzel', lesb. ßpicrba zu idg. wered. Ebenso finden wir u als Reduktionsstufe eines o, also = o, z. B. vuktÖ(; zu lat. 7iox, idg. nöks, noktös, Gen. övuxoq zu ab. noga, \x\i\r\ neben lat. mola, vucco) 'stosse', abg. pronoziti, vgl. noch Thumb KZ. 36, 191 f.
Anm. Von diesem u ist das v zu trennen, das auf idg. tv zu- rückgeht, in T^vri, kiik\o(; u. s. w.
29. 3) Im Italischen finden wir für e sehr häufig a und zwar in so isolierten Worten, dass ich geneigt bin, dies für die lautgesetzliche Vertretung des idg. e zu halten. Wo e auf- tritt, kann es auf Ausgleichung beruhen. Man vergleiche lat. quattuoTj ai. catväras, gr. TTicupe<; (dies ist das sicherste Bei- spiel, denn alle Versuche das a zu erklären, sind gescheitert); lat. aper, umbr. dbrof 'apros', ahd. ehur, idg. '^eprös (vgl. ühlenbeck S. Btr. 24, 243); lat. patere, osk. patensins 'ape- rient', gr. TreTdvvujui; lat. casträre, ai. msti 'schneidet' (e-Reihe wegen ai. s, vgl. Verf. BB. 24, 218 ff.); lat. magnus, gr. ixe-^aq (idg. megns — 7negnös?)\ lat. assir, gr. eap; lat. gradioVy gfadus zu got. grids 'Schritt', abulg. greßq 'komme', air. in- grennim 'verfolge' (vgl. Bezzeuberger BB. 16, 243 ff.); lat.
16 Die Vertretung des \dg. e.
lapis 'Stein', gr. Xitiaq n. 'kahler Fels'; lat. lahium zu nhd. lefzCf lippe, ags. lepor; lat. laqueusj gr, XetTabvov 'Jochriemen', ah. le^kq 'biegen'; lat. rapio zu repenSy alb. rUp 'berauhe' (Osthoif M. U. V, III); umbr. kateramuj caterahamo, lat. ca- terva, air. cethern, abulg. ceta (Bezzenberger BB. 16, 240); lat. saxunij sacena zu secäre-^ lat. fragilis, got. hrikan\ lat. ariesj umbr. erietw, volsk. arpatitu zu jpefo (doch vgl. Planta Gramm, der osk. umbr. Dial. I 281 f., II 651 f.); umb. tapistenu, 1. tepor (doch vgl. Planta I § 195); lat. daps 'Speise', got. Hihr (nhd. Ungeziefer), gr. beTiaq; lat. flagräre, flamjna, gr. cpXe'TU), ahd. plecchan, mhd. blecken 'blitzen, sichtbar werden'; lal. cadoy ai. md 'abfallen'.
Anm. 1. Die Frnge nach der Herkunft des lat. a behandelt ausfüiirlich Collitz Transactions of the American Philological Asso- ciation 27 (1897) S. 92 ff. Er verficht ein von Wharton aufgestelltes Gesetz, dass nach idg. Betonung vortonige idg. e, o im Lat. zu a geworden seien. Icli halte dies Gesetz für falsch. Abgesehen da- von, dass Spuren der idg. Betonung im Lateinischen noch nicht nach <ie wiesen sind, widersprechen ihm die Kausativa, docere, monere^ die zeigen, dass vortoniges idg. o (ai. hhärdyati) auch im Lateini- schen bewahrt ist. In Wirklichkeit handelt es sich um unser r, und hier ist die Schwächung schon idg. Es ist also viel einfacher, laut- gesetzliche Entwicklung von e zu. a anzunehmen. In der Haupt- sache sind wir freilich darin einig, lat. a als lautgesetzlich zu er- weisen.
Anm. 2. Mit Osthoffs M. U. V, Vorw. ausgesprochenen An- sichten könnte ich mich nur auseinandersetzen, wenn seine ange- kündigte Arbeit erschienen wäre. Dass wir in den Fällen wie rapiOy yradior, laqueus <• anzusetzen haben, wird sich später aus den son- stigen Ablautsverhältnisseu ergeben.
80. 4) Im Litauisch-Slavischen scheint i für e aufzutreten (vgl. Wiedemann, Das lit. Prät. S. 8, Verf. IF. 7, 154), z. B. hizdzus 'Stänker' zu hezdeti, gistü neben gestü 'erlösche', kihti 'hangen bleiben', keheklis 'Haken', kabeti 'hangen', nuszisz^s zu szäszas 'Schorf, pUti 'coire', gr. neoc;, ai. päsas u. s. w. Doch lassen sich diese Fälle leicht als Neubildungen nach dem Muster ir, i/, i//i, iw zu er, el, ein, en erklären, vgl. die zahlreichen Beispiele für diesen Ablaut bei Leskien Ablaut der Wurzelsilben im Lit. S. 320—360.
31. 5) In den übrigen Sprachen scheint e wie e ver- treten zu sein, doch bedarf das noch näherer Untersuchung. \'ielleicht tritt im Arm. a auf, vgl. tasn 'zehn', vatsun 'sechzig', was llübschmann entscheiden mag.
Die Vertretung des idg. e. 17
b. Idg. e vor Sonorlaut, r, Z, m, y^, i, 2^.
32. Wir müssen hier zwei Fälle unterscheiden, je nach- dem der Sonorlaut hetero- oder tautosyllabisch ist.
33. 1) Der Sonorlaut ist heterosyllabisch. Ob- gleich der Sonorlaut heterosyllabisch ist, beeinfiusst er doch das schwache e in ausgedehnter und verschiedener Weise, so dass hier die einzelnen Arten gesondert zu behandeln sind.
34. a) Vor J wird e zu i, das in allen Sprachen mit i zusammengefallen ist. Vgl. ved. diyäus, lat. Diovis zu idg. dejewo- (lat. deivos, lit. devas), ai. siyämy lat. sierrij got. sijau. Es ist dies das ii der bisherigen Forschung.
35. ß) Vor w wird e zu u, das in den einzelnen Spra- chen als u erscheint, vgl. ai. hhruvds, gr. 6q)puo(;, abulg. hrhvh zu ahd. bräwa (Dehnstufe), ai. bruvdnti ^sie sagen' zu hrdvlrni, ai. piipuvur zu apavista von pü 'reinigen'. Bisher setzte man dafür uu an, das aus u vor Vokal entstanden sein sollte. Letzteres ist aber vollständig unerwiesen. Jedes ij und uw ist vielmehr die Schwundstufe zu ej und ew.
Anm. Man könnte daran denken, das lateinische eigentüm- liche a vor V in favere^ caväre, avilla u. s. w., um dessen Erklä- rung sich Thurneysen KZ. 28, 154 ff. bemüht hat, als idg. eW aufzu- fassen, doch ist dies nicht möglich. Ich halte vielmehr Thurneysens Gesetz, dass lat. ov zu av wurde mit der Beschränkung für richtig, dass es nur vortonige Silben trifft; darum heisst es dann ovis, aber avilla (wenn dies nicht zu acjnus gehört), avena, aububulcus, coviis, vgl. Horton-Smith The Etablishment and Extension of the Law of Thurneysen u. s. w. S. 4, aber caväre, fövea, aber favissae, pavere, cavere, cavilla, laväre, favere, avere, Favönius, favilla, aber nüdus aus *növedos, böves, vgl. im übrigen Horton-Smith a. a. 0.
36. t) Vor heterosyllabischem r, l zeigen Griechisch, Italisch, Keltisch, Armenisch für e ein a^ ein Laut, der auch vom Indoiranischen vorausgesetzt wird, da das Avest.-apers. nicht palatalisierendes ar, das Indische nicht palatalisierendes ir (ur) zeigen. Alle südlichen idg. Sprachen weisen also den gleichen Laut auf. Im Germanischen erscheint U7% ul, es ist also das a noch verdumpft, und nur das Lit.-slav. hat ir, il (daneben ur, ul) entwickelt, was mit dem Indischen auf eine Linie gestellt und als sekundäre ICntvvicklung aufgefasst wer- den kann. Dass ir in jener Sprachgruppe palatisiert, im In- dischen aber nicht, ist im ganzen lautlichen Charakter des Litu- Slavischen begründet. Der Übergang von a zu / ist, sobald
Hirt, Der indogermanische Ablaut. 2
IK Die Vertretung des idg. e.
wir für a einen a-artigcn Charakter annehmen, nicht auffallend. Umgekehrt wird aus h im Urslav. im Serbischen wieder a, dhUh zu dän. Heispiele : ai. üraH^ av. tarö^ apers. taraf^ 'durch hin, hinüber', arm. tar 'fremdes Land', iara 'trans', air. tarathar 'Bohrer', abg. thra 'tero'; ai. Kiraa, av. sarah- 'Haupt', gr. Koipavov 'Haupt'.
37. b) In derselben Weise ist e vor n, m in den süd- lichen Sprachen zu a geworden, im Germanischen zu un, uniy im Lit.-Slavischen zu in, im, vgl. ved. gand, arm. PI. kanaik, böot. ßavd, air. bau, aisl. kona. Nur das Italische weicht nach l^rugmanns Darstellung Grd. P § 442 ab, indem für en en auftreten soll. Aber die Beispiele sind unsicher: tenuis kann auch die Vollstufe enthalten, lat. in- gleich gr. av- dürfte die antekonsonantische Form sein. Ich vermute, dass laut- gesetzlich auch im Italischen an die antesonantische Form vor, wofür folgende Beispiele sprechen: manere, das unzwei- felhaft zu gr. iLievu) gehört ; an- Negativpartikel im osk.-umbr., osk. an-censto 'incensa', am-prufid 'improbe', umbr. antakres 'integris', asnata 'non tiucta'. Lat. in, osk. umbr. an würden also gr. a und av entsprechen, aber so, dass die ursprüng- liche Verteilung gestört wäre, und jeder der beiden Dialekte eine Form verallgemeinert hätte; l-dt. janitrices aus *jena-f)'ices neben gr. evaiepe^. Für em fehlen Beispiele, venio ist jeden- falls nicht sicher, da es für variio nach venl, ventus stehen kann. Wir erhalten damit eine vollständige Einheitlichkeit und dürfen annehmen, dass idg. e vor r, l, m, n im Idg. zu a geworden ist.
Anm. 1. Der hier skizzierte allgemeine Stand der Dinge hat einzelsprachlich durch Assimilation kleine Veränderungen erlitten. So ist mit Joh. Schmidt KZ. ^2, 377 anzunehmen, dass im Griechischen vor einem u oder Fo der folgenden Silbe ap zu op geworden ist. Diese Sache ist allerdings, wie Schmidt sagt, sonnenklar, vgl. gr. CTÖpvu|ni ai. stfnömi, öpvuiui ai. rnomi, iroXO- ai. purüs, poXiJviu zu germ. melwa u. s. w.
Anm. 2. Die Sonorlaute r, ^, 7n, n blieben vor Lauten, mit denen sie eine Anlautsgruppe bilden konnten, namentlich vor j und ?r, aber auch m vor n, heterosyllabisch, es hiess also idg. g^'c-mjö, vgl. Verf. IF 7, 146, Brugmann Grd. P 393. Daraus erklärt sich die Thatsache, dass die sogenannte {?, r vor j in einzelnen Spra- chen anders vertreten ist als gewöhnlich." Im Indischen finden wir für cii^ cm Vokal+Nasal vor ?/? ^t-, vgl. uksan-yänt, jaghanvan, (famyät\ auch mn kann anlauten, daher ai. Samnlte^ ramnäti, scam-
Die zweite Schwundstufe.
19
nan RV. Von diesem Standpunkt aus bin ich nicht in der Lage, hanmäs, vavanmä, jaganina mit Schmidt Kritik 52 für lautgesetzlich zu halten. Im Griechischen entspricht av, aju vor j und n: iroiMaivuu, ßaivuu, xXaiva, öd|Livr||Lii, Tdjuvu), Kd|uvuu. Im Italischen erscheint a re- gelrecht vor r -f- j, vg'l. pario zu lit. periii 'brüte', salio zu g-r. 6.\\o\xa\y vgl. Brugmann Grd. I^ 467; ebenso im Keltischen: air. fonigaire zu lit. giriü^ ca^re "Tadel' zu lit. kei^eti 'Böses anthun' und do-moiniur domuiniur 'ich meine' : gT. |ua{vo|aai, ya^nedar 'er wird g-eboren', Brugmann Grd. F 412.
Die zweite Schwundstufe.
38. Neben der ersten Schwund- und der Reduktions- stufe giebt es noch eine zweite Schwundstufe, die in einer weiteren Reduzierung etwa noch vorhandener Schwundstufen- vokale besteht. Sind S. 1 und R. zu gleicher Zeit und neben- einander ins Leben getreten, so liegt es mit S. 2 anders, sie setzt eine bereits vollzogene Reduktion voraus und trifft nur die Schwundstufenvokale. Wir dürfen ihre Wirkung dahin feststellen, dass ein d völlig schwindet, und e, ei, eu, er, en zu — , i, u, r, 71 werden. Zweifellos hat diese zweite Schwund- stufe ihr Hauptgebiet da, wo fertige Worte enklitisch wei'den, d. h. im wesentlichen in der Komposition. Bekanntlich be- steht diese im Idg. in beträchtlichem Umfang, und es kann daher nicht Wunder nehmen, dass auch die zweite Schwund- stufe genügend belegt ist. Aber anderseits unterliegen Kom- posita leicht dem Einfiuss der Grund Worte, wodurch zahlreiche Neubildungen hervorgerufen werden. Ganz richtig hat die Thatsachen Bartholomae IF. 7, 70 gedeutet: „Ein d der zweiten oder der vorletzten Silbe eines Wortes fiel in der Ursprache aus, wenn sich dessen Betonungsverhältnisse durch Zusammen- setzung veränderten, oder auch, beim Verbum, durch Enklise." Beispiele siehe § 801.
39. Auf Grund des vorhergehenden dürfen wir daher folgendes Ablautssystem der Ursprache entwerfen, das sich von den bisherigen Annahmen in manchem Punkte unterscheidet.
Vollstufe
Reduktionsstufe . . .
Schwundstufe 1 . . .
Schwundstufe 2 (Stufe
der Knkhse) . . . .
|
e |
ä |
Ö |
e |
a |
0 |
ei |
eu |
er |
en |
|
e |
9 |
Q |
e |
a |
0 |
ei iij) |
eU u{iv) |
er Vir) |
en |
|
— |
— |
— |
— |
Hj) |
u{w) |
Tir) |
n{n) |
em
m{m) m (m)
20 Die Ursachen der Schwundstufe.
Ob in Schwundstufe 2 i, w, r, n geschwunden sind, bedarf der Untersuchung. Bis jetzt nimmt man an, dass dies nicht der Fall ist, aber es ist ganz sicher, dass diese Laute z. T. verloren gingen, sobald sie postkonsonantisch standen.
Die Ursachen der Schwundstufe.
40. In der Schwächung und dem Ausfall von Vokalen im Idg. hat man sich gewöhnt die Wirkung eines stark exspira- torischen Akzentes zu sehen, und ganz unzweifelhaft kann ein solcher, wie uns das Keltische und das Germanische lehren, bedeutende Veränderungen in den Sprachen hervorrufen. In- dessen lässt sich für die letzte Epoche der idg. Ursprache ein wesentlich exspiratorischer Akzent nicht wahrscheinlich machen, vielmehr zeigen die Sprachen, die die idg. Betonung am treu- sten bewahrt haben. Altindisch, Altgriechisch, Serbisch und Litauisch, einen überwiegend musikalischen Charakter des Ak- zentes, den wir daher auch der Ursprache zuschreiben müssen, denn es wäre ungereimt, die Art der idg. Betonung nach den Sprachen bestimmen zu wollen, die nicht einmal den Sitz der alten Betonung bewahrt haben. Der musikalische Charakter des idg. Akzentes vermochte nun freilich, wie es scheint, die Vokalreduktionen nicht zu erklären, und so blieb als einziges Mittel die Annahme übrig, dass die idg. Ursprache ihre Be- tonung änderte. Einst, zur Zeit der Vokalreduktionen, sei sie cxspiratorisch gewesen, dann aber, kurz vor der Trennung, musikalisch geworden, eine Annahme, die nicht gerade ein- leuchtend ist. Dabei blieben sogar noch Schwierigkeiten be- stehen, da man nicht erklären konnte, wie denn eigentlich ei^ eu zu i und ti geworden seien. Kögel war wohl der erste, der PBr. 8, 108 vermutete, dass dieser Übergang über / und ü vor sich gegangen sei. Auf diese Annahme gründete etwas später OsthofiF seine Arbeit über die nebentonige Tiefstufe, in der er die zahlreichen i und ä, die neben i und u stehen, als die theoretisch geforderten Mittelglieder zwischen ei und i, eu und u zu erweisen suchte. Es kann heute kaum einem Zweifel unterliegen, dass die Grundlage von Osthoflfs Arbeit in der Hauptsache unrichtig ist. i und ü stehen, höchstens mit Aus- nahme des oben § 25 erwähnten Falles, niemals im Ablaut zu ei und eu.
Die Ursachen der Schwundstufe. 21
41. Eine wesentlich andere Meinung ist zuerst von P. Passy Cliangements phonetiques 114 aufgestellt und von J. N. Finck Über das Verhältnis des baltisch-slavischen Nominalaccents zum urindogermanischen 29 energisch aufgenommen worden : „Wenn Rückschlüsse auf die Laute vergangener Zeiten überhaupt ge- stattet sind, dann darf man behaupten, dass schon die idg. Ursprache von der Flüsterstimme Gebrauch gemacht hat und zwar in weit grösserem Umfang als jede uns bekannte Sprache. Meines Wissens ist P. Passy der erste und einzige gewesen, der, um die musikalische Betonung des Idg. zu verteidigen, unter anderen auch auf diesen Umstand aufmerksam gemacht hat. Nicht alles, was er gegen die Annahme eines exspira- torischen Akzentes vorbringt, kann heute als stichhaltig an- gesehen werden. Eins aber bleibt bestehen, und zwar das für die vorliegende Frage ausschlaggebende, die unerklärte Art der Vokalreduktion. Um sicher zu gehen, sind alle Fälle ausser Acht zu lassen, die verschieden gedeutet werden kön- nen, wie die Nasalis und Liquida sonans. Wie aber erklärt der exspiratorische Akzent allein, dass *suep (aisl. svefn) zu sup (gr. xjTTVoc,) wird? Wie erklärt man *hhudh (got. hudans) neben *hheudh (got. hiudip)? Die lautphysiologischen Beden- ken, die Misteli und Curtius vorgebracht, müssen noch immer nicht verstummen, wie Osthoff es schon vor Jahren angenom- men. Auch wenn ^ und ü als Übergangsstufen nachgewiesen wären, würde das „Ausspringen" des e um nichts begreiflicher als das von der alten Gunatheorie behauptete „Einspringen" eines e in den Wortkörper. Die Quantität des i und u ändert nicht die Qualität, braucht es wenigstens nicht. Immer bleibt der Vorgang der, dass der am meisten sonore Laut zuerst schwindet. Nimmt man dagegen an, dass die unbetonte Silbe geflüstert wurde, so muss e eher fallen als i und u. Wer der Theorie nicht glaubt, spreche mit Vollstimme suepnos, und verlege den Ton auf die Endung: das Resultat ist suepnös oder sepnös. Man flüstere suepnös, und es ergibt sich un- fehlbar supnös.^^ Ich habe diese Stelle in ihrem ganzen Um- fang hierhergesetzt, weil sie mir entschieden neue Ausblicke zu eröffnen scheint. Indessen würden diese Ausführungen auf mich vielleicht ebenso wenig Eindruck wie auf andere ge- macht haben, wenn ich nicht kurze Zeit später Gelegenheit gehabt hätte, den musikalischen Akzent des Serbischen zu
22 Die Dehnßtufe.
beobachten, wobei die Richtigkeit der angeftthrten Gesichtg- punkte durchaus bestätigt wurde. Ich habe ferner 1897 auch das Vorhandensein zahh-eicher tonloser Vokale im Ostlitauischen beobachten und feststellen können, dass ein nei durch Tonlos- werden des e zu ni wird. Die Annahme gefltisterter oder ton- loser und gemurmelter Vokale ist also für das Idg. nicht mehr zu umgehen. Sie ist aber kein Notbehelf, diese Voraussetzung ist im Gegenteil ausserordentlich fruchtbar, da sie uns das bietet, was wir für die Erklärung der Ablautserscheinungen brauchen.
Die Dehnstnfp.
42. Neben der Voll- und Schwundstufe nehmen wir nach dem Vorgang Bartholomaes BB. 17, 105 eine Dehnstufe an, deren Umfang und Entstehung Streitberg IF. 3, 305 ff. im wesentlichen richtig dargestellt hat ^). Danach ist die Dehn- stufe durch Schwund einer Silbe nach betontem Vokal entstanden, indem für den eingetretenen Silbenverlust Dehnung als Ersatz eintrat. Das ist eine Erscheinung, die in den mo- dernen Sprachen eine grosse Rolle spielt, und durch die viele Thatsachen leicht erklärt werden. Manchem mag die Annahme für das Idg. glaublicher erscheinen, wenn er sich auf moderne Parallelen berufen kann, von denen eine der besten im Ser- bischen vorliegt (vgl. Verf. IF. 7, 135 ff.). Vgl. ferner Waniek Vokalismus der schlesischen (schlesisch-galizischen) Mundart (Progrannn von Bielitz 1888) S. 25, Brenner Ein Fall von Ausgleichung des Silbengewichts in bairischen Mundarten IF. 3, 297 if., K. Bohnenberger Zur Frage nach der Ausgleichung des Silbengewichts ZDPh. 28, 515—24 u. v. a. Nicht wesent- lich unterschieden von der Dehnung ist die Entstehung beson- derer Tonqualitäten in Folge von Silbenverlust, wofür wir im Deutschen zahlreiche Beispiele haben, vgl. Nörrenberg Ein niederrheinisches Accentgesetz PBrBtr. 9, 402 ff., Diederichs Unsere Selbst- und Schmelzlaute 1886, Nörrenberg AfdA. XIX 377 und die dort zitierte Litteratur. Thatsächlich ist der Vor- gang, den man für das Idg. anzunehmen hat, lautphysiologisch
1) Wie bei einer derartigen Arbeit selbstverständlich ist, fin- den sich auch einige unrichtige Erklärungen. Die früheren Ar- beiten über dieses Problem werden S. 307 ff. besprochen.
Der Ablaut im allgemeinen. 23
so gut begründet wie nur irgend einer. Wenn trotzdem Wider- spruch gegen diese Hypothese erhoben ist (vgl. Wackernagel aind. Gram. 68, Bloomfield Transact. of the Am. Phil. Ass. 26, 5 ff.), so teilt sie das Schicksal der meisten Entdeckungen. Heute ist die Zahl der Zustimmenden bereits recht gross, und die folgende Darstellung wird hoffentlich ihre Zahl noch ver- mehren. Die gewonnene Erkenntnis ist für die weitere For- schung von nicht genug 7a\ schätzender Bedeutung geworden. Gestattet sie uns doch jetzt die kurz- und lang vokalischen Reihen genau auseinanderzuhalten. Als Dehnstufenvokale zu e, a, 0 erscheinen e, a, ö, die mit den ursprünglichen Längen unterschiedslos zusammengefallen sind. Als Dehnstnfenvokale zu e, ä, ö aber müssen wir zirkumflektierte Längen ansetzen, die freilich nicht besonders verbreitet, aber doch nachzuweisen sind, vgl. Verf. Idg. Akz. 144 ff. Die Dehnung trifft auch tautosyllabischen Diphthonge, in Gruppen wie deiJces, aus denen deiks werden musste. Dies ist in keiner Sprache von ei unterschieden, vgl. Verf. Idg. Akz. 147 ff.
Anm. Auf Grund der Erkenntnis der Dehnstufe hat sich Streitberg auch für die alte Brugmannsche Gleichung idg. o = ai. ä in offener Silbe ausgesprochen, die auch ich trotz Bück Some ge- neral problems of Ablaut AJPh. 17, 267 ff. und Brugmann Grd. F XLIII für wahrscheinlich richtig halte. In Betracht kommt aller-
43. Von den drei verschiedenen Formen der Ablauts- stufen sind zwei durch den Akzent bedingt, sie treten ausser- dem in gewissen Kategorieen regelmässig auf. Wie weit der Sitz des Tones für das Idg. bestimmbar ist, findet man in meinem Idg. Akzent dargestellt. Was dort gesagt ist, kann hier nicht wiederholt werden. Eine Übersicht der in gewissen Kategorieen regelmässig auftretenden Ablautsstufen und ihr Verhältnis zur Betonung findet man weiter imten am Schluss.
44. Das bisher erörterte beruht im wesentlichen auf allgemein anerkannten oder nicht bestreitbaren Anschauungen. Eine Darstellung des Ablauts auf der bisherigen Grundlage würde aber schwerlich eine innere Berechtigung haben. Nach- dem in den 80. Jahren verschiedene Versuche gemacht sind, eine oder eine Anzahl von Vokalreihen aufzustellen, die durch die Betonung hervorgerufen wären, geht man jetzt so weit in der Darstellung des Ablauts, die Beziehungen, in denen er klär-
24 Der Ablaut im allgemeinen.
lieh zur Hetonung steht, ganz zurücktreten zu lassen, vgl. Noreen in seiner Urgerni. Lautlelire und Brugmann Grd. 1^ 482. Ein weitgehender Skeptizismus hat sich der Forscher bemächtigt, vgl. z. H. Meringer Idg. Anz. 8, 6, Thurab KZ. 86,191. Aber damit ist der Sache niclit gedient, wenngleich das Mislingcn aller Ablautssysteme vermuten lässt, dass in den bislierigen Forschungen ein gemeinsamer Fehler vorhanden sein muss. Und der ist leicht zu erkennen. Der Hauptfehler fast aller bisherigen Untersuchungen und Darstellungen des idg. Ablauts ist gewesen, dass man immer nur die einzelne Silbe (die einsilbige Wurzel) und nicht das ganze Wort betrachtet hat. Der glänzende Versuch de Saussures sich von der in- dischen Tradition zu befreien, fand bei seinen Freunden die geringste Beachtung. Erst ganz allmählig fing man an, auf ihn zurückzugehen. Neben ihm ist vor allem Fick zu nennen, dessen Aufstellungen die fruchtbarsten Gedanken enthielten, vgl. besonders den hochbedeutenden Aufsatz GGA. 1881, 1418 if. Dass die nordischen Gelehrten wie Danielsson, Johansson, P. Persson manche richtige Anschauung gewonnen und vor allem mit der Annahme einsilbiger Wurzeln gebrochen hatten, geht aus verschiedenen Bemerkungen hervor. Leider fehlt auch hier jeder Versuch einer systematischen Darstellung, obgleich solche oft versprochen wurden. Schliesslich war auch der wichtigste P'aktor für unsere Frage, der indogermanische Ak- zent, zu wenig bekannt, um sichere Aufstellungen zu ermög- lichen. Ich habe versucht, diesen Mangel in meinem Buche ,,Dcr idg. Akzent'' auszufüllen, und so gross die Lücken sind, die auf diesem Ge])iete noch bestehen, und die keinem viel- leicht besser bekannt sind als mir selber, so ist doch jetzt eine ganz andere Grundlage vorhanden als früher. Wir müssen also den Fehler vermeiden, nur die Silbe zu betrachten, müssen vielmehr von fertigen Worten ausgehen, und wenn wir dies thun, so lässt sich durch den einzigen Faktor, den Akzent, in der That der quantitative Ablaut in weitem Um- fang erklären. Um das folgende besser verständlich zu machen, gebe ich zunächst eine kurze Übersicht der verschie- denen Möglichkeiten und grossen Kategorieen, mit denen wir uns zu beschäftigen haben.
45. Rein theoretisch genommen kann in jeder Silbe eines mehrsilbigen idg. Wortes jede Art von Vokal gestanden
Der Ablaut im allgemeinen. 25
haben, Kürzen wie Längen, einfache Vokale wie Diphthonge, aber es kann immer nur ein Vollstufenvokal vorhanden gewesen sein, neben dem ein zweiter nur existierte, wenn das Wort einen Gegenton hatte. Die Zahl der Schwundstufenvokale ist dagegen unbeschränkt. Jede Silbe muss ausserdem eine der besprochenen Ablautsstufen zeigen. Bezeichnen wir das, was nach dem Abstreichen sichrer formativer Elemente, wie z. H. der Personalendungen -mi, -si, -ti, übrig bleibt, als Basis, so ergeben sich folgende Möglichkeiten.
I. Einsilbige Basis.
A. Der Basis vokal ist lang, z. B. idg. dhe- 'setzen, legen'. Wir nennen diese einsilbige langvokalische oder schwere Basen. Wir müssen hier weiter scheiden:
1. die Basis enthält einen einfachen Vokal
a. e-Basen,
b. ä-Basen,
c. ö-Basen.
2. einen Diphthong und zwar
a. einen i-Diphthong (a*i-Basen),
b. einen t*-Diphthong (ä%-Basen).
Theoretisch sind auch er-, el-, em-, e7^-Basen anzunehmen, doch spielen sie keine grosse Rolle. In diesem Falle erschei- nen in den Schwundstufen ganz regelrecht a und — .
B. Der Basisvokal ist kurz. Wir nennen diese ein- silbige kurzvokalische oder leichte Basen. Sie sind nur in sehr beschränktem Masse vorhanden gewesen. Auch hier ist die Schwundstufe nach dem oben § 18 ff. angege- benen klar.
II. Zweisilbige Basen.
A. Die Basis besteht aus zwei Silben, der zweite Vokal ist lang. Wir nennen sie zweisilbige langvoka- lische oder schwere Basen. Es sind de Saussures ?^c?äffrt- Wurzeln, während Bechtel HPr. den auch von mir angenom- menen Ausdruck der indischen Grammatik se/- Wurzel, d. h. mit i auftretende Wurzel, verwendete. Dieses Wort ist so prägnant, dass es der Kürze halber zuweilen angewendet wer- den kann. Auch hier müssen wir unterscheiden:
1. die zweite Silbe enthält einen einfachen langen Vokal,
26 Der Ablaut im ali^emeineti.
e^ üj 0. Diese Fälle sind weiter einzuteilen nach dem Laut, der zwischen den beiden Vokalen steht.
a. em-Basen,
b. eZ^-Basen,
c. ewfi-Basen,
d. emö-Basen,
e. e;ö5- Basen,
f. ewä-Bsisen, und wenn ich mit x jeden Geräusch laut bezeichne
g. e;r^-Basen.
2. Die zweite Silbe enthält einen Diphthong
a. exa*i'Ba.fieu
b. exa*u-BsLsen.
Bei diesen Basen kann immer nur eine Silbe Vollstufenvoka- lismus haben, also entweder die erste V. I oder die zweite V. II. In jedem Fall müssen wir hier finden V. I + S., oder S.(R.) + V.II, oder schliesslich S + S. Nach dem oben §39 gegebenen Ablautsschema ergibt sich demnach für em in V. I + S. 4r^, in V. II erd oder S. + V. II rä, in R. + S. era oder S. + S. vd,
B. Die Basis besteht aus zwei Silben, der zweite Vokal ist kurz. Wir nennen sie zweisilbige kurzvoka- lische oder leichte Basen. Hierher gehören u. a. die an- udatta oder anit- (d. h. ohne i) gebildeten Wurzeln des Indi- schen, um bei der Darstellung dieser Klasse ganz überzeu- gend zu wirken, also aus rein pädagogischen Gründen, haben wir die Fälle folgendermassen geordnet:
1. die zweite Silbe enthält den Diphthong eu^ exeu- Basen (V. I -f S. 4xu, R. oder S. + V. II {e)xeu)',
2. die zweite Silbe enthält den Diphthong ei, exet- Basen (V. I + S. exi, R. oder S. -f V. II {e)xei);
3. die zweite Silbe enthält einen Semidiphthong er, el, em, en (V. I -f S. 4xr, R. oder S. + V. II {e)xer)\
4. die zweite Silbe enthält ein e, die Basis schliesst konsonantisch. Zum Teil sind dies dreisilbige Basen, die aber hier behandelt werden können. Das reichliche Material ord- nen wir nach dem Mittelkonsonanten:
a. erek {erk und reTc)-^
b. elek (elk und lek)-^
c. enek {enk und nek)\
Der Ablaut im allg-emeinen. 27
d. emek {emk und meJc);
e. ejek (eile und Je/c);
f. eivek {euJc und t(?eÄ:);
g. exeJc {exJc und a^eifc);
5. die zweite Silbe enthält ein auslautendes e. Das sind die eig-entlichen anit-, die gewöhnliehen ^^einsilbigen Wurzeln'^ der bisherigen Forschung.
III. Die Basis besteht aus drei Silben. Derartige Fälle sind gar nicht selten, da die meisten Beispiele von II B. 3 hierher gehören^ aber sie sind doch nicht so zahlreich, um eine weitere Einteilung nötig zu machen. Der Ablaut der einzelnen Silben ist auch hier genau derselbe wie in allen übrigen Fällen, so dass es nicht nötig ist, ihn besonders zu erörtern. Es finden daher nur einige singulare Beispiele Be- sprechung.
Anm. Steht in der ersten Silbe der Abteilung B. ein langer Vokal, so erleidet dieser die entsprechenden Verkürzungen zu a, e, 0 oder 9.
2h Die einsilbigen schweren Basen.
Erster Abschnitt.
A. Die einsilbigen schweren Basen.
I. Die monophthongischen Basen.
Litteratur. Hübschmann Das indogerm. Vokalsystem S. 71. Bechtel HPr. 190 fif.
46. Als Grimdvokale dieser Basen finden wir e, ä, ö. An und für sieh hat diese Verschiedenheit auf die Gestaltung des quantitativen Ablauts keinen Einfluss, doch werden wir das Material, soweit dies möglich ist, nach den Vokalen ord- nen. Bei der Anführung des Materials werde ich mich zu beschränken suchen, indem ich die Kenntnis und Benutzung der etymologischen Nachschlagewerke als selbstverständlich voraussetzen darf. Zahlreiche der bei Hübschmann aufge- führten Fälle finden hier keinen Platz mehr, weil sie anders zu deuten sind. Insbesonders sind alle sogenannten „starren Wurzeln" zu den sef-Basen zu rechnen, bei denen sie leicht Unterkunft und Erklärung finden. Diese Abteilung entspricht der ersten Klasse Bechtels HPr. 190.
47. Bei den einsilbigen schweren Basen wie bei den zweisilbigen geht die überwiegende Anzahl vokalisch aus. Daneben erscheinen eine Reihe konsonantischer Erweiterungen, die man als Wurzeldeterminative bezeichnen darf, um über- haupt einen Ausdruck für sie zu haben. Dass es sich in manchen Fällen um Suffixe handelt, ist höchst wahrscheinlich, doch ist das durchaus nicht für alle Fälle mit Sicherheit an- zunehmen, es kann ebensogut das konsonantische Element in gewissen Bildungen geschwunden, und so der Anschein einer vokalisch auslautenden Wurzel hervorgerufen sein. Es wird die Aufgabe weiterer Forschung sein, dieses Problem, das
Die monophthongischen Basen.
29
durch P. Perssons Studien zur Wurzelervveiterung zwar ange- regt, aber in keiner Weise gelöst ist, weiter zu behandeln. Nötig ist zu diesem Zweck, die Kenntnis des Ablauts, die erst in diesem Buche begründet werden soll, und ich bitte es daher zu entschuldigen, wenn auch ich zuweilen den farb- losen und sicher unzutreffenden Ausdruck Wurzeldeterminativ gebrauche.
48. Die e-, a-s ö-Reihen hatten folgende Stufen: V. I ö-Stufe R. S. 1. S. 2.
idg.
ar.
gr.
ital.
ir.
germ.
lit.
slav.
|
e |
a |
ö |
|
|
a |
|||
|
n |
a |
1 |
U) |
|
e |
ä |
ö |
|
|
t |
a |
||
|
e |
ö |
||
|
e |
ö - |
1 |
ü |
0 \e, tty 0 d
ä V
a
Anm. Im Altindischen findet sich statt i auch I, doch ist dies nicht lautgesetzlich, sondern durch Einfluss der ei-Basen hervor- gerufen, vgl. Wackernagel aind. Gr. S. 19 § 18, wo auch die übrigen Erklärungsversuche angeführt sind. — Vor j und v erscheint statt i im aind. a, vgl. Hübschmann Idg. Vokalsystem, Brugmann Grd. P 170.
49. idg. de- 'binden', vgl. Hübschmann 77. V. I. ai, Aor. dayi, däma V. n. 'Band', samdänam 'Helfer', gr. bibri, ebrjce, bebr|Ka, bidbrijua, uTTÖbTiiua; — S. 1. ^) ai. sdmditaSy dditU 'schrankenlos', gr. bebejuai, beci<;, cuvbeToq ; — S. 2. ai. d-yatl
Anm. i im Ind. in dUva V. S. 'lass dich binden'.
50. idg. dhe- 'setzen, thun'. V. I. ai. dddhämi, Perf. dadha-u, dhäta m. V. -f 'Anstifter, Verführer', dhäma n. V. + 'Sitz, Stätte', gr. Ti0r|)ui, erienv, 0r|cu), eGriKa, dvderiMa, erjKTi, lat. fecij got. gadeds 'That', aisl. däd, ahd. taty ahd. ptc. gitcmy abg. deth 'actio', inf. detij Lsg. dejq 'legen', delo 'Werk', lit. deti 'legen'; — S. i. ai. hitds V. -f, -dhi V. +, dhitiä V. B. S., -hiti- V. B. S., gr. TiGe^iev, e'Ge^ev, Geio, ai. adhitaSy
1) Die Unterscheidung von R. und S. 1 ist bei diesen Basen nicht durchzuführen.
■jO Die einsilbigen schweren Basen.
6€TÖ(;, OecK;, lat. facio, f actus, phryg. abbaKcr; — S. 2. ai. da-dh-niasi, da-dh-mas u. s. w., ab. de^dq aus dedjq^ gr. dor. t60jla6(;, herübergenommen aus den Kompositen.
51. idg. me 'messen'. V. I. ai. matum B., mäta V. -|-. mäträ V. +, mimatu, lat. metior 'messe', ahd. möj, abulg. mer«; — S. 1. ai. mitds V. +, inimlte V. + (mit sekundärem /), gr. )Li6Tpov 'Mass', alb. mate 'Mass', lit. matüju 'messe'; — S. 2. mime, ma-m-dtus,
b2. idg. se- 'säen'. V. I. lat. sevi, semen, got. saia (aus *seju)j manaseps 'Menschensaat, Welt', altir. sil 'Same', ab. sejq, sejati 'säen', ptc. nasetb, semq 'Same', lit. semenys 'Saat, Leinsaat', seju, seti 'säen', seklä 'Same', sejis 'Aus- säen'; — S. 1. lat. ptc. sätus, praes. serimus aus si-samos (Osthoff Perf. 245); — S. 2. ai. stri 'Frau'? (J.Schmidt KZ. 25, 29).
Anm. Ai. sätuii 'Mutterleib' gehört nicht sicher hierher; gr. iri^i trenne ich von unserem Stamm, es gehört viel eher zu lat. jacio\ ai. stri als 'Säerin' gefasst, lässt sich kulturhistorisch schön rechtfertigen. Vielleicht ist se eine e^ -Wurzel, vgl. lat. saecliim, Saeturnus und Seja.
53. idg. sieg. V. I. gr. XriYejuevai 'ablassen', Xr|Huu 'werde aufhören', aXXriKToq 'unablässig'; — S. 1. gr. XaTapö^ 'schlaff', lat. laxus 'schlaff', altn. slakr 'schlaft", ahd. slach 'locker, schlaff'.
Anm. Wahrscheinlich eine «e.^-Basis sele mit «gr- Erweiterung s. § 299.
54. idg. teg 'berühren'. V. I. got. tekan 'berühren' {taitök)\ — S. 1. gr. TeiaTtuv, lat. tango, tactus, an. taka 'nehmen'.
Anm. Ich kann mich nicht dazu entschliessen, das crerm. Wort von dem griechisch-lat. zu trennen, t mag in der Verbindung mit der Präposition ad (got. attekan, lat. attingere) uuverschoben geblieben sein.
55. idg. spe 'sich ausdehnen'. V. I. lat. spes, abg. speti 'Erfolg haben', lit. sjpeju, speti 'Müsse, Zeit wozu haben; — S. 1. ai. sphirds 'reichlich, gross', lat. prosper aus "^sparos, spatium, ahd. spannu 'ich spanne, breite aus', abg. spori 'reichlich', vielleicht auch arm. parar 'ingrassamento' (Bugge KZ. 32, 23). Brugmann Grd. P 171.
Anm. spe ist wahrscheinlich eine ei-Basis, so dass die S. 1 auf idg. Entgleisung beruhen würde.
Die monophthongischen Basen. 31
56. idg'. 1 e d ^müde werden, lassen'. V. I. gr. XrjbeTv • KOTTiäv, KeKjuriKevai (Hes.), alb. Voß^ 'ich mache niüde^ got. letan\ — S. i. alb. geg. Vq, tosk. l'e 'ich lasse', aus Hr)dnö, lat. lassus 'lass, müde', got. lats 'lass, lässig'. S. a. ei- Basis leid § 90.
57. idg. sthä 'stehen'. V. I. ai. d-sthät, tasthäü, alt- pers. 7iii/a-6'tayam, av. paiti-stät, gr. i-CTr|)ui, (Tiricuj; ecxriv, ecirica, ecxriKa, lat. stäre, stätor, stämen, got. sföls 'Stuhl', lit. stöjuy stöfi 'sich stellen', ab. stati 'consistere', serb stäti'^ — S. 1. ai. sthitds, gr. i-aia-iuev, Perf. e-cria-iuev, i-cia-juai, öjaTÖc;, (TTairip, lat. status, stator, statim, sisti-mus aus *si- sta-mus, got. staps, lit. stäkles 'Webestuhl', lit. statyti 'stellen', abulg. stojati 'stare'; — S. 2. ta-sth-ur, savyasthdr, av. ra- daestaVj ai. gösth-d 'Standort von Kühen', got. awistr, ahd. ewist 'SchafstalV' (vgl. W. Schulze KZ. 29, 270).
58. idg. bhä 'sprechen'. V. I. gr. cpuuvri, cpr^i, ecpr), uTToqpriTri^, cpr|)ur|, lat. färi, fäma, fabula, ahd. huozzan, abulg. hasnh 'fabula', hajati 'fabulari', lit. höju 'ich frage wonach', arm. han 'Xöyo(;', aisl. hon, hon 'Bitte' ^ — S. i. gr. cpajuev, ecpaio, TiaXaicpaioq, Trpöqpaci^, d|U(pacir|.
59. idg. p ä k 'fest machen'. V. I. lat. päx, päcare, ai. pdias 'Schlinge, Fessel', att. irriccuj, ahd. fuogjariy gr. 7Tr|YVU)ui; — S. i. hdt paciscor, pango, gr. TidccaXoc;, got. fagi's 'schön'.
60. idg. mägh 'vermögen'. V. I. gr. |Linxo^, lufixap 'Hilfsmittel', lunxavn 'Mittel, Anschlag': — S. i. got. mag 'kann', mahts 'Macht', abg. mogq 'kann', mosth 'Macht'.
61. idg. gwö 'weiden'. V.l. gr. ßuuTi-dveipa 'Männer- nährend', ßuuTuup 'Hirt', eTTißuuTuup, (Tu-ßuuTr|(;, TrajußOuTi^ ; — S. i. gr. ßöcKEi 'nährt', ßoiöv 'Vieh', TrouXußöreipa 'vielernährend', ßoTdvri, ßöciq u. s. w.
Anm. Die Vermutung ist nicht abzuweisen, dass dieser ganze Verbalstamm erst sekundär aus idg. *g'^öus^ g'^öm gefolgert ist, vgl. das aind. Verbum göpäy- 'behüten'. Das aind. götrchn n. 'Kuh- stall, Kuhhürde' V. verhält sich zu gr. ßuÜTuup 'Hirt' wie äpoxpov zu äpoTi^p.
62. idg. dö 'geben'. V. I. ai. dddäti, dadaü, gr. bi- bujjui, biucuj, ^bujKe, bwirip, biupov, lat. dönuyn, dönare, dös, lit. düti 'geben', dütis 'Gabe', ab. darh 'büjpov', dcdh, danh
32 Die einsilbigen schweren Basen.
'vectigaP, dati geben; — S. i. ai. aditas, ditUj gr. bibo^ev, böci?, lat. datusy datio, arm. ta-mlc 'damus', alb. dane 'ich gab', lit. dave^8] — S. 2. ai. devd-t-tas, hhdga-t-tU {\^\. Hübsch- niann § 3), lat. de-d-i, ab. da-s-te, da-d-qU.
Anm. Vielleicht ist da eine alte öw-Basis, vgl. gr. boF^vai, ai. däväne, lit. daviau, dovana. Alsd.inn entliHIt dadäü wahrscheinlich (las alte u. Vgl. Wiedemann Das lit. Präteritum S. 41. — Zu gr. hävoc, vgl. Collitz Transact. Am. Phil. Ass. 28 (1H97), 101.
03. idg. bhög 'rösten'. V. I. gr. (piuYUJ, eqpujHa, q)UJKTÖ(;, qpiuTavov, ahd. huoh'^ — S. i. ahd. hacchaUj altn. haküj gr. (paY6iv.
04. idg. k ö 'schärfen'. V. I. ai. si-mmij lat. cöSy cötiSy 'Wetzstein'; — S. i. ai. sisihij .sisimmi, sUite V.; — S. 2. ai. Hitds\ Sekiindärablaiit in lat. catus 'scharf, Hühschmann 102. Die Basis gehört nicht hierher, sondern ist entweder ein e/'-Basis, wegen ai. .v, vgl. Verf. BB. 24, 234, oder eine e/ä-Basis s. u.
05. Die Zahl der einsilbigen schweren Wurzeln ist sehr beschränkt. Zwar werden bei Hübschraann und anderen sehr viel mehr Beispiele als hier zusammengestellt, aber die ge- nauere Betrachtung lehrt, dass sie zu anderen Kategorieen gehören. War aber auch ihre Zahl gering, so hatte ihr Ab- laut gegenüber den später zu besprechenden Arten den Vorzug der Deutlichkeit, da er sich innerhalb einer Silbe vollzog. Da ausserdem in vielen Sprachen eine Anzahl von Vokalen, namentlich ä mit ö, 9 mit a und o zusammenfielen, so ist es nicht wunderbar, dass dieser Ablaut verschiedentlich an Aus- dehnung gewann.
Anm. Ich will noch hervorheben, dass nicht einmal alles, was ich angeführt habe, sicher ist. Freilich von der formellen Seite können wir diesen Basen nicht näher kommen, wohl aber von Seiten der Bedeutung, in welchem Punkte uns Delbrück Grd. IV, 2 von Nutzen ist. Man weiss, dass gr. Ictttiv, ai, ästhät seiner Ak- tionsart nach ein Aorist ist, diese ist aber gebunden an eine Be- tonung der zweiten Silbe, so dass wir für sthä zu einer zweisilbigen Basis geführt werden, die in ai. sthavi- vorliegen könnte, sthä aus sfhicä, s u. §426. Es würde sich dadurch die Zahl der einsilbigen Basen noch verringern, und es wäre nicht unmöglich, dass es über- haupt keine gegeben hat.
Die m-Baseti.
33
II. Die diphthongischen Basen.
1. Die ei-j ai-, öi-Basen.
66. Wir verdanken die Entdeckung dieser Basen W. Schulze, der in seinem Aufsatz KZ. 27, 420 ff. die Aufmerk- samkeit auf diese eigentümliche Kategorie lenkte, nachdem J. Schmidt KZ. 27, 287 if. nachgewiesen hatte, dass idg. i nach langem Vokal z. T. schwinde. Die ä*i-Basen zeigen genau die gleichen Ablautsprinzipien wie die monophthongischen Ba- sen; nur die Formen ihres Ablauts werden durch das Hinzu- treten des i verändert. Zunächst ist schon im Idg. das i des langen Diphthongs unter noch nicht genügend ermittelten Be- dingungen vor gewissen Konsonanten geschwunden, so dass in der Vollstufe des öfteren der gleiche Vokal wie bei den monophthongischen Basen erscheint. Das hat in erster Linie die Erkenntnis dieser Kategorie erschwert. Als Schwundstufe haben wir 9-f i anzusetzen, das im Idg. zu ^ kontrahiert wurde. So ergibt sich denn in vielen Fällen ein Ablaut e — ?, ä — ?, ö— ^. Neben t tritt vor Vokalen aj auf (auch im Indischen), zuweilen auch vor Konsonanten ein Diphthong, in dem wir die oben § 16 besprochene Reduktionsstufe zu sehen haben. Bei weiterer Schwächung schwindet das 9 völlig, und es bleibt nur i übrig. Die Entscheidung, ob eine «*i-Basis vorliegt, ist bei beschränktem Material nicht immer sicher. Wahrschein- lich wird sie, wenn wir aj vor Vokalen und die Schwundstufe z neben e, ä, ö antreffen. Zuweilen erheben sich daher Zweifel, ob wir es mit einer ä*i- oder mit einer zweisilbigen eja-{set-) Basis zu thun haben.
67. Die ä*i-Basen zeigen folgenden Ablaut:
S. 2
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V. la. |
|
vor Vokalen |
|
idg. eij äi, öi |
|
ar. äi/ |
|
gr. ni; äi, IUI |
|
lat. ej, aj, öj |
|
kelt. ^, a |
|
germ. ej, öj |
|
lit. ej, öj |
|
slav. ej, aj |
|
V. Ib. |
R. |
S. la. |
S. Ib. |
|
vor Kons. |
vor Vok. |
vor Kons. |
|
|
e(j), ai^i), ö{i) |
ei, ai, oi |
^i |
^ (aus di) |
|
a{i) |
e |
ay |
l |
|
r|(i), ä(i), aj(i) |
ei, ai, Ol |
aj |
t |
|
e(i), a(i), ö(i) |
i, ae, ü |
«; |
l |
|
l, ä |
/, oi, ai |
^y |
l |
|
e{e% ö(i) |
l, ai |
«i |
1 |
|
e{ei,e),ö{äi,e) |
et, ai{e) |
«i |
y |
|
e, a{e) |
i, e |
oj |
l |
m
Hirt, Der indogermanische Ablaut.
34 Die einsilbigen schweren Basen.
Beispiele:
68. idg. äik 'haben'. V. I b oder wahrscheinlicher R. got. aigan 'haben', osk. atkdafed 'er hat dekretiert', Brugmann Br. d. Sachs. Ges. d. Wiss. 1897 p. 139 ff.; — S. i b. ai. Ufe 'zu eigen haben', isvaräs 'vermögend'.
69. idg. ä i r 'Bote'. V. I b. ahd. äruntij as. arundi, ags. cerende 'Botschaft'; — R. got. airus 'Bote', aisl. ärr.
Anm. Aisl. erende beruht wolil auf sekundärem Ablaut.
70. idg. keik. V I b. gr. ktikiiu 'hervorsprudeln'; — S 1. ai. sikäydti 'tröpfeln', sikaras 'feiner Regen', de Sanssure 176, Wackernagel 19 f.
71. idg. käil 'Zeit'. V. Ib. ai. MMs m. 'Zeitpunkt, 2eit, Schicksal'; — S. i b. got. heila 'Zeit'; — S. 2. ai. ciräs 'langwährend, lang', vgl. Wackernagel Ai. Gr. § 123.
Anm. Es giebt auch andere Möglichkeiten der Auffassung, falls kälds nicht hierher gehört.
71a. idg. kwei, kwöi. v. I a. ai. part. häyamänas RV., a-Jcäyia zu Jcäy 'etwas zu verlangen suchen, es gern haben', abg. cajq 'hoffen', ai. cäyamänäs 'sich scheuen, fürchten, ehr- furchtsvoll sein'; — V. I b. gr. Tiipö^ 'bewachend, behütend', TTipeuj 'nehme wahr, behüte', ahd. öheim] — S. i b. gr. Ti^r|.
72. idg. keil. V. I b. lit. Milis 'Fell'; — R. ai. celam n. 'Kleid, Gewand'; — S. i b. ai. dram n. 'Streifen, Baum- rinde'. Unsicher.
73. idg. kläid. V. I b. lit. Tddidzioju 'fortgesetzt um- herirren', [kläida] 'Irrgeist'; — S. i. lit. Mystu, klysti 'in die Irre geraten, sich verirren'. Kann auch eine zweisilbige Basis enthalten.
74. idg. gäi 'singen'. V. I a. ai. gäyati 'singt', gäyatrds 'Gesang, Lied', -gäyas n. 'Gesang, Lied', abg. gajq, gcfjafi; — Ib. lit. gedmij gedu 'singe', ai. gätiy gänti^ gdthä 'Gesang', gäthds 'dss', gatum] — R. lit. gesmS 'Lied', gaidys 'Hahn', ai. gesna- 'öffentlicher Sänger des Samaveda'; — S. i. ai. gitdSy githas, gitis, lit. pragystu 'zu krähen beginnen'.
75. idg. gnäib 'kneifen'. V. Ib. lit. gndibau 'wieder- holt kneifen'; — S. i b. lit. gnyhiu 'kneifen', ndd. knlpen. Unsicher, da möglicherweise eine zweisilbige Basis.
76. idg. ghei 'verlassen'. V. I a. aind. aor. aJiäyi^ häyin-\ — Ib. sli. jdhati 'er verlässt', ai. hänis 'Mangel', gr. Xnro^, Xnpo?, lat. keres, ai. hätum; — R. got. gaidw N.
t)ie m-Basen. 35
'Manger aus ^ghaituöm-^ — S. i b. ai. hlnö.s, jahitam; — S. 2. ai. jahimas, jahitds'^ auch in der Reduplikation JiÄä^ä C.
77. idg-. (s)täi. V. I a. ai. stäydt 'heimlich, verborgen sein', tayüs 'Dieb', av. täyusj täya- 'Diebstahl', abg. tajq 'verberge', taj 'heimlich'; — Ib. abg. tath 'Dieb', gr. TTiTduj, dor. Tarduj 'beraube'; — R. ai. stends 'Dieb, Räuber'.
78. idg. dheig. V. I b. lit. degti 'stechen'; — S. i. lit. dygti 'keimen', lat. figere, umbr. fiktu, vgl. Solmsen KZ. 34, 1. Unsicher, da möglicherweise eine zweisilbige Basis.
79. idg. d h e i 'saugen'. V. I a. ai. dhäyas 'nährend, erquickend u. s. w.', dhäyüs 'durstig', ahd. taju, lett. deju 'saugen'-, — Ib. ai. ädhät, gr. 0r|caTO 'sog', 0r|Xr| 'Mutterbrust', ai. dhärtiSj gr. 0n\u(;, lat. feläre 'saugen', umbr. feliuf, lat. femina, air. dlth 'suxit', lit. pirmdele 'die zum ersten Mal ge- boren hat', lett. det 'saugen', dels 'Sohn', abg. dete 'infans'; — R. ai. dhäyati, arm. dayeäk 'Amme', got. daddja, abg. dojq, idg. dhajeti, ai. dhenä 'milchende Kuh', av. -daenu 'Kuh', arm. dail 'Biestmilch', alb, deVe 'Schaf, lit. denä 'trächtig von Kühen'; — S. i. ai. dhztdSj dhitväj lat. filiusj filia^ lett. dile 'saugendes Kalb'*, — S. 2. ahd. tila 'weibliche Brust'.
Anm. Ob gr. eOuceai 'schmausen', Soivr] 'Schmaus', Goivctuj 'schmausen', ai. dhenä V. 'Nahrung' zur Basis dhei gehören, scheint mir zweifelhaft zu sein. Jedenfalls müsste dann wohl öoivt] auf Gujivri zurückgeführt werden. — Brugmann Grd. P 283 erklärt got. daddjan aus idg. ddijö, aber ich kann ihm in seiner Erklärung des got. ddj nicht beistimmen. Ich bleibe daher bei der Gleichung ai. dhäyati, abg. dojq, got. daddjan.
80. idg. nei 'nähen'. V. I a. ahd. näjan 'nähen'; Ib. got. nepla 'Nadel'; — S. i. abg. nith 'funieulus', nistq 'filum', lit. nytis 'die Hevelte oder der Weberkamm', s. niti 'Weber- trumm'.
Anm. Mit dieser Basis nei fallen in den Einzelsprachen For- men einer zweisilbigen Basis *sene zusammen, vg*l. gr. lvv\\, lat. nere, die vielleicht auf *senei zurückgehen. Möglicherweise liegt die Sache noch ganz anders, vgl. unten § 327.
81. idg. pei 'schlecht'. V. I a. lat. pejor (anders Brug- mann Grd P 672), got. faia 'tadele' aus *fejö ; I b. ai. päpds 'schlecht'; — S. i. ai. piyate 'geringschätzen, schmähen', got. fijan 'hassen'. Ist i in ai. piyate vielleicht sekundär gedehnt?
82. idg. pöi 'trinken'. V, I a. ai. päyin 'trinkend', päydnam 'Tränken'; Ib. lit, penai 'Milch' (?), ai. pänti 'sie
86 Die einsilbigen schweren Basen.
trinken', apät^ lit. [püta] 'ein Zechgelage', lat. pötus, pöculum, gr. TT^TTUiKa, 7TU))Lia; — S. i. ai. pitäsy pltU 'Trank', pltva, ab. piti 'trinken', nerb. ptti^ serb. pivo 'Bier', gr. ttTGi, TriTricKUj;
— S. 2. die Reduplikationssilbe von lat. hiho^ ai. pibämi, air. ibim 'trinke'.
83. idg. pöi 'schützen'. V. I a. ai. pdyüs 'hütend', gr. TTiuu 'Herde'; Ib. ai. päti, lat. päscorj püvi, abg. pa8C{ 'ich weide'; — R. gr. iTOi)ar|v, lit. pemü 'Hirt'; — S. i b. ai. nf- pltiä 'Schutz der Männer'.
84. idg. pöit 'ernähren'. V. I b. lit. ^^Ym5 'Mittagessen', got. födjariy ahd. fuattan 'ernähren', aisl. fostr 'Erziehung';
— S. 1. abg. pitati 'nähren', serb. pitati 'dem Kinde zu essen
geben', ai. pUudaru 'Fichte'; — S. 2. ai. pitüs 'Nahrung'.
Anm. Auf sekundärem Ablaut beruhen gr. iraT^oinai, ^iraccdutiv, ahd. fatunga 'Nahrung-, Speise'.
85. idg. peil. V. I b. gr. TnuXeofLiai, ahd. fäli 'käuf- lich'; — R. ahd. feili. Unsicher.
Anm. Aisl. fair beruht auf sekundärem Ablaut. Ain. pan 'einhandeln, kaufen, tauschen' gehört nicht hierher, sondern zu lit. pelnas 'Verdienst'.
86. idg. pöil. V. Ib. gr. TTÜjXoq; — S. i. abg. ^?7^, s.
pile 'junges Huhn'.
Anm. Wahrscheinlicher enthält nwXoc, einen öm- Diphthong, 8. u. § 110.
87. idg. möi 'Trug'. V. I a. ai. wä?/« 'Trugbild, Gau- kelei' ; — R. ai. nimayas 'Tausch', ai. mayetj lat. mfäärej ahd. mein 'falsch'; — S. i. gr. juTjuoq 'Schauspieler, Schau- spiel', lett. mlju, mit 'tauschen'; — S. 2. ai. -mitya AV.
88. idg. rei. V. I b. ai. rüsi 'verleihen', zu 1 m, räUs f. 'Verleihung, Gunst', lat. res] — R. ai. rayisthas 'begütert', rayU 'Habe, Besitz'; — S. 1 b. ai. ririM, raridhvam\ — S. 2. Perf. rarima.
89. idg. rei. V. I a. lit. reju 'schichte auf; — S. i b. ahd. rim 'Reihe, Reihenfolge, Zahl'.
90. idg. leid. V. I b. lit. leidzu, leidmi, leisti 'lassen', paläidas 'lose'; got. letan (?); — R. lit. laidintl 'laufen lassen';
— S. 1. aisl. lida 'gehen, gleiten'.
Anm. Wenn gr. \\va\iav Tp^iroMai Hesjxh., Xidrofiai 'entweiche' hierher gehört, hätten wir es mit einer zweisilbigen Basis zu thun, und in diesem Falle müssten wir got. Utan von lit. Uidmi trennen, was wegen der Schwundstufe got. lots 'träge', lat. lassus nicht unwahrscheinlich ist, s. o. § 56.
Die äw-Basen. 37
91. idg. säi 'binden'. V. I a. ai. sisäya, sät/in; Ib. ai. asat kesseln', satum\ — R. ai. setus 'bindend, fesselnd', ahd. seito, seid 'Strick, Schlinge', nhd. seil, abg. seth 'Strick', lit. setas\ — S, i. ai. simä 'Scheitel', slmanta 'Grenze', gr. i)ud<;; — S. 2. ai. sitds.
Anm. ai. sinäti muss eine Neubildung sein. Nach W. Schulze KZ. 27, 426 steht sitds an Stelle von *sUds, was anzunehmen nicht unbedingt nötig ist.
92. idg. seik. V. Ib. abg. sekq 'seco'; — S. i b. lat. slca, lit. si/Ms 'Hieb', Wiedemann, lit. Prät. 32, Solmsen KZ. 34, 1.
93. idg. sei 'spät'. V. I a. ai. säydm 'Abends'; Ib. lat. serus, setius\ — S. i b. aisl. sld, got. seipu 'spät', Bugge BB. 3, 106 f.
94. idg. sphei 'gedeihen'. Via. ai. sphäyate 'wird feist', lit. speju 'Müsse, Raum haben', abg. spejq 'Erfolg haben'; I b. ai. sphätis 'Mästung, Fettwerden, Gedeihen', -sphänas 'mehrend', lat. spes, lit. speti, abg. spetiy ags. spöwan 'Erfolg haben', ahd. spuot 'Gelingen, Erfolg'; — S. i b. ai. sphitas 'gequollen', sphitis 'Wohlergehen'; — S. 2. ai. spTiiräs 'feist', vgl. § 55.
95. idg. smäi. V. I b. gr. (Tjuriv, (5\x\\x'^y ctiuujxuj 'ab- wischen, schmieren'; — S. ib. got. smeitan 'bestreichen'.
96. idg. s m e i k. V. I b. ahd. smähi 'klein, gering', aisl. smar\ — S. ib. gr. a|LiiKp6<;, |LiiKp6(; 'klein', lat. mlca.
97. idg. splei. V. Ib. gr. airXriv; — S. i b. ai. plihä 'Milz', lat. lien.
Anm. Sekundärer Ablaut in gr. aTiXaT-X^a.
2. Die ä*^*-Basen.
98. Auch über die ä*w-Basen hat zuerst W. Schulze KZ. 27, 427 ff. das richtige gelehrt, ohne indessen viel sichere Beispiele beibringen zu können. Der Ablaut ist genau der- selbe wie bei den «*i-Basen, so dass eine einfache Tabelle das nötige lehren wird.
Anm. Ob die dreifache Gestalt der Reduktionsstufe in allen Sprachen auseinander gehalten ist, scheint mir noch nicht entschie- den zu sein. Dasselbe gilt von dem R. der e2-Basen in § 67. Hier wird hoffentlich weitere Untersuchung Licht bringen.
|
38 |
Die einsilbige |
n schweren Basen. |
|||
|
V. la. |
V. Ib. |
R. |
S. la. |
S. Ib. |
S. 2. |
|
vor Vokalen |
vor Eons. |
vor Vok. |
vor Kons. |
||
|
idg.eWfäWföw |
eiu\ a{u\ ö(u) |
eu,au,ou |
910 |
U(SLUS9U) |
u |
|
ar. av |
a{u) |
ö |
av |
ü |
u |
|
gr. x]?, äF, ujF |
Ti(u), ä(u), iw(u) |
€u, au, ou |
aP |
ü |
u |
|
lat. SVj avy öv |
e{u)y a{u\ ö{u) |
ü, au, ü |
av |
ü |
u |
|
kelt. |
i, a |
ö, ua |
p |
ü |
U{0) |
|
germ. ewy öw |
e{u\ ö{u) |
eu, au |
aw |
ü |
uio) |
|
lit. ev, öv |
e{u), ö{u\ ü |
iaü, au |
av |
ü |
u |
|
slav. ev, av |
e{u\ a{u) |
ju, u |
ov |
y |
i |
Beispiele:
99. V. I b. lit. üga 'Beere', abg. jagoda ""Beere', serb. jägoda; — S. i b. lat. üva.
100. idg. e u g 'Glanz'. V. I b. abg. jug^ 'Südwind, Süd', serb. jüg slvls jeug; — R. gr. auTn 'Glanz, Strahl', Berneker IF. 10, 156.
101. idg. öudh 'Euter'. V. Ib. gr. oöeap aus öudhr\ — S. 1 b. ai. üdhar 'Euter', lat. über, ahd. ütar, abg. vyme-, serb. vtme 'Euter'.
Anm. Der Ansatz von öudhr für gr. oööap ist absolut not- wendig. J. Schmidt SB. der Berl. Akl 1899, 307 ff. leugnet das griech. Kürzungsgesetz, ohne mich zu überzeugen.
102. idg. öus 'Mund'. V. Ib. ai. äs 'Mund, Angesicht', lat. öS, öra, gr. uja 'Rand', aisl. öss 'Flussmündung', lit. üstas 'dss.'; — R. lat. ausculäri, ausculum, austia, preuss. austin 'Mund', abg. usta 'Mund', ai. östhas 'Oberlippe', alb. ans 'Seite, Saum, Ufer, Borte', aisl. eyrr f. 'sandiges Fluss- oder Meeres- ufer', vgl. Job. Schmidt Neutra 221.
Anm. Nach Meringer Beitr. z. Gesch. d. idg. Dekl. SBWA. CXXV, 2 S. 12 f. ist der Stamm 'Ohr' mit unserm Stamm identisch. Ich verweise für diese Frage noch auf serb. ücho, pl. üsi, das ein öus erweist.
103. idg. kweuros 'löcherig'. V. Ib. lit. Jciduras 'lö- cherig'; — S. 1 b. lit. l'iürti 'löcherig werden', gr. cupiTH.
104. idg. kewer — V. la. lit. sziaurys, ab. severb, serb. sjever 'Nord'; — R. lat. Caurus\ — S. i. ahd. shür.
105. idg. käul. V. I b. gr. Kr|\ri 'Bruch', ahd. höla, aisl. haull m. 'Bruch am Unterleib' aus Tcaul oder kaul] — S. 1. abg. hyla, serb. Tcila 'Bruch'.
Anm. Sekundären Ablaut in att. KoXri. Die germanischen Formen können auch eine Schwundstufe enthalten.
Die äw-Basen. 39
106. idg. ghöura, vgl. Brugmann IF. 6,98. V. Ib. lit. gomurys 'Gaumen', ahd. guomo, aisl. gö7nr, ags. göma\ — R. abd. goumoy lat. fauces, gr. x^övo^ 'klaffend', xaoc, 'Kluft'. Zu lat. f aus idg. gh vgl. Horton -Smith The law of Thurn eyen 7^
107. idg. k r ö u k 'krähe'. V. I b. gr. Kpa)2:uj 'krähe, krächze', aisl. hrökr 'Seerabe', ahd. hruoh, ags. hröc 'Krähe';
— R. gr. KpauYrj, aisl. hraulcr 'Seerabe'; — S. i. got. hrükjan 'krähen', Tirüks 'Krähen'. Wahrscheinlich zweisilbige Basis.
108. idg. teur 'Stier'. V. I. aisl. piörr 'Stier'; — R. gr. TaOpo(;, lat. taurus (Brugmann IF. 6, 98).
109. idg. päu 'Feuer'. V. Ib. got. föns-, — S. ib. gr. TTup, umbr. pir, ir. wr, ahd. /wir, arm. hur 'Fackel'.
110. idg. pöu 'Junge, Knabe'. V. Ib. gr. ttojXo^, lat. puer, gr. tiovc, (Job. Schmidt KZ. 32, 370 i); R. gr. TraFi^, böot. iraFibi, gr. iraö^; — S. i b. lat. püpus; — S. 2. got. fulüj ahd. volo, lat. pullus mit altem u.
111. idg. bhöul 'Lager'. V. Ib. gr. (piu\eö<; 'Lager der wilden Tiere', aisl. böl 'Wohnort'; — S. i b. gr. cpOXri 'Geschlecht, Stamm', ahd. hür 'Kammer'.
112. idg. möum. V. Ib. gr. |uuj|ao(;, M^^ctp, )Liiu|ueo|Liai ;
— S. 1 b. gr. d|Liu|uuuv, ^Ojuap (J. Schmidt KZ. 31, 386 *).
113. idg. möur. V. Ib. gr. |uiupo^, luujpöc; lat. mörus;
— S. 1 b. ai. mürds 'dumm'.
114. idg. möul 'Zauberwurzel'. V. Ib. gr. juiuXu 'Zau- berwurzel'; — S. i b. ai. mülam 'Wurzel', vgl. müla-Tcarma n. 'Zauberei mit Wurzeln'.
115. idg. lau. V. I. ai. lava- 'schneidend, pflückend', lüvaka- 'Schnitter', gr. Xdiov, iqn. Xrjiov 'Saatfeld'; — R. gr. dTToXauuu 'geniesse', got. laun n. 'Lohn'; — S. lünds 'ge- schnitten'. Wegen ai. lunäti 'schneidet' braucht man keine ewä- ßasis anzusetzen.
116. idg. leu 'lassen'. V. I a. lit. paliduju 'ich lasse ab, höre auf, lett. taiiju 'zulassen', got. lew 'Veranlassung', got. lewjan 'preisgeben'; — S. i b. got. lün 'Lösegeld' (Persson BB. 19, 279 ff., Froehde BB. 20, 21 f.), gr. Xöce tui« 'löste die Glieder'.
117. idg. söut 'satt'. V. Ib. got. söps 'Sättigung', söpjan 'sättigen', lit. sotüs 'sättigend'; — S. i b. abg. syt^f
40 Die einsilbigen leichten Basen.
serb. Sit 'satt'. — Sekundärer Ablaut in got. saps 'satt', lat. sat, satis, »atur, gr. aaioc,.
Anm. Nur bei diesem Ansatz lässt sich sinv, ayth erklären. Dass nur eine Sprache die regelrechte Ablautsform bewahrt hat, ist nicht unmöglich.
118. idg. steur. V. I b. \\i. störas Mick, umfangreich', abg. stari 'alt', ahd. stiuri 'stark', ^w ateÖTai 'er stellt sich an zu etwas'; — R. gr. crTaupöq, lat. resfaurcire, aisl. staurr; — S. 1 b. ai. sthüräsy sthülds 'massiv, stark', Brugmann IF. 6, 88, s. auch § 426.
119. idg. sjöul. V. Ib. ai. syalds 'Bruder der Frau'; — R. 1. abg, suvhj sura, serb. mra 'Bruder der Frau'.
B. Die einsilbigen leichten Basen.
120. Bis jetzt findet man in den Lehrbüchern eine über- aus grosse Anzahl einsilbiger Basen, da man sogut wie alle athematischen und thematischen Verben, die nicht zu unserer ersten Abteilung gehören, hierher stellt. Bei den athematischen Bildungen scheint ja dazu eine gewisse Berechtigung vorzu- liegen, bei den thematischen aber trennt man ohne Grund den sogenannten thematischen Vokal von der Basis ab, ohne zu erklären, was dieser thematische Vokal eigentlich ist. Wir fassen ihn als integrierenden Bestandteil der Basis auf, wenn er im sogenannten Aoristus secundus betont ist. Folgende Basen sind demnach sicher zweisilbig: ai. gametj ahd. cumu, idg. gt(^eme; ai. dhrtatj abg. crhteth, idg. Jcerte^ ai. ädrsariy gr. IbpaKOv, idg. derJce\ ai. mrjdti 'streift ab', mir. hlegaim 'melke', abg. mhzet^j idg. melge\ ai. ddsati, gr. ebaKOV, idg. denke; ai. ruddti, lat. rudöj ahd. ruzziy idg. reude; gr. cpu- TcTv, idg. bheuge'j gr. Xmeiv, arm. e-UJcy idg. ZeiA:"e; gr. kXuuj, idg. Jclewe u. s. w.
121. Als zweisilbige Basen müssen ferner alle Fälle aus- scheiden, die athematisch sind, aber eine Dehnstufe zeigen: ai. rästi, lat. rex zu rege\ idg. peds zu ai. paddm u. s. w. s. u. Aber da die Dehnstufe nicht immer einzutreten braucht, so ist ihr Fehlen kein ganz sicheres Kriterium für die Ein- silbigkeit.
122. Das zweifelloseste Zeichen für ursprüngliche Ein-
Die einsilbigen leichten Basen. 41
silbigkeit ist das Auftreten der Endung -enti in der dritten Person Pluralis, z. B. ai. s-clnti, got. sind^ umbr. se^itj gr. eici. Der Ablaut der Basis es zei<;t die Formen V. I es {*esmif *esi, *esti), R. es gr. ei)uev, ahd. h-irum, lit. esme, ahg.jesrm. S. 1 s ai. smds, s-thd, s-dnti. Das idg. Paradigma dieses Verbums lautet also esmi, esi, esti, (ejsmeSj {e)sthe, {e)s-enti. Hier sind Ablaut und Akzent in strengster Ordnung. Gehen wir noch einen Schritt weiter, und erschliessen wir zu dem schwundstufigen i der Endung ein vollstufiges ei^ oi oder ai, so lauten die protoidg. Formen *esmai, "^essai, ^estai, *esmes, * est he, ^esenti.
123. idg. wel- "wähle, wünsche, will', kann einsilbig sein'. Ablaut V. I wel, R. wel, S. wl = idg. lu, letztere nicht im lebendigen Ablaut erhalten. V. I in lat. vel, lit. pavelmi 'ich will'; R. ai. dvrta\ S. ai. vr-iyät, falls dies nicht für *vryät steht wie mriyate für *mryate'^ S. i in der antekon- sonantischen Form vielleicht in got. lustus m. 'Lust', das man gewöhnlich zu XiXaio|uai 'begehre' stellt.
Vielleicht gelingt es noch andere Beispiele zu finden, jedenfalls werden sie nicht zahlreich sein. Eine Dehnstufe kann es natürlich bei den einsilbigen Basen nur dann geben, wenn ableitende Elemente geschwunden sind.
Zweiter Abschnitt.
A. Die zweisilbigen schweren oder 6^f-Basen. I. Die monophthongischen Basen.
Litterutur: de Saussure Memoire sur le Systeme primitif des voyelles dans les laiigues indoeuropeennes Leipzig 1879; — Fick Gott. Gel. Anz. 1881, S. 1425 ff., Johansson De derivatis verbis con- tractis ling'uae Graecae 92 ff'., BB. 13, 115 ff., 15, 300 ff., IF. 2, 11, Bezzenberg-er BB. 17, 213 ff. (Zum baltischen Vokalismus), Bechtel Hauptprobleme, Kretschmer KZ. 31, 373, Michels IF. 4, 58 ff., Verf. IF. 7, 185-211, 9, 20-36, Wackernagel Ai. Grammatik.
124. Während sich die Darstellung des ersten Abschnittes auf viel begangenen und so ziemlich allgemein als richtig anerkannten Pfaden bewegen konnte, bieten wir in diesem zweiten Teil zum ersten Male eine zusammenfassende, auf reiches Material gestützte Übersicht der Probleme, deren Er- kenntnis erst allmälig und zum Teil erst in den letzten Jahren gereift ist. Es wird de Saussures unvergängliches Verdienst bleiben, in seinem Memoire zuerst auf die Bedeutung der zwei- silbigen Basen hingewiesen und ihre Verhältnisse im wesent- lichen, richtig erkannt zu haben. Gegen die Wichtigkeit der von ihm behandelten Probleme hat sich nie eine Stimme er- hoben, aber die Schwierigkeiten, die sie einer sicheren Er- kenntnis bieten, haben lange von einer weiteren Untersuchung abgeschreckt. Vor allem wurde dann die Forschung durch Ost- hoflfs Arbeit M. U. IV in falsche Bahnen gelenkt, in der er /, ü^ f, /, m, n von der einsilbigen Basis erklären zu können glaubte. Die langen sonantischen Liquidae und Nasale sind freilich dauernd festgehalten, obgleich sie nur vom Boden der zwei- silbigen Basis und auch da nicht einwandsfrei erklärt werden können. Es handelt sich aber hier um ein Problem, ohne dessen Klarstellung weitere Fortschritte in der Lehre vom idg.
Das Problem.
43
Vokalisraus sehr zweifelhaft sind, von dem aber auch die etymologische Forschung in hohem Grade abhängig ist. Auf Schritt und Tritt finden wir in den etymologischen Hand- büchern Etymologieen, die ganz sicher falsch sind, weil sie die Ablautsthatsachen nicht genügend berücksichtigen, die sich aber trotzdem weitgehender Geltung erfreuen.
Anm. Auf dem Boden de Saussures stehen heute wohl die meisten Forscher, vor allem Hübschmann (Idg. Vokalsystem), Wacker- nagel (Aind. Gram.), Fick, J. Schmidt, W. Schulze, Bezzenberger, Meringer. Vgl. ferner die Bemerkungen v. Bradkes IF. 5, 267 und Bucks AJPh. 17, 273, dass sie an der Hand von Whitneys Wurzeln de Saussures Ansicht geprüft und richtig befunden hätten. Die Fragen, die uns hier berühren, sind neuerdings behandelt von P. Kretschmer KZ. 31, 395 ff., Bechtel HPr. 193 ff., Verf. IF. 7, 185 ff.
Das Problem.
125. Es gibt im Indischen zahlreiche Basen auf i, m, r, n^ m und Geräuschlaute, die hinter diesen Lauten vor der eigentlichen Endung in gewissen Formenkategorieen ein i oder ^ zeigen, z. B. im ^'-Aorist (sog. ii-Aorist), im Futurum, in den Bildungen auf -tum, den Nomina auf -tar. Die indische Gram- matik nennt sie set^ d. h. mit i gebildete Wurzeln. Dieser Ausdruck ist leichtverständlich und deutlich, und daher dem von de Saussure gebrauchten udatta vorzuziehen. Derartige Basen zeigen in den Kategorieen, denen Schwundstufe eignet, 2, ü^ iVy a, an statt ^, u, r, a und bilden eventuell ein Nasal- präsens nach der neunten oder Ä;n-Klassc. Zur Veranschau- lichung der Verschiedenheit mögen folgende Beispiele dienen:
anit-BsiBQii: cyötös QB. cyutds V.
^e^- Basen:
drötum C. prdvate RV. aplösta B. yäuti AV. rötum C. srötum E. sötave RV. stötum B. hötum B. S. hnötum C. etum B.
drutds B. prutds RV. plutäs AV. yutds RV. rutds AV. srutds V. sutds V. stutds V. Tiutds V. hnutäs AV. itds V.
dvitave VB. Jcdvlyas SV. dhdvisyati B. S. pavitum IB. hrdvtti V. bhdvitum B. sdvitave AV. hdvitave B. iiayitum B. aritram V. härisat RV. -garitä B. S.
Utas B. Jcütis V. dhütds V. pütds V. brüte V. bhütds V. sütds V. B. hütds V. nltäs V. irnds B. Tcirnas B. gürtds V.
u
Die zweisilbigen schweren Basen.
|
anif- |
Basen: |
|
cHum B. |
ceYrf« V. |
|
arm B. |
Wrf« V. |
|
kdrtum AV. |
Ärr fa« V. |
|
jigharti V. |
,7Är^rt'« V. |
|
dhärturn C. |
c^Är^a.v V. |
|
martum E. |
mrtds V. |
|
vartum E. |
^7r#a8 V. |
|
varstös |
^;?•#ds V. |
|
sürtave RV. |
«rfas B. |
|
sparta RV. |
6^rfds V. B. |
|
smartum E. |
smrtas V. |
|
hartum B. |
Är^rti- V. |
|
tantum B. |
^rtfrt's V. |
|
mantum E. |
matds V. |
|
hdtitum V. |
Ärt^a*- V. |
|
gämtum B. |
(jfrtfrt*^ V. |
|
namtum C. |
wrtfas V. |
|
ydmtum B. |
?/afa6' V. |
|
rarhtum E. |
m^as B. |
«d^-Basen: garUyati B. C. glrnds V. caritum B.
B.
jarimä V. -tarita V. ddrlma RV. pdrima RV. -marita RV. ^;aHmrt/^ V.B.S. mrltös RV. stdntave AV. Tchanitum B. vdnita RV. asänisam RV. Jcamita B. krdmitum B. tdmitös B. S. damitä RV. hhramitum C. vdmiti V. samisva B. S srdmita M.
126. Aus diesen Fällen, die aus Whitneys Verbalwurzeln entnommen sind, geht mit absoluter Sicherheit hervor, dass das z der 6•e^Basen mit der eigentümlichen Schwundstufen- bildung in ursächlichem Zusammenhang steht. Im allgemeinen ist man im Indischen nur selten im Zweifel, mit welcher Klasse wir es zu thun haben, wenngleich in einzelnen Fällen se^ und a7i27-Basen nebeneinander vorkommen. Dann geben die ver- wandten Sprachen den Ausschlag. Zu beachten ist, dass sich das i in der späteren Sprache ausgebreitet hat, so dass nicht jedes i beweiskräftig ist. Am konservativsten sind die No- minalbildungen auf -tfy die Verbalabstrakta auf -tum u. s. w., die .s-Aoriste. Besonders wichtig sind auch die Partizipia, da ein /, üj ir, ür, a, am mit absoluter Sicherheit auf eine set- Basis, nicht immer allerdings ein e, w, r, a auf eine anit-BW' düng hinweist.
127. Im engsten Zusammenhang mit den s^^Basen ste- hen ferner nach de Saussures grundlegender Erkenntnis die «ä-Präsentien, bei denen thatsächlich ein w- Infix vorliegt.
cirnds ü. jlrnchf AV. tlrnds AV. dlrnds B. pürndn V. mürnds AV. ürria V. sirnäs AV. stirnds V. Tchatds V. vätas V. B. sätds V. B. Tcänitas E. Jcrämtas AV. tamtds B. dämtds B. bhrärhtas E. vämtds B. sämids AV. srämtds V.
t)ie wtZ-Präsentten. 45
Welche Bewandtnis es mit diesem Infixe hat, braucht uns hier nicht weiter zu kümmern. Wir führen im folgenden das Mate- rial an, weil wir aus einem ?2ä-Präsens mit grösster Wahr- scheinlichkeit eine «e.M^asis erscliliessen können. Ältere Sprache: i7ümasi? SV, initas QB.; — isnäti V. B. S., isitds V.; — ksinäti V. B., Icsinds AV. ; — 2 grnäti AV. S., gtrnds V. -f, gärit RV.; — grhhnäti V. B., grbhltds V. B., agrabliista V. B.; — jundti RV., jfitds V., jdvistha V. +; — jinäti N.^.^.y jUäs AV.; — drniyät QB., dir7ids, ddriman RV.; — prnäti V. B. S., pürnds, pärlman RV. ; — pruhidnt B., prusitds RV.; — minäti V. B., wffa^ V.; — mrnlM V., mürnds AV. B.; — rinäti V. B. S., rltis V.; — avrnldhvam AV., avärit B., vdriyas V. B., aber m'^a^ (s. u.); — vlindti B. QB., vlinas^.\ — mmniseB., samitds, dsamisthäsRY.] — dsrathnan, srathnäs RV., srthitds RV.; — snnäti V. B., sritds, sirtas RV.; — skahhnäti V. B., sJcahhitds V. — Ältere und spätere Sprache: asndti V. +, ai^^a6• V.; — gv^^äti V. +, garisyatiB.y garitäh. S.'^ — ^rafÄw^t^i B. -f, grathitds V. -f-; — grhnäti V. +, grhitds AV.; — jändti V. +? jnätds V.; — punäti V., pwfa^ V., pavitd AV. -|- ; — mathnäti V. +, mathitds V.; — musndti, musitds V.; — mrdndti^ mrditds AV.; — lunäti B. +; ?«^72as B. +; — srndti V. B. C, sirnas AV. -f ; — stabhndti V. +, stabhitds V.; — strndti, stlrnds V. — Spätere Sprache: TcnsnätiQ.y kusitasC; — Jclisnätiy -Tdisya- ^B. ; — dhuntyat C. ; dhütds. — Als Ausnahmen sind nur folgende 7A1 verzeichnen: ramndti, ratds u. s. w. Hier erweist aber lit. nm^i, got. nwi^, gr. iipejua die .vef- Wurzel ; sindti, sitds. Hier ist das wä-Präsens eine Neubildung, da dies zu einer äz-Basis gehört, s. o. § 91; — sprndfi lüB., sprtds V. B.; — hrunäti RV., hvrtas RV., hrufds V. +; — hadhnätiY., ftac?c?/id.sMSt jedenfalls eine Neubildung; — vrntU V. -f, ?;r^a.9 V. -f-, aber vdristhas und abg. veUt'r^ äuhhndt RV., uhdhds RV., Neubildung, usndn RV., ^«7^5 B. S.
128. Auch in den klassischen Sprachen sind die alten wä-Präsentien an die se^Basen gebunden, s. Fick GGA. 1881, 1427 f., vgl. bdjuvTiiui, ai. dämtds B.; — buvajuai, lat. dürus\ — Kipvrijui, eKepaca; — TriXva|uai, pello, etreXaca; Kp{|uvr|pi, eKpe- juaca; — Trepvrjpi, eirepaca, att. TTiTrpdcKUJ, TTopvdpev TnuXeTv Hesych. ; — iriTvripi, eirexaca; — CKibvapai, ecTKebaca; — ferner auch |udpva)uai 'kämpfe' zu ai. rnrnämi, Kd|uvuj, ai. samnätij
46 Die zweisilbigen schweren Basen.
K^K)uriKa; t^jliviu, T^T|LiTiKa; buvainai : Trepiböcai • Tiepibuvacai He- sych. (F'ick a. a. 0.); — lat. linö, ai. vilinati, aisl. lina; — lat. sperno, ahd. spornöm, lat. sprevi; — lat. sterno, sträviy ai. 8trnäti\ — air. ara-chrinim, ai. srnäti.
Anm. Seit de Saussure nehmen die meisten Forscher an, dass hier ein Infix ne vorliege, dass mit dem auslautenden d im Singular zu nä kontrahiert sei, während im Plural ne zu n gewor- den sei, vgl. de Saussure Mem. 139 ff., Joh. Schmidt Kritik 43 ff. Diese Ansicht, auf der sich de Saussures Theorie zum guten Teil aufbaut, ist falsch. Als Infix ist nur n anzusetzen, während das ä in nä der Wurzelauslaut ist, s. u. § 129, der in unbetonter Silbe zu 9 geschwächt wird.
129. Diese eigentümlichen Thatsachen sind auf sehr ein- fache Weise zu erklären, wenn man nur die naheliegenden Konsequenzen aus Hübschmanns Untersuchungen zieht. Es ist festgestellt, dass das i einen integrierenden Bestandteil der Basis bildet, und dass ai. z, ^, mag es gleich idg. j? oder gleich i sein, ein Schwundstufenvokal ist, zu dem wir die Vollstufe rekonstruieren müssen. Hübschmann hat in seinem idg. Vokalsystem den Nachweis geliefert, dass ai. i = idg. d immer nur die Schwundstufe eines langen Vokals ist, wie wir auch oben bei den einsilbigen schweren Basen (49 — 64) ge- sehen haben; so auch J. Schmidt Ntr. 420^, Kritik 90^, Bar- tholomae ZDMG. 50, 675. Wir erhalten demnach als volle Form eines hhdvi- in hhävitum idg. %heioa, aus dem bei Be- tonung der ersten Silbe die indische Form ganz regelmässig entstand, Vollstufe I (V. I).
Anm. Die progressive Wirkung des Akzentes, die wir an- nehmen, braucht nicht weiter begründet zu werden. Sie ist ebenso wie das Infix -n- eine Thatsache, die wir zugeben müssen. So lange man sie nicht erkannt hatte, war es freilich unmöglich, die richtige Auffassung des Ablauts zu gewinnen. Gerade in dieser Frage hat weiter die Voraussetzung, dass d eine Ablautsform von e sei, die richtige Einsicht (namentlich bei Bechtel HPr.) verhindert.
130. Der Vollstufenvokal der zweiten Silbe konnte nur erhalten bleiben, wenn der Ton auf ihm lag. In diesem Falle musste der Vokal der ersten Silbe geschwächt werden oder ganz schwinden. Wir haben daher als zweite Vollstufe Formen wie a. hhewd- oder b. bhwä- vorauszusetzen. Auch diese Voll- stufen sind in weitem Umfang vorhanden, aber erst sehr spät klar geworden.
Anm. Obgleich schon de Saussure 260 und Hübschmann 182 auf dem richtigen Wege waren, ruhte die Frage, bis sie Bechtel
Erklärung- 47
HPr. 190 ff. und Kretschmer KZ. 31, 373 ff. wieder aufnahmen. Zu Ende g-eführt, namentlich mit Heranziehung- der Betonung, habe ich sie IF. 7, 185 ff., vgl. auch SBtr. 23, 288 ff.
131. Im Indischen gibt es zahlreiche langvokalische Stämme, die keinen Ablaut zu haben scheinen. Sie sind auch in den verwandten Sprachen vorhanden. Man findet eine gute, aber nur kleine Sammlung bei Hübschmann Das idg. Vokalsystem. Brugmann erklärte diese eigentümlichen Bil- dungen M. ü. I 1 if. durch die Annahme, dass ein nicht ab- stiifungsfähiges Element ä an die schwächste Stammform ein- silbiger Wurzeln getreten sei. Diese Annahme erregte schon de Saussures Bedenken (Mcm. 270). In der That, wie soll man es sich vorstellen, dass irgend ein Element von der Ein- wirkung der Betonung verschont geblieben wäre, ganz abge- sehen davon, dass das Suffix -ä eine vollständig unklare Grösse ist *). In Wirklichkeit sind auch diese Basen abstufend, nur konnte man ihre Ablautsstufen nicht erkennen, weil man immer von der Silbe statt vom Worte ausging. Aber Brugmann nahm mit Kecht an, dass ä ein Element sei, das an die schwächste Stufe der Basis getreten sei, und demnach müssen wir nach Brugmanns Erkenntnis selbst, zu plä Tüllen' eine Vollstufe pelä erschliessen. Da sich aus den Thatsachen mit unzwei- felhafter Sicherheit ergibt, dass derartige ,, starre" Basen viel- fach eine 5^^.^ Wurzel neben sich haben, also in diesem Falle ein idg. peh (ai. parimä 'Fülle'), so ist es sehr einfach zu folgern, dass peh und plä regelrechte Ablautsformeu einer zweisilbigen Basis pelä sind.
132. Weitere Fälle lassen sich zahlreich aus dem Indi- schen anführen. Ebenso reich sind die europäischen Sprachen. Bei ihnen hat die Untersuchung kaum eingesetzt, da de Saus- sure nicht auf sie eingegangen ist, und auch die übrigen For- scher immer nur einzelne Beispiele herausgegriffen haben. Daher ist eine ausgiebige Materialsammlung dringendes Be- dürfnis. Sie wird heute dadurch erleichtert, dass wir im Ak- zent ein Mittel haben, in den litu-slavischen Sprachen die
1) Um Brugmanns Arbeit richtig zu schätzen, dürfen wir sie nicht von unserer heutigen vorgeschrittenen Erkenntnis aus ansehen, sondern müssen sie nach dem beurteilen, was vorlag. Der Behand- lung dieser Bildungen in J. Schmidts Vokalismus gegenüber bot sie einen bedeutenden Fortschritt, wenngleich auch in dieser Arbeit schon Keime vorhanden waren, die erst jetzt aufgehen.
48 Die zweisilbigen schweren Basen.
zweisilbigen schweren Basen von den übrigen zu sondern, vgl. Idg. Akz. 134 ff. Im folgenden biete ich, was ich gesam- melt habe. Dass mir manches entgangen ist, und dass hier der etymologischen Kombination noch ein weites Feld offen steht, ist sicher. Hat also die einsilbige Basis nur eine Vollstufe, so muss die zweisilbige zwei zeigen, Vollstufe I und II, der sich R. und S. entsprechend anschliessen. Auszugehen haben wir von den vollen Formen erä, ela^ enäj emäj eja, ewä, eka,
Vollstufe I.
133. Lag der Ton auf der ersten Silbe, so muss der lange Vokal der zweiten zu d werden. Wir erhalten dem- nach: erdy eh, ena, emd, ejd, ewd, ekd, deren Vertretung in den Einzelsprachen zunächst klar zu stellen ist.
1. Das Arische, a. Altiiidisch.
134. Da im Indischen 9 zu i geworden ist, erscheint hier ari {ali), ani, ami, ayi, das zu e wurde, avi, aki. Neben dem i tritt auch scheinbar regellos l auf, vgl. § 48, das seinen Ursprung von den e^ei-Basen genommen haben wird. Da bei diesen i und i in verschiedenen Fällen neben einander stan- den, wurde ^ auch neben i = idg. d gestellt. Geregelt ist aber das Auftreten des i durch ein rhythmisches Gesetz des Altindischen. Die Sprache vermeidet die Aufeinanderfolge dreier Kürzen. Wo also die erste und dritte Silbe kurz sind, steht I, vgl. tamtij aber tavisl, braviti, hhdrlma, aber bharitram. Auch u und ü, a und ä werden z. T. nach diesem Gesetz ge- braucht, vgl. Wackernagel Ai. Gr. § 265. Da das Indische auch die Verbreitung dieser Stufe gut gewahrt hat, so führe ich das Material nach den Kategorieen an, in denen es auf- tritt. Ich beschränke mich auf die Anführung der einzelnen Formen, ohne den Nachweis zu führen, dass wir es mit einer s^.M^asis zu thun haben. Man findet diesen in der systema- tischen Übersicht der Basen weiter unten. Die Vollstufe I erscheint im Indischen
135. a. Im Singular des Präsens. Allerdings ist sie nicht immer mehr auf den Singular beschränkt, vdmi-ti 'speit', (ini-ti 'atmet', stani-hi 'donnere', jdni-sva, sdmi-sva 'sich mühen', amlti 'schädigt', brdmti 'spricht'.
Vollstufe I im Arischen. 49
136. b. Im s- Aorist und im s -Futurum, z. B. davisäni RV. zu du ^bremicii', dmiäs AV., janistam zu jatäs; vanisat AN. zu van ^gern haben', vätas] sanisat zu san ^ge- winnen', sätds\^ aJcramisam, Jcrämtds; avistu, Utas u. s. w.
Anm. Der is'-Aorist kann, da keine Silbe geschwunden ist, auch keine Dehnstufe zeigen. Ebensowenig ist der «-Aorist aus dem ii- Aorist hervorgegangen.
137. c. Bei den mit Suffix -ter und -trom gebildeten Nomina agentis und actionis, z. B. avitä ^Gönner', Jchanitä ^Gräber', damitä ^Bändiger'; panitä 'preisend', pavitä 'Läu- terer' ; janitä 'Erzeuger' ; samitä 'Zerleger' ; savitä . 'Antreiber' ; pra-harita 'der bestreut'; ^ra-#anM 'Förderer' ; ä-maritä 'Ver- derber', rdnitä 'sich ergötzend'; sdnitä 'gewinnend'. Densel- ben Vokalismus trotz Endbetonung besitzen auch durchweg die Bildungen der «mY -Wurzeln, vgl. Tcartä 'Thäter', data 'Geber', dhartä 'Träger', netä 'Führer', yantä 'Lenker', yöAiä 'Anschirrer' u. s. w. Das gleiche gilt von den Bildungen auf 'tram : Mamtram 'Schaufel', caritram 'Fuss', janitram 'Ge- burtsstätte', pavitram 'Seihe', hharitram 'Arm', hhavitram 'Erde', sanitram 'Spende'. Wir haben uns daher in diesem Falle nicht an den Akzent, sondern an die Wurzelstufe zu halten. Über die Entstehung dieser Bildungen s. u.
138. d. Bei den Infinitiven auf -tum, -tave, -taväi, -tös : dvitave, cdritave, srdvitave, hdvUave, ydmitaväi, saritöS u. s. w.
139. e. Im Nom. Akk. Sg. der Wurzelnomina, vgl. pöds, pödm, müsste die Stufe I gleichfalls erscheinen. Doch liegen die Bildungen im Indischen nicht mehr als lebendige Formen vor. Vgl. jani- f. 'Weib', lat. indigena zu janitä u. s. w., vdni- in upamätivdnis zu vanisista, sanis 'Gewinn' zu aor. asänisam, sätds.
140. Höchst wahrscheinlich hat man den blossen Stamm auch in den 3 Sg; Aoristi Passivi zu sehen, die in folgenden Fällen der älteren Sprache zu söjf -Wurzeln gehören: TcSayi : ksinäti, ajäni : jätds, atäri : tirnds, apäti : patitds, aröci : rucitds, vandi : vanditds, avedi : lat. videre, äväri : urnä, sqsi : lat. censere, asäri : srnäti, dsädi : lat. sedere, dstäri : strnäti, svani RV. ? : svanitaSj ahdvi : hütds, äbödhi : hüdhyate, dmdyi : minäti.
Anm. Das ä dieser Bildungen erscheint nur in offener Silbe, und ist daher =: idg. o, vgl. Streitberg IF. 3, 388 f.
Hirt, Der indogermanische Ablaut. ^
5ö Die zweisilbigen schweren Basen.
b. Das Iranische.
141. Die iranischen Verhältnisse selbständig; zu beur- teilen, fühle ich mich nicht im Stande. Andrerseits ergeben sich aus unserer Auffassung des Ablauts gewisse Momente, die hier zur Geltung gebracht werden müssen. J. Schmidt hat Festgruss an Roth S. 183, Kritik 183 angenommen, dass das i der se/-Basen im Iranischen geschwunden sei. Es würde diese Sprache daher denselben Weg gegangen sein, den das geographisch und sprachlich nahe liegende Litu-Slavische (s. u. § 144) und das Germanische eingeschlagen haben. Dagegen hat sich Bartholomae Grd. d. iran. Phil. § 71, S. 132, und mit ausführlicher Begründung IF. 7, 50 ff. gewandt. An diesem Ort hat er auch die Beispiele, in denen indischen set- ira- nische anit-Worte gegenüberstehen, noch bedeutend vermehrt.
142. Wir finden danach folgende Wortpaare : ai. duhitäy gr. GuTotTTiP? gav. dugdda, jav. duyda'^ — janitä, av. zqdä:, — jarita, av. aihijardta\ — drävinas, av. draonö\ — stha- viram, av. staordm\ — ai. dtithis, gav. asti^-^ — ai. viditäSj gav. vistö ^bekannt'; — ai. ''Uisam-uditas, gav. ahdmustö\ — ai. vanita, jav. vanta, N. Fl. vantätdhö] — gr. cjucck;, ai. *vamititj jav. vanta] — ai. yetimd, ücimä, gav. yöi&dmä, vaox9mäj — ai. röcismiSy jav. raoxsnu^va] — ai. janisyatij jav. zqhiamnanqm.
143. Diese Beispiele sind nicht alle sicher. Bei einigen erhebt nach Bartholomae a. a. 0. auch die iranische Lautform Einspruch aus der Herleitung von i-Formen. Aber eine Reihe davon sehen doch recht vertrauenerweckend aus. Bartholomae erklärt alle iran. Formen aus indog., in denen das 9 unter besonderen Bedingungen schon in der Grundsprache geschwun- den sei. Wir werden weiter unten sehen, dass man dies in der That annehmen kann und vielleicht sogar annehmen muss, aber sicher trat dieser Schwund nur unter der besonderen Bedingung der Enklise ein, und es bleibt für mich sehr auf- fallend, dass das Iranische dann fast in allen Fällen die enkli- tischen Formen verallgemeinert hätte. Wären die litauisch- slavischen Akzentqualitäten noch nicht erkannt, so würde man gewiss dieselbe Erklärung für lit. vemfi, drti u. s. w. vor- schlagen.
144. Allerdings führt Bartholomae eine Anzahl von Fällen an, in denen i erhalten ist, nämlich gav. yeziviy vaozirdm,
Vollstufe I im Iranischen, im Litu-ßla vischen. 51
Jaxsvä, jaynväj dUditi, jav. ainiti (ai. *aniti)j gav. bardzi- manqm, jav. hadims-ca, snaidizhya, gav. tdmsim, jav. xrvls- yatö, pdTdnme, xsridvim, vgl. Bartholomae IF. 7, 59 f., aber ich möchte doch fragen, ob wir darin nicht idg. i oder i (ai. i) sehen können. Für letzteres, das doch im Indischen so häufig ist, finde ich bei Bartholomae keine Belege angeführt. So kaon man gav. tdvisim mit ai. tavUi vergleichen. Die is- Stärame des avest. manis ^Sinn', got. muni, sadis 'Sitz' (lat. sedes) gehen jedenfalls auf -ei-ßasen zurück.
Anm. Besonderes Gewicht legt Bartholomae auf av. dugddä, das auf eine Urform idg. dugdhä weise. Aber gr. GuToiTrip, ai. duhitä zeigen den Mittelvokal, lit. duktS^ abg. disth, got. daühtar können ein Mittel £> verloren haben, und können jedenfalls nicht smf dugdhä zurückgeführt werden. Das griech. j aus einer solchen Form zu erklären, ist möglich, ob aber notwendig, ist eine andere Frage — die Media vertritt in nicht wenig-en Fällen die Media aspirata — , und wir müssten jedenfalls eine ganze Reihe Analogiebildungen an- nehmen. Ich möchte daher glauben, dass es noch gelingen müsste, av. duydä zu erklären. Sollte nicht duydä aus den Kasus stammen, in denen r unmittelbar dem Dental folgte, dugiträ zu dugidrä^ zu dugddr-ä. Der von Bartholomae angenommene Schwund des 9, wenn der Akzent weiter nach hinten rückte, ist unhaltbar, s. u. § 797.
2. Das Litauisch -Slavische.
144. Im Litauischen ist 9 mit Hinterlassung von Deh- nung geschwunden, vgl. Bezzenberger BB. 17, 221 ff., Verf. IF. 7, 193. Erkennbar ist dies an dem gestossenen Ton. Die stossend betonten Diphthonge entsprechen also zum grössten Teil zweisilbigen Lautgruppen, zum kleineren Teil idg. Lang- diphthongen, wonach die Darstellung in meinem idg. Akzent zu berichtigen ist. Ebenso liegt die Sache im Slavischen. Die Akzentverhältnisse dieser Sprache sind in meinem Akzent 121 ff. dargestellt, den ich zu vergleichen bitte. Ich bemerke hier nur, dass der serbische Akzent '' dem lit. Stosston ent- spricht.
145. Beispiele: serb. ramo^ räme 'Schulter' (188^); lit. drü 'pflügen', drJclas 'Pflug', serb. rälo (190); lit. kärve, serb. Jcräva, russ. Tcoröva 'Kuh' (197); Mi.Mrü 'aufhängen' (199);
1) Die beigefügten Zahlen beziehen sich auf die Paragraphen, in denen die zu dem Wort gehörigen Ablautsformen behandelt sind. Ich gebe hier die Beispiele nur zur Bequemlichkeit des Lesers.
52 Die zweisilbigen schweren Basen.
lit. kdrszti 'altern' (200); lit. kdrsztm 'liciss' (201); lit. szdrJca, serb. svräka 'Elster' (203); lit. szdrmaH 'Ascihenlauge' (206); lit. szerti 'füttern' (194); lit. gMi 'trinken' (212); lit. gerve 'Kranich' (213); lit. tdrdau 'erforschen' (224); lit. ddrba» 'Ar- beit' (227); lit. d^rgiay d^rUi 'schlecht Wetter sein' (231); lit. herzas, russ. hereza, serb. hreza 'Birke' (237) ; lit. mdrJciu 'die Augenlider schliessen' (241); lit. mdrgas 'bunt' (242); lit. v^rdu 'kochen' (246); lit. sergiu 'hüten', sdrgas 'Htiter', russ. storöza 'Wache' (249); lit. kelti 'heben' (257); lit. kdlnas 'Hügel' (258); lit. kdlti 'schmieden, schlagen', russ. kolöth, serb. kläti (262); lit. kdlpa 'Querholz am Schlitten' (267); lit. skelü 'etwas spalten' (303); serb. släma 'Halm' (268); lit. gelhu 'helfen' (275); lit. gelti 'stechen' (269); lit. melzu 'melke' (274); lit. zelti 'grünen' (276); russ. tolöch 'stossen' (286); lit. delna 'flache Hand' (282); lit. pdhzas 'fahl' (285); lit. pake 'Wasserpfütze' (286): lit. hdldau 'stark poltern' (290); lit. mdlti 'mahlen', serb. mljeti (291); serb. vläga 'Feuchtigkeit' (296j; lit. dntis (309); lit. /ca/it^?^ 'beisse' (318); lit. ie'wH«5 'Zeichen' (321); MtAemti 'finster werden' (342); Wi.vemti 'Erbrechen haben' (347); lit. penas 'Milch' (367); lit. hdime 'Furcht' (368); lit. melas 'lieb' (369); lit. leti 'giessen' (372); lit. setas 'Sieb' (376); lit. äudmi 'webe' (382); lit. dudra 'Flut' (383); lit. kduti 'schlagen^ schmieden' (387); lit. krduti 'aufeinandersetzen' (393); lit. grduziu 'nage' (398); lit. tdukas 'Fett' (401); lit. piduju 'schneiden' (408); lit. spidußi 'speien' (427); Wt plduti 'spülen' (410); serb. büka 'Gebrüll' (412); lit. hridutü 'sich mit roher Gewalt vordrängen' (413); lit. hliduti 'brüllen' (415); lit. mdtiju 'streiche' (417); lit. rdujti 'reisse aus' (418); lit. sduU 'Sonne' (423).
3. Das Germanische.
146. Im Germanischen ist das d teils als Vokal (meistens w, aber auch a, i) erhalten, teils geschwunden, vgl. Bezzen- berger BB. 17, 216 f., Verf. IF. 7, 194. Beispiele: got. arms (188); ahd. art, aisl. ardr 'Pflügen' (190); aisl. iarma 'blöken' (192); aisl. hjarsi (195); ahd. hiruz (197); ahd. kerno {2\0); got. qairnus (211); ahd. querdar (212); ahd. garba (215); got. pairkö (222); got. pairh (224); got. taira7i (229); ndl. tarwe (230); got. faran (232); ahd. birihhüy ags. beorc, aisl. bjqrk (237); ahd. marawi, ags. mearu (243); ahd. sceran.
Vollstufe I im Gerinaiiischeii, im Italischen. 53
scart, scirbi (250); ags. hill (258); aisl. hella (259); ahd. halön (261); got. Jiilan (264); ulid. Jielh (267); alid. halam (268); aisl. kelda (269); ahd. kalt (270); got. miluks (274); alid. Z>^7c/io (288); ahd. swiUzön (300); aisl. 072c^ (307); ahd. anut (309); ahd. anado (312); ahd. hamma (316); ahd. cÄmtZ (319); got. A^a?^?^ (321); aisl. dokkr^ afries. c^zVt^ä' (324); got. imwanands (326); ahd. senawa (327); got. spinnan (328); ahd. emazzig, aisl. «ma, amask (335); ags. grimetan (340); ahd. demar (342); got. Hmi^ (346); ahd. sant (348); ahd. geinön, ags. ganian (360); ahd. gleimo (361); ahd. feizzit (367); got. stains (378); ahd. houwan (387); ahd. Ärö (394); ahd. c?zoA "Schenkel' (401); got. taujan (402); ahd. ^ot^m, got. dauns (405); ahd. riozzan (419); ahd. longa (421) \ got. stmr (426); got. speiwan (427); ahd. fedara (431); as. fathmos (437); got. hasi (438); aisl. mqndull (440). Das Germanische ist demnach für die Bestimmung der zweisilbigen schweren Basen nicht günstig. Falls es nicht noch gelingt, aus den neunordischen Dialekten besondere Tonqualitäten für diese Fälle nach/Aivveisen, kann es nur Licht empfangen, nicht selbst solches ausstrahlen. Die Bedingungen für den Schwund des Vokals sind noch unbekannt. Btr. 7, 475 hat schon Möller den urgermanischen Schwund eines Mittel vokals angenommen. Wenn ich auch die spezielle Formulierung seines Gesetzes nicht als richtig anzusehen vermag, an dem Ausfall des d selbst ist nicht zu zweifeln.
4. Das Italische.
147. Im Italischen muss d zu a werden, das nach den Regeln der mibetonten Silben behandelt wird. Es erscheint daher teils als a, i, e, teils wird es synkopiert. Beispiele: lat. armus (188), arätrum (für arätrum nach arare) (190); cerehrum, aber cernuus (195); corvus, cornix aus cord- (203); mars. herna (216); lat. furca (217); terehra (222); firmus (225); dormio (228); sternere (251); spernere (252), columna (258); calidus (260); gelidus (270): heims (276); molitus (291); antae (307); anas (309), animus (310); genitor, gene- trix (319); sonitus (329); tonitrus (332); fr endo (340); tem- plum (341); teiiehrae (342); dominus (343); domitus (344); vomitus (347); töttis (401); mö^t/s (417); söl (423).
Anm. Bestimmte Regeln über die Synkope lassen sich im
54 Die zweisilbigen schweren Basen.
Lateinischen bekanntlich nicht geben, vgl. Lindsay-Nohl Die Latei- nische Sprache S. 197 ff'. Ich benutzte bei der Annahme von Syn- kope ein mir von Dr. Sommer [IF. 11, 4] mitgeteiltes Gesetz.
5. Das Keltische.
148. Wie d im Keltischen behandelt ist, tiberlasse ich den Keltisten zu entscheiden. Fälle, die hierher gehören, sind etwa : air. tana, nbret. tcmav, corn. tanow 'dünn', gr. TavaF6(;, air. anal 'Atem', nkymr. anadl, lat. animus u. a.
6. Das Griechische.
149. Im Griechischen wird 9 durch a vertreten. Doch kommen daneben auch e und o vor, die noch zu erklären bleiben. Einigermassen isolierte Bildungen zeigen a. Jeden- falls erw^eisen auch e und o eine zweisilbige Basis. Beispiele: epeccuj, ep€T|aö<; (189); epaiuai (191); repaq (193); dKÖp6CT0<; (194); Kepa(;(195); Kepd^ßuH (196); KepaFöq (197); KÖpaH(203) Kepdvvu|Lii (206); KepaiZiuj (207); Tepa<; (209); ^epeGpov (212) Yepavo(; (213); x^pa^o<S (216); KÖpaq)0(; (218); repaiuvov (220) Teperpov (222); eeopov (226); bepeiv (229); eirepäva (232) eTTepacca (234); eiropov (235); epeGiZiiu (244); (TKepacpoq (250) ecTTÖpeca (251); dXaxrip (256); leXeiri (257); KcXaboq (261) KeXaivoq (264); ßeXe^vov (269); ereXaca (272); TcXajuuJV (279) evbeXexn«; (281); TieXaq, TreXaYO^ (284); )ueXa0pov (292); ejnoXov (293); laeXac; (294); eXecpaipo|uai (297); ceXaq (300); aK€XeTÖ<; (301); eivdTepe<; (306); dva (308); dveiuoq (310); övo|Lia (311); ovöccerai (312); KÖvaßo^ (314); Kovapög 'wohlgenährt' (315); Teveci<;, Tevexrip (319); Teva^oq (323); TrevecGai (328); axevdxuj (330); K0)Lieuj (337) ; Kpe)Lia)Liai (339) ; xpÖMobo?, xpeMeTiCuj (340) ; xeinaxo^, xe)uevoq (341); bejua^ (343); TipeiLia (346) ; e)U€xo^ (347) ; beaxai, beaxo (364); Gedojuai (366); deXXa, dexjuöv (383); Kpe'aq (394); eod^uu (404); cppeap (414); d|uevjo|aai (417); XoFecGai (421); nXioc; (423); Trexainai (431); irexacjna (437); ueTa<; (439).
Vollstiife IL
150. Die zweite Vollstufe entstand, wenn der Ton in den Gruppen er«, elä, enä, emä, e/ä, ewä auf die zweite Silbe trat. In diesem Falle konnte das e {a, o) a) reduziert werden zu e, a, o, oder b) ganz schwinden. Im grossen und
Vollstufe IL 55
ganzen ist dies häufiger der Fall als jenes, so dass wir als normale Formen rä, la, na, ma, ja, wa anzusetzen haben. Die Vertretung dieser Lautgruppen in den Einzelsprachen re- gelt sich nach den gewöhnlichen Lautgesetzen. Der Vokal der zweiten Silbe kann e, ä, ö sein. Welche Qualität er hatte, ist oft nicht zu erkennen, da im Indischen e, a, ö in ^ zu- sammenfallen, und die europäischen Sprachen nicht immer ver- gleichbar oder deutlich sind. Es kommen an dieser Stelle auch die Diphthonge ei und ä% vor, die wir besonders be- handeln, während wir nach den Vokalen e, a, ö nicht weiter unterscheiden.
151. Wenn die Stämme konsonantisch anlauten und der Vokal der ersten Silbe ganz geschwunden ist, so entstehen Lautgruppen, die zum Teil schwer, zum Teil gar nicht sprech- bar sind, und die daher durch Verlust eines Teiles der Laut- gruppe vereinfacht werden. Dadurch ist die Erkenntnis zu- sammengehöriger Formationen oft erschwert, und jedenfalls steht dem etymologischen Scharfsinn in dieser Richtung noch ein weites Feld offen. Ich halte es nicht für unmöglich, dass alle anlautenden Konsonantgriippen, denen ein langer Vokal folgt, derartige zweite Vollstufen sind, wenn es auch nicht immer gelingen will, dies klar zu legen. Unter dem Material sind er^-Basen am zahlreichsten, und da r auch mit den meisten Konsonanten sprechbare Verbindungen eingehen kann und die zweite Vollstufe aus diesem Grunde meistens ganz deutlich ist, beginne ich die Übersicht des Materials mit dieser Kategorie.
Arim. Was die Erkenntnis der zweiten Vollstufe betrifift, so liat Brugmann M. U. I 1 fP. ein Suffix ä angenommen, das an die schwächste Stufe der Wurzel getreten sei. Das ist nicht zu halten, vgl. § 131. Auf dem richtigen Wege war Hübschmann Das idg. Vokalsystem S. 188 f., der die starren und die se^Wurzeln schon in Zusammenhang brachte. Wie mir Hübschmann mitteilt, ist er kurz nacli Abfassung seines Buches zu der richtigen Erkenntnis gekommen. Nach Bechtel HProbl. 200 gehen die einsilbigen Basen pse, ple aus bhese, pele hervor, wogegen sich V. Michels IF. IV 61 mit Recht gewendet hat. Aber dessen eigene Theorie von einer durch Dehnung entstandenen Gruppe hhes, die durch Metathesis zu pse geworden sei, ist ebenso unhaltbar wie die Bechtels. Das Rich- tige hat P. Kretschmer KZ. 31, 403 erkannt, und ich habe IF. 7, 185 ff. nur noch die Wirkung des Akzentes hinzuzufügen brauchen.
151. Ich gebe auch hier eine Zusammenstellung der unten besprocheneu Fälle. Lat. rämus (188); lat. remusj ahd.
56 Die zweisilbigen schweren Basen,
ruodavy aisl. roa, ags. röwan, nilid. rüejen (189); lat. arare, rädere, abg. orati (lüO); gr. + epu)(; (191); aisl. rrt//ir (192); lit. + Jcereti (193); gr. + KeKÖpnMai (194); gr. Kpr|-b€|avov, got. Ä?'ö^ (195); lit. Jcröszes (200); lit. hrösnis, gr. Kpuj^aH (201); lit. Ä:r^sfi (202); gr. KOpujvri, ahd. hruoh, ags. Äröc, aisl. hrökr, gr. KpiuZ^eiv, lat. cröcire (203); abg. hrasa, aisl. ÄröAf, hrodor, ahd. liruod-y hruom, got. hröpeigs (204); ai. nrayati, gr. tTii- Kpncai, ahd. /ir^*or;a7^ (206) ; abg. ^rcf^i, lit. ^rdfi, ahd. cÄrö/öw, ahd. hanacrat (208); abg. ^refi (209); got. qakrötön (210;; ai. grävä, air. &rö (211); lat. voräre, gr. ßißpuucKtü (212); abg. + zeravh, lat. prws (213); abg. zhreti, lit. + zereti, ahd. ^mo (214); Vit grepti, yqü. grclhhds {2\b); ii\u\. grät, gruoha (211); gr. ocqppricecGai, 2i\. glirati (219); lit. fro&rt, osk. triibmn (220); gr. TpriTÖq, ahd. dräjan, got. pröpjan, abg. tratiti (222); gr. TpuJTÖc;, TiTpdjcKUj (223); lat. intrcire, ai. fm- (224); gr. 0pr|- cacGai, lat. fretus (226); gr. GpuüCKiu (226); gr. bpäjLia, lit. t?rd6e (227); ai. nidrä, abg. dremati (228); gr. ebdpriv, abg. dhrati, ai. c?rä(? (229); got. dröhjan, ahd. truobi (231); abg. prafi, got. fröps (232); gr. ejuTTiTTpruLii, riiss. preju (233); gr. TTiTupdcKuu (234); TreTipujTai (235); gr. rrptut, ahd. vruo (236); lit. breziu (239); lit. hrekszta (241); ahd. hräto (243); ai. vrädhanta (244); ags. wröt (245); gr. ptuip (247); gr. pr|TVU|ni (248); gr. xapfivai, aisl. sJcräma, lit. shrösti (250); gr. TpujTÖ^ (251); nhd. sprühen, lat. sprevi (252); ahd. sprahha, lett. spregstu, lit. sprögstu (253); ai. ÄT«?jrt' (257); gr. koXiuvti, lat. Clemens (258); lit. A*Zoyt*, abg. Masti, ahd. ÄZwo^, lit. Ilonas (259); lat. calere, ahd. Zäo, aisl. hlyr (260); gr. kikXiickuj, ojuoKXri, lat. calare, ahd. Jialön, lett. kalüt (261); gr. dTTOKXd^ (262); gr. kXiuv (263); lat. + celäre (264); gr. xdXuj^, kXiu0uj (266); ai. glayati^ gländs, glünU, jav. ni-jräire, gr. lßXr|v, ßeßXriKtt (269); lat. -\- geläre (270)*; lit. giU (271); gr. + TeXuj(; (272); gr. TXu)cca(273); \it. glebiu, glöbiu, ahd. cMä/Ym (275); gr. X^iA)pö<; (276); abg. gJadhl'h, lit. glödüs (277); gr. Kex^öba, ai. hradunis (278); got. pula, lit. tyleti, ai. Wä (279); ai. draghmdn (281); lat. plenus, arm. ?e, air. Zm, gr. TreTrXfjcOai (283); gr. ttXticigv, lit. pUsti, lit. plönas, mhd. vluoder, ahd. fZwor, air. Zör (284); lit. -\- pele (285); abg. plakati, got. faiflökun, lit. j)Zof/, lit. plelm (287); ahd. blajan, bläsan, bJättara (289); ai. mlanas, mläyaü, av. w^räfö (291); gr. ßXajepö<; (292); gr. eßXuj, ßXujcKUj, lat. ^ö*-, ahd. bluot (293);
Voüstufe II. 57
ahd. hläOj hluot ^sallg•llis' (294) ; ^ot slepafi, ahg. slahh (299)'^ gr. dTrocKXfjvai^ CK\r|pö<; (301); lit. -\- skeleti (302); ahd. sZwo^ (303); gr. dvuu, abg. na, lit. 7^^^ (308); lat. nömen, mhd. m^o- me7^^ ai. ndma (311); gr. vuuGri^, vuj6pö<; (312); gr. KvfiKO<; (313); lat. canörus (314); ai. svätrds (315); gr. Kvri|ui(;, air. cnaim (316); lat. canälis (317); gr. KVuubaXov, Kvuubuuv (318); ai. jnätis, gr. yvuuToq, got. knöds, ahd. chnuosal (319); ai. ajnäsam, jnätds, lit. zinöti, yitvojckuj, lat. mö,9co, ags. cnäwan, ahd. cnuodelen, abg. ^wafi (321); lit. -\- geneti (322); gr. Te9vTiKa (324); gr. 6vr|cei, lat. venenum (326); gr. vr|cavTO, vfi)ua, lat. :^ere, ir. 5/^^m, ai. snävan, ahd. snuor (327); lit. + steneti, abg. stenati (330) ; lat. + tonäre (332) ; ai. «wäfi, gr. vä^a, lat. näre (333); gr. juiJuXo<;, lat. möles (335); ahd. muodi, gr. KCK^riKa (337); gr. TeT|ur|Ka, T|Lir|Tuu (341); abg. fbma (342); gr. beb|ur|Ka, lat. mäteries, ai. mäna (343); lat. + (^o- märe, ahd. zamön, gr. bjuficai (344); ai. dadhmau, dhmätä (345); gr. crjufiv, c)urixwj, aisl. mä (348); abg. jarr, (350); lat. quiesco, jav. 6'äfz- (351); lat. eiere, abg. sijati, ai. hjdyati, syänas (353); ai. hjävds, syämds, lit. szemas (354); ai. Jchyätds, Miyätum, gr. cfi|ua (355); ai. ajyäsisam, jyänam, gr. Z:d6i (358); lat. mesco, ai. jyänis (359); lat. Aiäre, lit. ^io7i, abg. ^i/afi (360); gr. biiÜKuu, lr\Ko(;j l^Mpoc, (363); gr. Z6.v, \sit. Diana, gr. Aiuuvri (364); gr. + 0eajpö(;, ai. dhydyati, dhyäti, dhyä (366); ai. pydyate, apyäsam, lat. piäre (367); lit. hijötis (368); ai. vyänds (373); lat. ?;/ere, ai. vivyäya (374); lat. yieft^s (375) lit. sijöti, gr. eiirmeva, alb. sose (376); gr. aKid (377); ai. stiyä, styäyate, styänas (378); ai. vär (380); lat. ü<:?wt^*' (381); ahd. lüät, ai. vätave (382); gr. drijai, ai. ^?f1f^, väyüs, abg. ü^/q, lit. vejas, vetra, got. z^^am^ ahd. z^t^of, ahd. wäzan, lat. ^7e7^f^^6• (383); lit. vesti (384); lit. t7oj>-, ßiuidZieiv, ahd. wuol (385); ai. svä, gr. kuujv, lit. 52^1, ai. sisimya, gr. TidcacOai, böot. xd TTTTdjuaTa (386); abg. + Tcovati (387); got. höta (388); got. höpan, höftuli (389) ; lit. hv^pti (390) ; lat. + cavere (391); abg. Ä:m.s'Ä (392); lat. cruor (394); lat. doäca (395); gr. YoFr||U6vai (399); ai. dJiuäma, abg. zivaü, lit. + iaüe^i, ai. Jiväta, av. zbätar (400); gr. cuupöc;, ciuko<; (401); ai. c^2ft?<li* (402); gr. bötpö(; (403); lit. pri-dvejas (404); lat. -harn, gr. cpur), lit. &?^^7a^^ (411); lat. -\- movere (417); lat. -\- lavdcruni (421); ai. 5y«c?, gr. r\b\)(;, ahd. suozzi, lat. svörn« (423); got. + slawan (428); gr. TTtricojuai, errTäv, iipers. t^/ifärf (431); got.
68 Die zweisilbigen schweren Basen.
göds (432); ai. Hisaü (433); ai. IcSayati^ gr. Hnpo^ (435); lat. patere (437); ai. psäti, gi'- M^rjv, u^u))aö(; (438); lat. mordere (441); ahd. sagen, lat. inquam, gr. evicirriciü (442), lat. aecare, ai. chatas (443).
Die Schwiicliung.
152. Lag der Ton bei den zweisilbigen schweren Basen auf einem ableitenden Element, so wurden beide Silben der Lautgruppen, eja, ewä, ela, erä, ena, emä geschwächt, und zwar der lange Voeal zu d. Der Vokal der ersten Silbe konnte reduziert werden zu e (R) oder völlig schwinden (S), so dass wir rein theoretisch folgende Ansätze erhalten: R.+S. idg. ejd, eWd, eh, eVd, emd, en9\ S. + S. idg. jd, Wd, Id, rd, md, nd. Aus diesen Ansätzen lassen sich einerseits die historischen Thatsachen mit Leichtigkeit herleiten, während keine andere zu Grunde gelegte Form auch nur annähernd genügt, und andrerseits sprechen dafür die direktesten Beweise. Ist die Hypothese die beste, die alle Thatsachen am einfachsten er- klärt, so kommt unsern Ansätzen dieses Prädikat zu. Zur Bezeichnung dieser Formationen wenden wir die Zeichen RS. und SS. an.
Anm. 1. SS. ist zuerst von Kretschmer KZ, 31, 396, dann von mir IF. 7, 211, SBtr. 23, 305 ff. aufgestellt. Für RS. sind aber die Ansätze verschieden. De Saussure hat in seinem Memoire idg. f, /, m, n zu Grunde gelegt, eine Annahme, die von OsthofT, Wacker- nag-el Ai. Gr. 27 u. v. a., früher auch von mir geteilt wurde. Was sich dagegen einwenden lässt, ist verschiedentlich, namentlich von Bechtel HPr. 217 ff. und von J. Schmidt Kritik der Sonantentheorie 166 ff. darg-elegt. Vor allem sprechen die thatsächlich begegnenden zweisilbigen Formen (gT. apa, ava, ai. iri) dagegen. Bechtel HPr. 229 hat schwachen Vokal (a) mit der langen Nasalis oder Liquida Konsonans angenommen, wozu das idg. nicht berechtigt, und woraus sich die einzelsprachlichen Formen nicht ableiten lassen. — Kretschmer KZ. 31, 396 hat ava, «Za, amd^ aii9 vermutet, was sich von dem richtigen cVJ, da, cmd, c-na J. Schmidts nur wenig entfernt.
Anm. 2. RS. und SS. sind koordinierte Formen; RS. steht durchaus im Wortanlaut, wo e durch den Einsatzton gehalten wurde, SS. dagegen bei Anlehnung an vorausgehende Silben, namentlich in reduplizierten Formen.
153. Nach dem oben § 34 f. erörterten ist aus e vor j und w in den Einzelsprachen i und u geworden. Diesen Über- gang halten alle Forscher für idg. Dem gegenüber ist zu
Die Schwächung. 59
bemerken, dass ein Beweis dafür nicht beigebracht ist. Der Übergang könnte auch einzelsprachlich sein. Ferner erscheint für ijd und uwd in allen Sprachen ^ und ü, und es hat, glaube ich, noch keiner daran gezweifelt, ausgenommen J. Schmidt für einen Fall, dass diese Kontraktion idg. sei. Ja, weil eben ^ und ü die Schwundstufe zu ai. ayi und avi bilden, ist de Saussure zum Ansatz seiner f, /, m, n gekommen. Dass aber die Kontraktion einzelsprachlich sein kann, ist gar nicht zu bestreiten. Für die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme sprechen folgende Thatsachen. Es gibt zunächst eine Anzahl von Fällen, in denen unkontrahierte Formen vorliegen, z. B. ai. tuvi- V. VS., tüvis- V. B., av. Tchruvi-, hhruvishya zu ai. Icravis (vgl. J. Schmidt Neutra 338 f.). Aus dem Griechischen stelle ich hierher: gr. 6iaco<; ^religiöser Festzug' zu idg. dheja (s. d.) gr. 6edo|uai, hom. TTpiaxo ^kaufte', gegenüber ai. Icritds "gekauft), air. crlthid "kauflustig', hom. jueieKtaGe zu lat. eiere , falls die Länge metrisch ist; gr. Kuajuoc; "Bohne' zu Kueiu, €Küce, Kuavo^ "dunkles Metall, lit. szvmas "Blei', gr. x^iciiveiv, x^iocpöc; "warm'.
154. Alle diese Beispiele dürften indessen nicht viel be- weisen, da sie auch anders erklärt werden können (vgl. J. Schmidt Ntr. 364). Entscheidend sind dagegen die Betonungs- verhältnisse. Für die aus ejd, ewd entstandenen idg. l und ü hätten wir schleifenden Ton anzunehmen, das lit.-slavische zeigt aber durchaus Stosston, vgl. lit. hüüy serb. Iriti, lit. lyti "regnen', lit. vyti "drehen, flechten', serb. mü u. s. w. s. § 162. Das lässt sich aus der lit.-slav. Sonderentwicklung erklären, sobald wir von unkontrahirten Formen ausgehen. Wie erdy eh, emd, end, erd, eh, emd, eud lit.-slav. zu er, el, em, en, ir, il, im, in geworden sind, so ijd, uwd zu i, u. Das Alt- indische dagegen hat in diesen Fällen den Schleifton, der sich durch zweisilbige Messung im RV. enthüllt. Vgl. zum folgen- den Oldenberg Die Hymnen des Rigveda I 172 ff. Wir finden dort süra-, süri-, süria- zu lit. sätäe "Sonne', viras "Mann' zu lit. vyras, püsä "Gott Puschan', dessen Etymologie unbe- kannt ist, 'bhüt, hhüta, hhütu gegenüber lit. hüti. Ebenso auch pur in piih, pürhhis, gir. Wir brauchen nur anzunehmen, dass die im Indischen aus zweisilbigen entstandenen einsilbigen Formen schleifenden Ton erhalten haben, während dies im Lit.- Slavischen nicht der Fall war, um Ordnung in die Erscheinung
60 Die zweisilbigen schweren Basen.
zu bringen; vgl. auch da» au8 ayi kontrahierte 6 (Oldenberg Rigveda 182), das sekundär cntstjuidcnen schleifenden Ton erweist. Dadurch kommt auch die Streitfrage zur Entschei- dung, wie sich ai. -l und gr. -la, -ja 'm\ N. 8g. der Feminina zu einander verhalten, vgl. J. Schmidt KZ. 27, 291, 309. Ntr. 59 f. und auf der anderen Seite Hrugmann Gr. Gr.^ S. 102, M. U. V 58 f. Ganz sicher alt ist gr. ja. Ob la nicht kon- trahiert ist, oder nach ja liergestellt ist, lässt sich nicht ent- scheiden. Im Auslaut werden Lautgruppen oft anders behan- delt als im Inlaut.
155. Die Schwundstufenformen eVd, eh, ew», ^md müssen ganz sicher bis zur Sprachtrennung bestanden haben. Sie sind erst einzelsprachlich verändert.
Die Yertretung von RS. im Arischen, Lituslavischeii und Germanischen.
1. Das Indische.
156. a. Idg. erd, eh erscheint im Indischen als ir, ür, im Iranischen als ar. d ist demnach mit Hinterlassung von Dehnung im Indischen geschwunden.
Aiim. 1. Es ist auffallend, dass 9 im Indischen hier schwin- det, während es in der Stufe ari u. s. w. erhalten bleibt. Man wird, wenn man die Ursache nicht in der Betonung sehen will, daran denken dürfen, dass das 9 in diesen Verbindungen noch etwas reduzierter war als in V. I. + S. Wir müssten eigentlich cVj schrei- ben. Es könnte indessen auch die Vortonigkeit eingewirkt haben.
Anm. 2. Der Wechsel von ir und ür, der uns auch im Lit.- Slavischen begegnet, ist nicht genügend erklärt. Bezzenberger bei V. Näg-elein Zur Sprachgeschichte des Veda 32 sieht darin den Ein- fluss folgender Vokale, vgl. noch Wackernagel Ai. Gr. S. 28.
157. Beispiele: irmdSj jav. ar^mö, npers. arm (188); ai. irhjati (191); kr^ä (195); Jcirnas, allrsata (202); MrtiS (204); ärtas (2U6); smids (207); agürdan (208); jlryati, jlrndm, jürnds (209); ai. glrnds (212); tlriids, türtas (224); dlrnds (229); dürvä (230); dhürvaü, dhürtis (231); pürfdm (235); pürvas, jav. paurvö (236); ai. hhürjas (237); särksati (249); stlrnds (251); spMrtis (252); sphürjati (253); clrnas (257); kütam (262); kürcds (265); tünas (279); dtrghdsy gav. dar^gdm (281); ai. pürdhi, püvnds, pürtds (283); mürnds (291); mürdhä (292); mürlMs, mürchati, mürtds, mürtis (295); tirna (298).
RS. im Indischen. 61
158. ß. Iclg*. end ist im Aiiid. sicher in einer Reihe von Fällen durch ä vertreten. Dass diesem ein älteres an zu Grunde liegt, ergibt sich aus der Natur der Dinge. Wie er9 zu tr, so hat ewa zu an werden müssen. Der Schwund des n nach dem langen Vokal muss eine spätere Entwicklung sein. Thatsächlich nimmt Bechtel HPr. 220 an, dass an in gewissem Umfang bewahrt sei. Dagegen v. Bradke IF. 5, 266, der vänchati als möglicherweise lautgesetzliche Form gelten lässt. Auch mir scheint an vor Palatalen lautgesetzlich bewahrt zu sein. Wackernagel Ai. Gr. 16 und Brugmann Grd. P 419 setzen nur ä an. Beispiele: yätä (306); ätä (307); a (308); aus (309); ätmdn- (310); ädhrds (312); käncanam (313); khadis (316); MrZ, khätds (317); khädati, khädds (318); jätds (319); ghätas (322); täjdk (323); dhvämtds (324); -vätas^ vänchati (326); stämü- (332).
159. T- Für idg. emd erscheint gewöhnlich am, Bechtel HPr. 220 hält dies für lautgesetzlich, doch hat v. Bradke IF. 4, 85; 5, 273 auf eine Reihe isolierter Bildungen aufmerk- sam gemacht, die auch hier a zeigen, ai. dära- 'Ehefrau', gr. bdjuap, ai. järds 'Freier, Buhle', lat. gener, gr. jaji^poc, (doch ist diese Gleichung bedenklich), sodass Brugmann Grd. P^ 419 und Wackeruagel 16 ä für die lautgesetzliche Form halten. Sicher blieb am vor y, vgl. klämyati, tämyati, dämyati, hhrcimyati, Jämyati, srämyati, jav. rämyät, 'er soll ruhen', die den Bildungen wie jiryati, püyati genau entsprechen. An- ders Bartholomae ZDMG. S. 50, 679. Aus emd-j wurde ä-mj mit Erhaltung der Silbentrennung. Für Bartholomae Iran. Grd. § 149 sei bemerkt, dass mädyati von -mäd abgeleitet ist, und jav. rämyät wegen lit. rimti keinem Bedenken unterliegt. Die Ausführungen von Lorentz IF. 8, 87 halte ich in diesem wie in anderen Punkten für verfehlt. In welchen Fällen sonst noch am auftritt, bleibt aber eine interne Frage der indischen Grammatik, die für uns keine Wichtigkeit hat, weil darin alle Forscher einig sind, dass am dort steht, wo die Schwundstufe gefordert wird. Beispiele: änchati (335); kämtas, käidksati, kämtis (336); sämtds (337); krämtds (339); tämyati^ täthtas (342); dämtds, dämyati, dära, rfäsas(344); jav. rämyät (346); ai. vämtds (347).
160. b. ejd erscheint als i, dessen schleifender Ton nach §154 auf speziell arischer Kontraktion beruht. Beispiele: ai.
6Ö Die zweisilbigen schweren Basen.
sltdti (353); Jcrftäs (356); ßtcis (358); djitaUf djitU (359); hritas (3(32); dlyati (363); didihi, dltU, dipi/ate (364); dhimahij dhitdsy dhiti.j, dhiras (366); pivas, p'mdsj pwan (367); hhttds, hhimds, hhlrüSj bhUd (368); riyate, rltU (370); liyatßj linas (372); vltds, vltU (373); stimdH (378).
161. e. ei/?3 wird zn ä. Beispiele: wwa« (381); mras, av. swr« (386); -JcütaSj dkütU (391); Jcrürds (394); jütds, jütU (396); hütdSf dhümahi, hütisj av. zwfa (400); tülam (401); c??7ra,9 (403); dhütds, dhütis (404); dhümds (AOb); pütdsy ptitis (407); püijatij püyas, pütis (409)', hhütds, dhhüt (411); brüte (416); Jcäma-mütas, mm^ds (417); sütej sütdsj sünüä (422); süryas (423); süd- (424); stliürds (426); Hhyütas (427); syütds (429).
2. Das Litauisch-Slavische.
162. Im Litaiiiseh-Slavischen erscheinen für die voraus- gesetzten eVdy eh, eUd, emd, eJ9, eWd, mit Schwund des 9 wie bei V. I. iVj ü, {ür, ül), in, im, um, y, u. Beispiele: apreuss. irmo (188); lit. ivMaSj irti (189); lit. szirszü, serb. srsljen (196); preuss. Jcurwis (191)'^ lit. kürpe, serb. Je rplje {198) -^ lit. Mrti (201); serb. krnjo (202); lit. MrJcsiü (203); lit. /y/r^i (208); lit. zirnis, serb. ^mo (210); lit. girnos, abg. zrswy (211); lit. gürU\, serb. ö'Ho (212); lit. zirMes (217); lit. zvirblis (218); lit. #2Wi (224); lit. dirbu (227); lit. (Z/rfi, t^^irfi, serb. dfo (229); lit. c^iriw (230); lit. dirqau (231); lit. spirgas (233); lit. pirmas (236); lit. öwr^i (238); lit. mirhsnu, mirlsiu (241) r mirgu{242)', lit. m?^rfi (243); lit. virti (246); \\t. virpiu (241); lit. sMrti{2b0y, lit. sp Irti (2i^2); lit. sm/r.<?fi (254) ; — lit. Mfi (257); lit. ,92?'Z^i, S2/Zfrt.<? (260); lit. Mlti {2<o2); lit. Ä-%a (267); lit. gilti (269); lit. 7w?X92fi, serb. müza (274); lit. ii'Zfi (276); lit. tilti (279); lit. aptilkes (280); serb. ^«(7, lit. ilgas (281); lit. ^/Z^/, pilnas, serb. jo«7i (283); lit. pilkas, pilkti (286); lit. ?>?7c?w (290); lit. miltai (291); lit. w?/7A-is, lett. mulkis (295); lit. ^7%/yf^ (296); lit. ivlbinti (297); lit. r//wrt, serb. rüna (298); lit. silpnas, silpti (299); lit. 5ü^7f^ (300); lit. skilti (302); sAv/fi (303); — lit. intey serb. J^^r^e (306); serb. ime (311); lit. zindau (319); lit. pazinti (321); lit. ^/Mf^, serb. ie^ra (322); lit. pinti (328); lit. stinkstu (331); — lit. timsras (342); lit. dümti, serb. rfw/i (345); lit. Hmfi (346); lit. vimdau (347); — serb. jpociwwfi (351); lit. szyvas, preuss. syican, serb. «/« (354);
RS. im Litu-Slavischen, im Grermanischen. 63
lit. \gyti (358); lit dyreti (364); lit. dygü (365); lett. hitiis (368); lit. lysti (371); lit. lyti (372); lit. vyü, serb. viti, vitao (374); lit. vytinti, vystu (375); abg. sincLÜ (377); lit. styrau (378); — preuss. jürin, lit. ^wr^s (380); lit. t2dis (382); abg. sytib (386); lit. Jt^^^is (387); serb. kidati (388); lett. «j^- Jcüpstu (390); serb. feeo, kisnuti (392); serb. Ä;ri^i (393); altpoln. Jcry (394); abg. ^z^&afi (396); serb. grtsti (398); lit. Mfi (400); lit. tülas, preuss. ttllan, serb. ttti, lett. tühstu (401); lit. dtimas, serb. t^zm^ lit. (i^^?^5, dülkes (405); lit. dziüti (406); lit. piüklas (408); lit. püti (409); serb. pZz^i (410); lit. hiUij serb. Mfz (411); serb. Mkd (412); lit. feZiÄ' (415); serb. miti, apreuss. au-müsnan {411)] serb. H^i (418); serb. ridati {419)-^ lit. Zt^i^t^ (420); lit sünüs, serb. sm (422); lit. stügstu (426).
3. Das Germanische. 163. Im Germanischen schwindet 9 ebenso wie im Li- tauisch-Slavischen, ohne dass wir an der Betonung ein Mittel hätten, dies zu erkennen. Im Germanischen sind demnach er und evd (die sogenannte kurze und lange Liquida sonans) unterschiedslos zusammengefallen. Ebenso en und etid. Nur ejd und ewd sind zu t und ü geworden, was darauf hinzu- weisen scheint, dass einst auch ür und ün bestanden haben. Vgl. Streitberg IF. 6, 141 ff., Verf. S. Btr. 23, 297 ff., Job. Schmidt Sonantentheorie 182. Wir finden demnach ur, id, un, um, l, ü. Beispiele: ahd. hornaz (196); got. haüri (201); got. haürds (205); got. kaum (210); got. paurp (220); as. thuruh (224); ahd. zorii (229); ahd. fürt (232); ags. forma (236); ahd. hurst (239); got. maürgins (241); ahd. muruwi (243); got. waürts (245); ahd. soraga (249); ahd. liolm, got. liulps (258); ahd. holz (263); got. hulundi (264); aisl. kidde (270); ags. molcen (274); ahd. gididt (219): got. ftdls (283); mild, poltern (290); got. mulda, ahd. molta (291); as. molda (292); ahd. w;oZca/i (296); got. widla (298); ahd. scwZrf (302); — ahd. honag (313); got. -kujips, kuni (319); Ä'«^?is^ (321); nhd. wünschen (326); aisl. stynja, ags. stunian (330); ahd. donar (332); — ags. cw'man (359); mhd. ^^Z2wzew (361); ahd. grlnan (362); got. -^e?'m^ (364); got. -deisei (366); got. Zßi/>?« (372); ahd. scinan (377); aisl. 5^^/•^^r (378); — aisl. ^^r (380); got. hlutrs (395); mhd. küchen (397); ahd. chümönj as. kümjan (399); aisl. ^^^/V^ got. püsundi, ahd. c?<7mo (401); md. züwen
04 Die zweisilbigen schweren Basen.
(402); got. füU (409); got. hrüpn (41Ü); got. lükan (420); iihd. Hcür (425); aisl. stümi (420); aisl. spyja (427); nihd. slürj ags. siüma, aisl. Iura (428).
Aum. Brugmann nimmt Grd. 1- 422 f. 480 f. auch an, am, ar, aZ als Vertretung von RS. an. P'ntschieden mit Unrecht, vgl. Streit- berg IF. 6, 141 f., Urgerni. Gramm. 293, Verf. S. Btr. 23, 301 ff. Auch der Ausweg, dass gcrm. ur, ul, un, um den idg. kurzen r, /, w, n entsprechen könnten, ist nicht mehr gangbar.
RS. in den südeuropäischen Sprachen.
164. Die bisher behandelten Sprachen, die in geographi- schem Zusammenhang stehen, stimmen darin tiberein, dass in den vorauszusetzenden era, ela, emd, end das d mit Hinter- lassung von Dehnung geschwunden ist. Nur für das Germa- nische ist die Länge nicht belegt, sie darf aber vorausgesetzt werden, eja und eW9 sind überall zu i und ü geworden. Letzteres ist auch in den stideuropäischen Sprachen einge- treten. Die übrigen RS. RS. sind aber anders behandelt. Es erscheinen nämlich, wie ich IF. 7, 195 ff., S. Btr. 23, 299 i) dargelegt habe, für erd, eh, ema, end im Keltischen, Itali- schen und Griechischen rä, lä, mäj na. Diese auffallende Thatsache lässt sich auf zweifache Weise erklären. Nach § 36. 37 ist e in den erwähnten Sprachen zu a geworden, so dass wir als erste Entwicklungsstufe ara anzusetzen haben. Hier kann entweder das zweite a mit Dehnung geschwunden, und ar durch Metathesis zu ra geworden sein, oder aber das erste a ging zu Grunde und das zweite wurde gedehnt. Eine Entscheidung scheint mir vorläufig nicht getroffen w^erden zu können. Ist aber en im Italienischen zu en geworden, so ist nur die zw^eite Annahme möglich, die auch dadurch empfohlen wird, dass in V. I. d nicht schwindet. Die Gruppen rä, lä, mäj na sind von den V. II, soweit diese den Vokal ä enthalten, nicht in allen Fällen zu scheiden. Am allersichersten können wir RS. ansetzen, wenn eine V. II. mit e daneben liegt, weil es keinen alten Ablaut e — ä gibt, s. §792. Natürlich kommt es auch in Betracht, welche Stufe die Formationen erfordern, in denen rä, lä, ma, na auftreten.
US. im Italischen, Keltischen und Griechischen. 65
1. Das Italische.
165. Beispiele: rämus (188)-, rädere (190); lat. rävis (192); cräbro (195); crates (205); gratus (208); gränum (210); frägräre (219); inträre (V. II?, 224); mc^ia? (245); strätus, strävi (251); — clämäre, clärus (261); clädes (262); grZaw« (271); Zac (274); ^äz;?^5 (276); Zä^^^s (279); planus (284); ^äre (289); läna (298); Za&or, Zä6es (299); näscor, nätus (319); gnärus (321); mäteries (343); — rra (350); Äf6*co (360); rf2z;es (364); /'2^o (365); 0J?^m^^5 (367); n?;w5 (370); ??f5(373); vlmen (374); stlpäre, stlria (378); — ürina (380); cüdere (387); cmtZ?/« (394); tZ^^r^^s (402); cZtlcZwm (403); fümus (405); pürus (407); pz^5 (409); obscürus (425); spütum (427).
Anm. Dass RS. im Italischen durch ar, al, am, an vertreten seien, nehmen Brugmann Grd. F 421 ff., W. Schulze KZ. 27, 606 an. Neben rä könnte allerdings dra vorkommen, das zu ari und ar werden müsste, s. u. § 171.
2. Das Keltische.
166. Beispiele: air. räme (188); air. gräd 'Liebe' (208) air. cZär 'Tafel, Brett', (262); air. Zär 'Estrich' (284); air. lan 'voll' (283); air. hläith 'weich' (291); — air. cnäim (316) air. gnäth (321); gall. gnätus {^20)\ kymr. cynrhonyn 'Holz- wurm' körn, contronen 'Wanze', bret. contronnem 'verde viande' gr. xepribiuv Foy IF. 6, 337, ir. grün, kymr. gronyn, körn gronerif bret. greunenn 'Korn', lat. gränum Foy a. a. 0.; air crithid 'kauflustig' (356); crü 'roh' (394).
Anm. Dass RS. im Keltischen auch durch ar, al vertreten sei, vermuteten Brugmann Grd. IP 127 und Strachan BB. 315 Anm., denen sich P. Persson S. 85 und Foy IF. 6, 317 angeschlossen haben. Eine solche Annahme, ohne den Nachweis besonderer Bedingungen für die Spaltung, bleibt bedenklich. Man könnte in dem ar viel- leicht etwas dem gr. apa entsprechendes sehen, vgl. kymr. sarn 'Fläche', ai. stiniäs, aber auch gr. OT^pvov, ahd. stirna\ — kymr. körn. bret. dam 'Stück, Teil', ai. dirnds, lit. dirti-, air. scailt 'Spalte', lit. skelfi.
3. Das Griechisch e.
167. Auch im Griechisclien ist RS. durch pö^ \ä, |uä, vä vertreten. Das ist nicht die Vulgatansicht. Seit de Saussure sieht man gewöhnlich in puu die griechische Vertretung des erdj vgl. Brugmann Grd. P 477, und auch ich habe mich dieser Ansicht noch IF. 7, 198 mit Vorbehalt angeschlossen, bin aber SBtr. 23, 299 davon abgegangen. Zunächst liegt
Hirt, Der indogermanische Ablaut. Ö
66 Die zweisilbigen schweren Basen.
es nahe, dass dem gleich zu behandelnden ara und dem ur- sprünglichen ara ein rd entspricht. Einzelne Wortgleiciiungen können aber sicher nichts beweisen. Denn ebenso gut wie (JTpujTÖ? = lat. strätus kann man auch tXtitö^ = latus, oder mit Schmidt Kpäro^ = ai. krsatas setzen. Da wir re, rä, rö im Griechischen als zweite Vollstufe finden, so bleibt immer die Möglichkeit bestehen, in derartigen Formen mit piu voll- stufige Bildungen zu sehen. Die Entscheidung gibt hier der qualitative Ablaut. Ein Ablaut e — ö ist sicher, e-~a dagegen nicht bewiesen und unwahrscheinlich, s. unten. Thatsächlich tritt gr. pä, \ä häufig als Ablautsform zweisilbiger ere-, ele- Basen auf, so dass in dem Ablaut das entscheidende Moment zu sehen ist; vgl. gr. TXr|TÖ(;, lat. lütas zu got. pul an [pulaidd], lit. tyUti] gr. TiXäBoq (äol. kret.. doch vgl. Hoffmann Griech. Dial. II S. 284) zu lat. plenus\ gr. TPäO(; zu abg. zhreti 'reif werden'; x^ötpo<S ^grüngelb' zu abg. zeleti] gr. Gpdvo^ zu lat. fretus.
168. Es sind daher noch folgende Fälle für RS. in An- spruch zu nehmen: Gen. Kpärö«; (195); Kpr|Tri(; (198;; KXnpo^ 'Anteil' (262); dor. -rrXdccuj (287); ßXdH, ßXnxpo^ (291); ferner mit ewa : vficca (309), KvfiKoq (313), Kvrini? (316); evr|TÖ(; (324) ; K|Lir|TÖq (337); T}ir[T6q (341); b|UTiTÖ<; (344); eJ9 in Klveiv(352); ßiveuj (358); 'Acppobiiri (364); biveiv (363); TüineXTi (367); feiuai (373); axicpoq (378); ewa in Köpo? (386); Kvbdlvj (388); KÖbo<; (389); TÜXn (401); beböKa (402); Guvuj (404); Bv^öc; (405); TTueeiai (409); ttXüvuj (410); ecpü (411); Xö|Lia (421); cköto<; (425); aiuoinai (426); TTöTiruu (427); KdccO|ua (429).
Anm. Brugmann hält Grd. P 421 cauch äv, ä|i für die Vertre- tung von cnd, cma. Seine Beispiele sind nicht haltbar. Gr. i^viä, dor. äv{a 'Zaum' zu ai. näsyam, nasyä 'der dem Zugvieh durch die Nase gezogene Züger. Wegen ai. nasyä kann die Basis nur leicht sein, die Sippe gehört also nicht hierher. Ebenso ist die Basis ene 'nicht' leicht, s. u.; kcxiliviu ist falsch beurteilt. — Über op, oX = e^^, el^ vgl. J. Schmidt KZ. 32, 877 AT., Verf. IF. 7, 197. Sie sind nicht an- zuerkennen. Man dürfte bei den Anhängern der 'Lautgesetze' wohl nicht auf Widerspruch stossen, wenn wir doppelte Vertretung ohne zureichenden Grund ablehnen, op, o\ sind mir unerklärbar, und ich muss daher denen, die sie als Vertreter des idg. crd annehmen, den Beweis ihrer L.autsresetzlichkeit zuschieben.
Betonte RS. im Griechiscfien. G7
Betonte RS.
169. Neben den Schwundstufenformen ra, la, nä, mä treten im Griechischen sehr häufig- die eigentümlichen Formen apa, aXa^ ava, ajua auf; und zwar unzweifelhaft an Stellen, die Schwundstufe erwarten lassen. Sie würden, ins Indoger- manische übersetzt, den von Joh. Schmidt und uns erschlosse- nen Grundformen erd, eld^ erid, emd genau entsprechen, und daher wird man gerade sie zum Beweis jener Voraussetzung anführen dürfen. Den Grund, weshalb sie im Griechischen in dieser Form neben pö, \ä, vä, uä erhalten sind, sehe ich in der Betonung. Wurde das e in eVd sekundär betont, so konnte es nicht schwinden, sondern musste als a im Griechi- schen erhalten bleiben, vgl. Gdvaio^, aber övriTÖ^, Kd|uaT0<; aber K)ur|TÖ(;.
Anrn. Man vergleiche folgende Bemerkung de Saussures Mem. 273: „On connait le parallelisme des groupes ava et vr|, a|Lia et \xr\, p. ex dGdvaxoc; : GvriTÖ:, dbdjuac; : d6|uri<;, aKduaToc; : k|utitö^. Deux liypotheses se presentent: ou bien ava, a|ua sont des variantes de VT], iLir), qui ont leur raison d' etre dans quelque circonstance caciiee; ou bien ils proviennent de eva, ejua — formes fortes, gräce au menie nielange du vocalisme, qui a produit xdXaccai a la place de r^Xaccai (Hesych.)". Kretschmer sag-t KZ. 31, 402: „Jedenfalls ist die An- nahme, dass ai. Ir, ür, av. ar dem griech. apa, kelt. ara in derselben Weise entspricht wie ir, ur, av. ar dem griech. ap, kelt. ar nicht nur morphologisch gerechtfertigt, sondern auch phonetisch nicht unwahrscheinlich. Vgl. cqpdpaYoc; (lat. fragor) : ai. spürjati, aiol. ecTTÖpoxai : av. stareta, ai. stünäs\ gr. Kdpavva, hom. xdpriva : ai. slrsnäs, sirm\ ßdpaBpov : ai. girnds\ TdXapoc;, raXaFöc; : ai. tüna 'Köcher' aus tülna'^.
170. Ist diese Annahme, wie ich glaube, richtig, so würde sie dafür sprechen, dass m, lä, mä, nä durch Dehnung des 9 in evd entstanden sind. Jedenfalls muss es darauf an- kommen, das Material zu sammeln. Beispiele: dpd)uevai" ficu- Xd2;eiv Hesych. (191); Kdprjvov aus *Kapacvov (195); ßdpa6pov (212); xctpabpa (216); xapdcco), x^paH (217); lapaxn, Tapdccuu (231); jLiapaiveiv, \iapac\xö<; (243); äol. eaiöpOTai (251); aqpd- paT0(;, (y9apaY60)uai, dairdpaYO«; (253); KdXaeo(S (266); KdXaiuo«;^ KaXd|uri (^68); ßa\aveü(;, ßaXaveiov (269); ßdXavo<; (271); TaXn- vö<; aus *TaXacvö<; (272); ydXa (274); \6Xo.la i21^)\ xdXavTOV, TdXapoc;, eidXaccat; (279); edXacca (282); cpdXaTH (288); )uaXaKÖ(;, luaXdcciu (291); Kavd^uu (314); edvaioq (324); m\xaToq (337); Kd|aaH (338); ba|udXr|<;, ebdjuacrcra, bd)uap (344); ö.\xa^O(; (348).
68 Die zweisilbigen schweren Basen.
Die Mehrzahl dieser Fälle zeigt thatsächlich die vorausgesetzte lietonung, bei der Minderzahl kann man Akzentverschiebung oder Analogiebildung annehmen. Von l)e8onderer Beweiskraft sind die Doppelformen : 6dvaT0<; : OvriTÖ<;; KdfLiaTO^ : TToXuKjiriTOc; ; idXaq : 7To\\JTXa(; ; Kdpr|vov : Kpäiö? ; xapdcciu : Tpäxvj(; : xo^Xo^a : KtxXäba; ebd|Liacca : bjLiriTÖ^.
171. Wir haben vollen Grund, die Doppelheit, die im Griechischen vorliegt, auch für das Italische und Keltische vorauszusetzen. Ich glaubte aber IF. 7, 209 annehmen zu müssen, dass hier diese RS.-Formen mit denen der V. I zu- sammengefallen seien. Indessen haben wir jetzt erkannt, dass wir im Italischen wie im Keltischen ara und ala finden müssten, Formen, die sowohl von der Vollstufe era wie ora unterschieden sind. Allzuviel derartiger Formen kann ich aber nicht namhaft machen, abgesehen davon, dass die postu- lierte Wirkung des Akzentes in diesen Sprachen aus bekann- ten Gründen nicht nachzuweisen ist. Beispiele mögen sein: gall. tri-garanusy nkymr. garan 'Kranich' zu ^epavoc;; air. tarathaVf nkymr. taradr 'terebra' zu gr. Teperpov; lat. saluos aus *salawo zu arm. lav, lat. calam neben dam, lat. dlacer zu gr. dXduj (256), lat. palma (284), lat. janitnces zu eivdiepeq, lit. inte (306).
172. Vielleicht ist diese ßS. b. auch im Indischen er- halten, wo sie als iri, urij tili auftreten mttsste. Bechtel HPr. 205 hat einige derartige Beispiele angeführt. Gr. xaXa ent- spricht ai. tulifas 'aufgehoben', tulimas 'wägbar'; neben ^a/7 in pärtnas (Fülle) begegnet puri in pürlsa 'Scheibe, Ring, Kreis, Gebiet, Erde, Land' (Pischel und Geldener Ved. Stud. 1. VI f.); neben hdri (goldgelb) steht Mri\ zu gr. TTteXa^ stellt Fick (Wß*. 1, 26) ai. Ä^ini 'wildes Schwein'. Diese Bei- spiele lassen sich noch vermehren. Zu 2 hr 'zerstreuen' ge- hört -Tciri- 'aufgeschütteter Haufen', zu 2 gr 'verschlingen' ge- hören gilita-, giriturn, die erst klassisch sind-, die Gleichung hhurijj gr. qpdXayS stammt von Johansson IF. 2, 24. Aber die Seltenheit dieser Formen und ihr spätes Auftreten widerrät es, in ihnen lautgesetzliche Bildungen zu sehen. Einfacher ist es, sie als Analogiebildungen zu erklären. Es ist zudem zu beachten, dass im Indischen sonst das zweite i gesehwun- den ist, seine Erhaltung also Betonung voraussetzte, die wir nur in hiri- nachweisen können.
Anm. Über betonte <y9, t^ir» s. § 153.
Die doppelte Schwundstufe SS. 69
Die doppelte Schwundstufe SS.
173. Wir setzen als Unterabteilung von RS. eine For- mation an^ in der das e der ersten Silbe völlig geschwunden ist, so dass also neben RS. eVd, eh, emd, end ein SS. r9, hy md, 119, jdy wd stellt. Existiert diese Form wirklich, so ist dies ein sehr starkes Moment für den Ansatz von RS. als era. Dass sie sich ganz einfach aus den zu Grunde liegenden Voll- stufen ergibt, ist klar. Man kann, wenn man will, ra, h, md, m, ja, Wd auch als Schwundstufe zu rä, Zä, mä, na, ja, wä auffassen, was sie aber nicht ist; vd verhält sich vielmehr zu erd, genau wie gurüs zu ägrus, ßavd zu yuvri oder ai. gnä u. s. w. Es ist daher zu betonen, dass SS. dem RS. durch- aus koordiniert ist, nicht etwa eine zweite Reduktion reprä- sentiert. Darin weiche ich namentlich von J. Schmidt ab. Ich habe schon S. Btr. 23, 305 ff. eine Reihe von Beispielen gegeben, die ich hier wiederhole und vermehre. Was die Vertretung von SS. betrifft, so ist sie im Europäischen ganz regelrecht, indem für rd, h, md, nd überall ra, la, ma, na eintreten, im Indischen aber ist vd zu r geworden, während dem nd, wie es scheint, regelrecht ein ni entspricht.
174. 1. Beispiele aus den europäischen Sprachen: lat. raus zu remus (anders Osthoff M. U. 5, 71 ff., 189); lat. rallum, rastrum 'Karst' zu arare (190); ahd. rasta 'Ruhe, Rast', got. razn 'Haus' zu epajuai (191); got. hrama 'kreu- zigen' zu lit. Icdrti (199); gr. Kpdbri, Kpabaivuj, aisl. hrata 'schwanken', ahd. hrado 'schnell' zu ai. Jcärisat 'ausstreuen' (202); ahd. hrahan, gr. Kpaföv zu KÖpaH, Kpvjlew (203); Kpo- Tojvri 'Astknorren' zu lat. crätes (205); lat. graculus, ahd. chragilön, serb. gröchot 'lautes Lachen' zu lit. gröti (208); lat. gravis zu got. qairmis (211); mhd. Jcrage, serb. grötlo 'Schlund' zu lit. gerti 'trinken' (212); ahd. chranuh, ags. cran zu gv. ^epavoc, (213); ahd. grahan, abg. groM 'Grab' zu Xapdccuj (217); lat. trahs zu repajuvov (220); lat. trans zu ai. dtarit (224); gr. ebpaGe zu ai. nidrämi 'einschlafen' (228); gr. bpaxöc;, serb. dröhljen 'Brocken' zu ai. ddrima 'Zerspal- tung' (229); preuss. dragios, abg. drozdije 'Hefe', ahd. treber, serb. droh 'Eingeweide' zu lapaccuj (231); got. frapi 'Ver- stand' zu gr. TTepduj (232); gr. e)U7Ti7Tpa|aev zu eiuTriTTpriiLii (233); got. fruma, gr. 7Tpd)uo(; zu Wi, pirmas (236); lat. fraxinus zu
70 Die zweisilbigen schweren Basen.
lit. h^rias 'Birke' (237); gr. (ppdliu zu lit. bdrti (238); gr, ßdpvainai für *ßpdva|uai zu ai. dmarltcl (240); got. hrah zu lit. m^rkiu (241); gr. ^dbainvoc;, (Sabivöq zu aisl. röf 'Wurzel' (245); gr. ^(mxc; zu ptuvp 'Strauchbolz' (247); gr. eppamv zu pr|YVU|Lii (248); mhd. .schräm 'Schwertwunde' zu gr. aKipacpoq (250); gr. crTpaTÖ(;, ahd. stracchBn, mhd. strant (251); lit. spragü 'prasseln' zu ai. sphürjati (253): got. hlapan zu lit. Möju (259); lat. classic zu lat. caläre (261); gr. KXdce, KXacT6(; zu lit. Jcälti (262); gr. K\dbo(; zu russ. Jcolöda 'Block, Klotz' (263); lat. dam zu celäre (264); lat. glacies zu gelidus (270); gr. T^dcca, T^ot^iuj, aisl. Maka 'zwitschern' zu T^üucca (273); TXdTOc; zu TdXa (274); mhd. Jclam zu lit. ^e'Z&w 'helfen' (275); ahd. glat, lat. glaher zu abg. glad^ki (277); ahd. Äa/^«/, gr. KttxXdZiuu zu KexXäba (278); reiXaiuev zu TeXajuiuv (279); m\i- TTXdvai, TTi)LiTrXa)uev zu lat. plenus (283); gr. TiXaKOÖ«;, ahd. flado, gr. TrXdOavov, gr. irXdH, TrXaKÖeK;; 7TXaKepö<;, ahd. flah, gr. TiXa- TVJ^, lit. platüSy aisl. flatr zu 7TeXaT0(; (284); gr. ttoXkö^ zu lit. pelke (286); lit. plakü, lat. plango, gr. TrXdZ;uj zu gr. TiXriccuü (287); ags. bläst 'Sturmwind' zu ahd. hläsan (289); gr. ßXa- CTdvuj, ahd. hlat zu eßXiu (293); ags. hläc zu \xi\(xc, (294); ahd. slafj lat. laho zu got. slepan (299); ahd. slahan, gr. XaKiZ;uj zu lit. skilti 'spalten, Feuer schlagen' (303); got. namö zu gr. övo|ua, lat. nömen (311); ahd. knahe zu ahd. Mnd (319); gr. TvdOoq zu lit. zdndas (320); T€0va|Liev zu edvaTO(; (324); lat. natäre zu näre (333); got. mapa zu ai. dmiti (335); €T|LiaT0v, eijudfriv zu Tejuaxo^ (341); lat. mafeola, abg. motyka 'ligo' zu hi\xo.(^ (343); gr. bjUttTea* baiuaciea zu do- mare (344).
SS. im Indischen.
175. Für idg. r», Id hätten wir im Indischen rein sche- matiscb vi zu erwarten. Das finden wir aber nur selten, viel- mehr scheint in durchaus einwandsfreien Fällen r. Es ist also a, wie in der Gruppe era, geschwunden, vielleicht mit Ausnahme der Stellung vor r (cakrlre). Diese Annahme löst eine grosse Anzahl von Schwierigkeiten. Bei der Annahme, dass ai. r gerade so sekundär ist, wie das r des Serbischen, kommen wir mit der Lautvertretung und mit dem Ablaut ins Reine. Wir sind dadurch in der Lage, Formen wie gr. TrijUTTXafiev, ai. piprmds einander gleichzusetzen, müssen sie aber auf
SS. im Indischen. — Die Vertretung von Ja, W9. 71
piprdmes zurückführen. Wie idg. e, o, a im indischen a zu- sammeng-eflossen sind, so vertritt auch ai. r drei verschiedene idg-. Lautgruppen, er, r und ra, ebenso wie im serbischen r urslav. hr, rh, ^r, rr, vereinigt sind. Weil man aber das in- dische r als einheitlichen Ursprungs angesehen hat, war es unmöglich die europäischen mannigfaltigeren Verhältnisse zu erklären.
176. Beispiele: ai. carJcrtis, carJcftya zu dkärisam (204); srtds neben sii'tas (206); ai. dadrväms, drtas, dädrhi, dftis zu dirnäs (229) : ai. vrJcnds, vrscati ^spaltet' zu priTVUjui (248) ; ai. -strtas zu sUrnds (251); ai. -prnas V. B. S. piprmds zu pdrinas (283); ai. -mrnas neben mürnds (291).
177. Anders steht es mit der Vertretung von idg. W9, md im Indischen. Nehmen wir Schwund des d an, so müssten wir ein nicht vorkommendes n finden. Dass für dieses 7i etwa a eingetreten wäre, ist mir nicht wahrscheinlich. Denn der Übergang von en und n m a war gewiss längst vorüber. So bleibt denn nur die Möglichkeit, dass nd, md regelrecht zu ni, mi geworden sind. Dann erklären sich Formen wie jajni-se, jajni-re, jdjni-s zu djanista (319): jajni-s zu jnä 'kennen' (321); dadhmi-re zu dhmä 'blasen' (345); -gh7ii-, jaghni- zu ghcltas (322), sdsni- zu satds, vgl. auch Bechtel HPr. 206. Ich verkenne nicht, dass dieses Material recht dürftig ist; da aber ni, mi den geforderten Formen entsprechen, wird man ihm immerhin einiges Gewicht beilegen dürfen. An der verschiedenen Behandlung von vd und nd ist kein Anstoss zu nehmen. Tm Serbischen wird vorslav. vh zu r, rih zu na, hv zu ;•, hn zu e.
Die Vertretung von J9, wa in den Einzelsprachen.
178. Btr. 23, 305 habe ich angenommen, dass auch diese Lautgruppen den regelrechten Weg gegangen, und in den europäischen Sprachen wenigstens zu ja, wa geworden sind. Aber die Zahl der Beispiele bleibt verhältnismässig gering. Got. wahsjan beruht wahrscheinlich auf einer leichten Basis, vgl. gr. dFeHeiv, auEdvuj, ebenso mhd. swadem, und swah zu sitiks. Dagegen ist die Verbindung von got. gapwastjan 'stark, fest sicher machen', pwastipa mit gr. caoc, 'heil, ge- sund' und ai. tavi, wenn auch nicht unbedingt sicher, so doch sehr wohl möglich. Ahd. weßil (wadal) 'Wedel' gehört zu we
72 Die zweisilbigen schweren Basen.
'wehen', zweisilbige Basis in gr. drmi. Weitere Heispiele bei J. Schmidt Ntr. 204, von denen folgende mir richtig zu sein scheinen: svd-yati zu svatrds 'gedeihlich', vdyati zu utU'(\ü- webe', lit. Jcväpas^ gr. kottvö«;, lat. vapor, got. af-hapjan 'er- sticken, erlöschen' zu lit. kvipti 'hauchen', Tcüpüti 'schwer atmen', got. wans zu lat. vclnus, ai. ünds 'nicht voll'. J. Schmidt wirft die Frage auf, ob dies nicht neugebildete Formen zu der Vollstufe wa sein könnten, was nicht unbedingt abzulehnen ist. Sehr viel zahlreicher sind die Fälle, in denen an Stelle von jtty wa vielmehr i, u auftreten. J. Schmidt erklärt diese durch eine zweite Kürzung, die erfolgte, wenn der Akzent auf die zweitfolgende Silbe fiel oder ein Kompositionsglied vor das Wort trat. Den ersten Teil dieser Regel kann ich nicht anerkennen, der zweite ist sicher richtig. Aber die Fälle scheinen mir zu zahlreich zu sein, um auf diese Art allein erklärt werden zu können Vielleicht sind also J^, icd im Idg. zu ?, u gewor- den und jene ja und wa sind Neubildungen. Irgend welche gegenteilige Instanzen lassen sich nicht anführen, da die An- nahme, dass J3, wd 7A\ i und ü geworden wären, falsch ist, denn ein Ablaut Ja, wa : e, ü ist nicht ursprünglich, wie Wackernagel Ai. Gr. 85 annimmt, sondern beruht inimer auf zweisilbigen Basen. Danach könnten i und u doppelten Ur- sprung haben, sie wären erstens = SS., also J^, wd oder = S. 2 Kürzung von i und zi, wie dies für die ei- und ez(-Basen sicher anzunehmen ist. Jedenfalls ist nicht daran zu zweifeln, dass i, u neben 2, ü stehen, und im Ablautssystem der eja- und e2<?ä-Basen eine Rolle spielen.
179. Was die Bedingungen betrifft, unter denen diese doppelte Schwundstufe ins Leben trat, so lässt sieh sagen, dass sie die Kompositions- oder Wortinlautsform ist. Es liegt hier durchaus nicht, wie J. Schmidt KZ. 25, 54 ff., 26, 380 A., Ntr. 205, 255 f., KZ. 32, 379 meint, immer eine doppelte Schwächung vor. Naturgemäss können wir diese Wortinlauts- form nur in der Komposition und in reduplizierten Bildungen nachweisen. Ganz regelrecht sind also Fälle wie gr. TeiXajuev, T€TXa0i, xeOvaöi, leOvainev, Kixpotvai, 7Ti|LiTTXa|uiev, ai. piprinds^ TTijLiTTpajuev zu TTi|Li7Tpr||ui, cdrhrse, dad?Täms, dädrhi, dstrtas neben stirndSy -mrnas neben mürnds. Weitere Beispiele bei Wackernagel A. Gr. § 83 und unten § 796 ff.
Set- und an^^Basen. 73
Set- und anit-Bsmen nebeneinander.
180. Die Ablautsformen der zweisilbigen schweren Basen sind aber nicht auf die von uns bisher angegebenen Arten be- schränkt, sondern es stehen daneben unzweifelhaft Formationen, die man zu den ejo-, also zu den leichten Basen rechnen muss. 80 gehört z. B. zu ai. jätäs, Y.jdnitös V. B. S., Fysls. jdnisva janittn KV., Aor. djani V. B. djanista Y., jdnistäm, jdnitva Y.,janitäY.-[-, janitra, jdniman V. das Präs. Ja7^af^, das Perf. jajäna, Aor. ajan, djijanat, jdntva RV. jdnman V. +, und dass derartige Bildungen alt sind, ergibt sich aus der genauen Entsprechung, die sie im Griechischen finden, z. B. eYi-fveio, eYeveio, lat. gens, gignit. Gerade dieses Nebeneinanderstehen hat es verhindert, dass der Ablaut der zweisilbigen schweren Basen richtig erkannt ist. Es kann kaum einem Zweifel un- terliegen, dass alle Versuche, dieses Nebeneinander zu erklären, unzureichend geblieben sind. Heute dürfte das eine feststehen, dass Bildungen wie ai. jdnati, eT^veto, ai. cdrati, gr. TieXoiaai mit der Aufeinanderfolge zweier Vollstufenvokale nicht ur- sprünglich sein können. M. E. haben wir es daher hier mit Ana- logiebildungen zu thun, die durch den Zusammenfall der set- und am7-Basen in gewissen Formen hervorgerufen sind, und zwar denke ich mir den Weg folgendermasscn. Im Idg. hat zweifellos die Enklise eine grosse Rolle gespielt, und wir ha- ben bei den einsilbigen Basen gesehen, dass in solchem Falle das 9 der Schwundstufe völlig schwindet. Nehmen wir an, dass unsere V. I era, eh, ema, end, ejd, ewd in die Enklise traten, als Glieder zweiter Komposita, so ist vielleicht das d geschwunden und alsdann war die Brücke zwischen set- und amV-Basen hergestellt. Man denke ferner vor allem an das Enklitisch werden der Verbal formen im Satzzusammenhang, und man wird das Nebeneinanderstehen von Formen wie dkrarhsta V. B. S. und äkramit V. B. U., hrdmUta RV. verstehen. Das Nähere s. unten.
181. War aber in einigen Fällen eine solche Doppelheit gegeben, so konnte diese vorbildlich wirken und den Übertritt in die „thematische Flexion" befördern. Wir dürfen diesen Ausdruck hier wirklich anwenden. Wie ich IF. 8, 267 zu zeigen versucht habe, ist nämlich das ejo, das ursprünglich einen integrierenden Bestandteil der Wurzel bildete, schon in
74 Die zweisilbig-en schweren Basen.
idg. Zeit ein wirkliches Suffix geworden, da» wegen seiner
Dcutliclikcit an Ausdehnung gewinnt. In allen Sprachen nimmt die atheniatische Flexion ab, auf Kosten der thematischen. Im RV. heisst es z. B. noch dnitiy im AV. kommt daneben ä7iati vor. vdmiti ist Vedisch, vamati tritt im Epos auf; ne- ben jdiiUva RV. B. findet sich jdnati schon im V. B. und geht wahrscheinlich in die Urzeit zurück. Es sind im we- sentlichen 3 Formationen, die die Aufeinanderfolge zweier kurzer Vollstuf envokale zeigen : 1 . die thematischen Präsentien, die IF". 8, 267 erklärt sind, 2. die wurzelbetonten e-o, und 3. die es-os-Stärame.
182. Dass die wurzelbetonten e-o-Stämme eine verhält- nismässig junge Kategorie bilden, machen verschiedene Gründe wahrscheinlich, 1. ihr unbeweglicher Akzent, vgl. Verf. Idg. Akz. 288 ff., IF. 7, 117 ff. 2. die sehr verbreitete o-Stufe der ersten Silbe und 3. die Vollstufe der zweiten Silbe. Ihre Er- klärung ist nicht zu schwer. Es standen sich gegenüber wurzel- betonte einsilbige Nomina mit D. und endbetönte mit RV., idg. peds, pöds und pedöm, hhörs und bherös, bhrös. Die Bildung von cpöpoc;, ai. hhäras war, dadurch von selbst gegeben. Die o-Stufe muss durch irgend welche Assoziation mit dem Perfekt o hervorgerufen oder in der Komposition entstanden sein.
183. Verhältnismässig deutlich ist die Entwicklung der es- 0.9-Stämme, die immer ein Hauptargument für die Akzent- folge Udätta-Svarita genös abgegeben haben. Aber diese Vo- kalfolge hält schon in den obliquen Kasus nicht Stich, *genesoSj gr. fevoxjc,, lat. generis, ai. jdnasasj o scheint daher nicht durch den Svarita, sondern durch eine andere Ursache bedingt zu sein. Durch Job. Schmidt Ntr. haben wir nun eine ganze Anzahl verschiedener ^'-Bildungen kennen gelernt, solche auf -es, -öS, neben denen andere auf -is, -us und -9s bestanden haben. Es ist klar, dass nicht alle auf gleiche Weise erklärt werden können, eine Anzahl muss auf Neubildung beruhen. Schon Job. Schmidt Ntr. 380 hat auf die Zugehörigkeit von es- os-Stäumicn zu zweisilbigen schweren Basen aufmerksam ge- macht; vgl. dvas 'Befriedigung' zu ütas, dJcas 'Behagen' zu ucitds V., öjas 'Kraft' zu lat. auge-re, Öhas 'Geltung' zu öhiSe RV., jdnas 'Geschlecht', gr. fi\oq, lat. genus zu ai. jätds, järas 'Altar' zu jirndSy jdvaSj jüvas 'Schnelligkeit' zu jfäds, tamas 'Finsternis' zu tämtdSy nddhas 'Hülfe' zu nädhitds.
Set- und anit-Basen. 75
pdyas ^Saft, Kraft' zu pinds, prciyas ^Genuss' zu prltds, md- nas 'Sinn', gr. |uevo^ zu idg. meney pems 'Gestalt' zu pisUds, vdnas 'Verlangen', lat. venus zu ai. vätas, mras 'Rahm' zu Kepac;, mvas 'Stärke' zu sdviras, siras 'Kopf zu sirsatas, ai. sddas, gr. ebo(;, aisl. setr : lat. sedere, gr. ^e\oq zu eßXriv. Dass wir es hier mit sekundärer Umbildung zu thun haben, geht aus folgendem hervor.
184. Zu erwarten hätten wir von se^Basen entweder Formen mit Y. I oder mit V. II, also in jenem Fall avls, ayis, arisy anis. Diese Formation liegt im Indischen nur noch vor in Jcravis, gr. Kpea<;, ai. havis 'Opfergabe' zu hvä. Das is- der übrigen Worte geht auf idg. i zurück, dcxs zu ei-Basen gehört, so rocis zu lat. lucere, vartis 'Umlauf der Acvinen' zu abg. vrhteti, serb. vrtjeti 'drehen', cocis 'Glut' zu got. hugjmi, ahd. hocgen, iran. hadis zu lat. sedere. Dagegen ist is öfter in x\bleitungen erhalten. Neben tavas liegt tavisä, neben dvas avisyä, neben tdmas tdmisrä, neben cardse carisnü-. Auch das Griechische erweist sich in diesem Punkte altertümlicher als das Indische, da es öfter regelrecht 9 zeigt, vgl. Kepa^ zu ai. sdras 'Rahm', Mras 'Kopf, Kpeaq, ai. Jcravisj ^fipaq^ TnP«<5 zu ai. jarimä, hi\xaq 'Körperbau' zu ai. dma\ hom. epavvö(;, pindar. yeXävrn; lassen ein *epaq und *Ye\a(; erschliessen. Die wirklich belegten Formen epuuq, ^i\\y}(; gehen auf die zweite, Vollstufc *(xpujq, ^yaXujq zurück. Da uns also thatsächlich die zu erwartenden lautgesetzlichen Formen noch vorliegen, so müssen die Neutra auf -es, -os auf einer Neubildung beruhen. Die drei erwähnten Formationen sind also alle drei gleich un- ursprünglich. Sie sind erst verhältnismässig spät ins Leben ge- treten. Ursprüngliche Ablautsverhältnisse liegen hier nicht vor, sondern Vermischungen von einander zu trennender For- mationen.
185. Zum Übertritt der set- zu den amf- Basen trug ferner das schon von de Saussure Mem. erkannte Gesetz bei, dass 9 vor Vokal geschwunden ist, vor allem sicher in den schwundstufigen Formationen. Ganz besonders deutlich ist dieses Gesetz in der Präsensflexion des Indischen zu erkennen. Es wird dort flectiert: hrdvlmi, 1. Plur. brümds, aber hru- vdnti. Ich nehme mit Job. Schmidt Kritik 72 ff. eine Endung -enti in der 3. Plur. an, die sich aus s-enti mit Sicherheit er- gibt. Sie war die einzige Endung, die vokalisch anlautete,
76
Die zweisilbigen schweren Basen.
sodass nur liier das Gesetz zu erkennen ist. Während wir hrüniäs auf *hret09-mäs zurückführen, erklärt sich hruränti aus %reWd-enfi. Dem Sprachgefühl niusste sich hier also ein Stamm bruw aufdrängen. War ferner von Fällen wie lik^öm, lik^'es, Wx-fcet die Endungen -om, -es, -et abstrahiert, so konnten diese an den neuen Stamm treten. Es ist hier nicht der Ort, diesen Process in seiner historischen Entwicklung zu verfolgen. Jedenfalls glaube ich das mit vollster Sicherheit behaupten zu können, dass ein Typus wie eTevero unursprünglich sein muss. Zu den Gründen, auf die wir unsere Annahme stützen, darf auch der gerechnet werden, dass vereinzelte, singulare Formen die Gewähr höheren Alters und der Lautgesetzlichkeit für sich haben.
186. Bei dem im folgenden angeführten Material sind derartige unursprüngliche Formen nicht berücksichtigt, da zu- nächst das Verhältnis von Ablaut und Betonung festzustellen ist.
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V. I. |
V. IIa. |
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idg. erd |
erey 6, ä |
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ai. ari (arä) |
irä |
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av. ar (?) |
arä |
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gr. epa (epe) |
apn, u), ä |
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lat. eri |
are, ö, ä |
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kelt. era |
an, arä |
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germ. er |
urey ö |
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lit. er |
ire, öy ü |
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slav. er |
hrey hrä |
Die em-Basen.
187. Nach dem bisher erörterten zeigen die erä-Basen folgende Ablautsstufen.
SS.
ra
r
eVe
pa
ra
ra
ra
ra
ra
Beispiele:
188. idg. arämos 'Arm'. V. I. lat. armus, got. armSy arm. armukn 'Ellenbogen', abg. vamey serb. rämo 'Schulter' aus *ordm-\ — V. II. lat. rämus\ — RS. ai. irmd^ m. 'Vor- derbug, Arm', jav. ar^mö, npers. arm 'Arm', apreuss. irmo 'Arm', ai. irmd 'bereit, zur Hand'.
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V. IIb. |
RS.a. |
RS.b. |
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riy röy rd |
erd |
erd |
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ra |
ir |
iri(?) |
|
ra |
ar |
? |
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pn, pu), pä |
pä |
apa |
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rey röy rä |
ra |
ari |
|
riy ra |
ra |
ara |
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rey rö |
ur |
|
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rey röy rü |
ir |
|
|
rey ra |
ir |
Anm. Lat. armus aus *a7'dmos. Irmas genau entspreclien.
Lat. rämus kann auch ai
Die erä-ßasen. 77
189. idg. ere 'in Bewegung setzen, rudern'. V. I. ai. aritram 'Ruder', gr. epeccuu, ep6T)uö<; ; — V. II. lat. remus aus '^retmos, ahd. ruodar, aisl. röa, ags. röwan, mhd. rilejen 'rudern'; — RS. lit. irMas 'Ruder', irti 'rudern', air. räme 'Ruder'. — SS. lat. ratis?
Anm. Ai. rnömi, öpvu|ui In Bewegung setzen' gehören nicht hierher, sondern zu einer Basis ereu (483).
190. idg. arä 'pflügen'. V. I. gr. dpoiu, dpoipov, ahd. art, aisl. arär 'pflügen', lit. drti 'pflügen', ärJclas 'Pflug', serb. rälo 'dss.'; — V. IIa. lat. aräre, aratrum\ lit. ariaü 'pflügte' abg. oratio serb. örati'^ — IIb. lat. meiere 'scharren, schaben, kratzen', vgl. terram radere\ — SS. lat. raUti^n, rastrum 'Karst', falls mit ä anzusetzen, sonst zu V. II a oder RS.
191. idg. erö 'lieben'. V. I. gr. epajLiai, Tipdccaro 'er verlangte', epaxo^ 'geliebt', epavvöq 'lieblich'; — V. IIa. gr. epuj(; für dpaj<;; II b. serb. rädo 'germ.', ahd. ruowa, rdwa-^ — RS. a. ai. irsyati 'eifersüchtig sein', irsyä 'Neid, Eifersucht'; b. gr. dpdjuevar ficuxd^eiv Hesych; ^ — SS. ahd. rasta 'Ruhe, Rast', got. raz7i 'Haus' (vgl. P. Persson 242 1).
192. idg. ere 'schreien'. V. I. aisl. iarma 'blöken'; — V. II. aisl. rämr 'heiser', römr 'Laut der Stimme' ahd. ruod 'Gebrüll'; — RS. lat. rärds 'heiser'.
193. idg. kwere 'Wunder'. V. I. gr. Tepa(; 'Zeichen, Wahrzeichen'; — V. II. lit. -f- Jcereti 'zaubern'.
194. idg. kere 'füttern sättigen'. V. I. gr. eKOpe'ccaTO, dKopecTO^, lit. szerti 'füttern'; — V. II. + gi'- K6KÖpr|)uai für *KeKpr|juai.
195. idg. kerä 'Haupt'. V. I. gr. Kepa(;, lat. cerehrum aisl. hjarsi m. 'Scheitel oder Wirbel des Kopfes', ai. saras 'Rahm'; — V. II. gr. Kprj-bejuvov, got. h^'öt 'Dach' ('?); — RS. a. ai. sirsä 'Kopf, sirsatds, gr. Kpäxö^; b. gr. Kdpr|vov 'Kopf aus *Kdpacvov.
Anm. Ai. ^iras 'Haupt', mit Übergang zur thematischen Flexion, stellt wohl zunächst für Hräs. Vgl. hierzu ferner Danielsson Gram- matische und Etymologische Stud. 1 if. Ups. UA. 1888, J. Schmidt Ntr. 364 ff.
196. idg. kerä* 'Käfer'. V. I. gr. Kepd)ußuH 'Feuer- schröter'(?);— RS. lat. cra&rö, i\\\(i. hornazj Wi, szirszii{\kk. PI. szirszUus Donal. VII 217) 'Wespe', serb. sfsljen 'Horniss'.
197. idg. kerä*w. V. I. gr. KepaF6<;, ahd. hiruz, lit.
78 Die zweisilbigen schweren Basen.
Tcdrve, serb. kräva, riiss. Tcoröva 'Kuh'; — RS. preuss. kur- wis 'Ochse' (mit Stosston); vgl. Verf. JiH. 24, 287.
198. idg-. RS. korop. RS. gr. KprjTTic;, lit. kürpe 'Schuh', serb. krplje 'Sclineescluihe'.
199. idg. korä 'aufhängen'. V. I. lit. kärti 'aufhängen';
— V. II. gr. Kpri-)uvö^ 'Abhang', ai. krämati 'schreiten'? — SS. got. hrama 'kreuzigen'.
Anm. gr. Kpf|udvvu|ai kann ich nicht mit got. hrama ver- einigen.
200. idg. koräk 'altern'. V. I. lit. kdrszti 'altern'; — V. II. lit. kröszqs 'alt geworden', krosziüj kroszeti 'lang, breit dasitzen'.
201. idg. korö 'heiss'. V. I. lit. kdrsztas 'heiss'; — V. II. lit. krösnis 'Steinofen in Badestuben', gr. KpujjuaH 'Stein- haufen' (?); — RS. lit. kürti 'heizen', got. hatiri 'Kohle'.
202. idg. köre 'schütteln, streuen'. V. I. ai. Aor. karisat 'ausstreuen, ausgiessen', karitä] — V.U. lit. Ä:r^sfi 'schütteln';
— RS. ai. kirnas, aktrsata, serb. kfnjo 'splitterig' (gehört wegen der Betonung vielleicht nicht hierher); vielleicht auch ai. kürd 'springen, hüpfen', kärdati E. +7 kürdita C; — SS. gr. Kpdbr) 'Wipfel', Kpabaivuu 'schwinge', aisl. hrata 'schwanken', ahd. 7i7'ado 'schnell'. Vgl. auch § 259.
Anm. gr. KÖpbaH 'Tanz in der Komödie' müsste, wenn es hierher gehörte, auf sekundärem Ablaut beruhen. Besser verbindet man es mit deutsch scherz zu einer besonderen Sippe; doch s. u. § 801.
203. idg. k e r ö 'krähen, Rabe'. V. I. gr. KÖpaH, lat. corvusy cornix aus cora, lit. szdrka^ serb. svrdka 'Elster'; — V. II a. gr. Kopojvri, wohl für Kapa)V]i ; II b. ahd. hruoh, ags. hröc, aisl. hrökr 'Krähe'; gr. KpuuZieiv 'krächzen', lat. crocire\
— RS. lit. kirksiu 'kreischen' (?); — SS. ahd. hraba7i, gr.
Kpd^^UJ, KpttYÖV.
Anm. ahd. hraban wohl aus ^kramnos^ vgl. Verf. S. Btr. 23, 30(5.
204. idg. korä 'preisen'. V. I. ai. akarisam, akänf zu kar 2 'gedenken, rühmend erwähnen'; — V. II. abg. krasa 'Schönheit', serb. krdsan 'schön', aisl. hrös 'Ruhm', hrödory ahd. hruod-j hruom, got. Jiröpeigs 'siegreich'; — RS. ai. kirtis 'das Gedenken, Ruhm'; — SS. ai. carkrtü 'Ruhm, Preis', carkftya 'preiswürdig'.
205. idg. kerät. RS. lat. crätes, got kaürds 'Thür';
Die erä-Basen. 79
— SS. gT. KpoTuuvri 'Astkiiorren' für KpaTiuvri, vgl. J. Schmidt KZ. 32, 370 ff.
206. idg. k er ä 'mischen'. V.l. gr. K€pdvvu)ai, eKepacca, KepajJioqj lit. szärmas 'Aschenlauge'; — V. II. ai. srciyaü 'ko- chen', gr. eTTiKpncai 'beimischen', hom. Kpritrip 'Mischkrug', KeKpöjuai, ahd. hruorjan 'rühren'; — RS. ai. slrtas; — SS. srtäs V.
Anm. Wegen ai. ^rlnäti, sritds^ sräyati ist als ursprünglich keräi anzusetzen. Doch ist der Übergang in die monophthongische Basis schon idg. Vgl. auch § 453.
207. idg. kerä 'zerbrechen, zermalmen'. V. I. gw ke- paiZiuu 'von Grund aus zerstören, verwüsten', ai. asarit 'zer- brach'; — V. IIa. ai. srnäti] — RS. ai. m^näs, air. arei- chrifiim 'difficiscor, zerfalle'.
Anm. Ich ziehe diese Zusammenstellung der Verbindung von ai. srnäti mit lat. clädes vor, weil dieses sich leicht mit lit. kälti vereinigt, s. § 262.
208. idg. gwere 'singen'. V. I. ai. garih/ati, jaritci 'preisen, ehren'; — V. IIa. ai. grnäü] IIb. abg. graja, grati 'krächzen', lit. gröju, gröti 'dss', ahd. chräjan, ahd. hanacrät;
— RS. lit. giriü, girti 'lobe, rühme'; air. gräd 'Liebe', ai. agürdan JB. 'frohlocken', vgl. JAOS. XI p. CXVII, lat. grätus, grätes] — SS. lat. gräculus 'Dohle', serb. gröchot lautes Lachen', ahd. chragilön 'schwatzen'.
209. idg. gere 'altern'. V. I. ai. jarimä 'Alters- schwäche, hohes Alter', gr. T^paq, TCpotiö^; — V. II. abg. zreti^ zrejq 'maturescere'; — RS. Si\. jiryata, firtiäm 'Gebrech- lichkeit, Alter', jürnüs 'alt', gr- Tpöuc;. — gr. T^pa^ zeigt unor- ganische Dehnung.
210. idg. gerä* 'Korn'. V. I. ahd. herno 'Kern'; — V. II. vielleicht got. gakrötön 'zermalmen'; — RS. lat. granum, got, kaürrij lit. ürnis 'Erbse', serb. zi'no 'Korn'.
211. idg. gwerä 'Mahlstein'. V. I. got. qair-n-us 'Mühle'; — V. II b. ai. gräva m. 'Stein zum Somapressen', ir. brö 'Mühlstein', got. gakrötön 'zermalmen'; — RS. lit. girnos, abg. zr^-n-y 'Mühle'; — SS. lat. gra-vis, Übergang in die gewöhnliche w-Flexion in ai. gurüs, got. kaurusy gr. ßapu«;.
212. idg. gwere 'verschlingen, essen'. V.l. lit. geriüy gerti 'trinken', abg. zreti 'deglutire', ahd. querdar 'Lockspeise'^
80 Die zweisilbigen schweren Basen.
arm. her 'Speise', ai. garUyati 'er wird verschlingen' gr. ark. Zie'peGpov 'Abgrund'; — V. II a. lat. vorare\ II b. gr. ßißpuiCKuu;
— RS. ai. gi7'näs 'verschlungen', lit. akk. gürld\ 'Kropf, serb. giio 'Kehle'; ib. gr. ßdpaGpov; — SS. nihd. krage 'Hals', serb. grötlo 'Schlund'.
213. idg. gwerö 'Kranich'. V. I. gr. Tepa-v-0(;, lit. ^^r«je 'Kranich'; — V. IIa. abg. -\-zeravh für zhravh) serb. zdräo 'Kranich'; IIb. lat. grüs aus gröus, ahd. Ärröw 'geschwätzig':
— RS. corn. garan 'Kranich', gall. trigaranus\ — SS. ahd. chra-n-uhj ags. cran.
214. idg. ghere 'glänzen'. V. IIa. abg. zhreti 'sehen', lit. + zereti 'strahlen'; II b. ahd. gräo, ags. grceg, aisl. grär 'grau'; — RS. gr. xotpoiro^ 'strahläugig', lat. rävus 'graugelb'.
215. idg. ghorep 'fassen'. V. I. ahd. garha-^ — V. II. lit. grepti, gröpti 'fassen', ved. grähhds 'Griff'; — SS. nhd. grappen, grapsen^ Kluge Festgruss an Böhtliugk 60.
216. idg. gherä*. V. I. gr. xepa(;, 'Gerolle, Kies', x^- pabo^ 'dss'; mars. herna 'saxum' aus herana\ — RS. gr. x«- pdbpa 'Riss, Spalt, Kluft, Giessbach'; — SS. nhd. grand?
217. idg. ghere. V. I. lat. furca 'Gabel'; — V. II. ahd. grät 'Gräte, hervorstehende Spitze'; ahd. gruoba; — RS a. lit. zirJcles 'Scheere'; b. gr. xapaccuu 'spitze, kerbe, schneide ein, grabe ein', xapaH 'Pfahl'. Verf. SBtr. 23, 293; — SS. ahd. grahan, abg. grobh 'Grab'.
218. idg. ghworä- 'Vogel'. V.l. gr. KÖpaqpo^ * 7toiö<; öpviq Hes., — RS. lit zvirhlis 'Sperling'. W. Schulze KZ. 29, 261.
219. idg. ghwere 'duften'. V.U. gr. 6c9pr|cec0ai (über öc- vgl. Wackernagel KZ. 33, 43), ai. ghrati, ghnitds; — RS. lat. fragräre\ — SS. gr. oaqppaivecbai, ai. 3. PI. ß-ghr-afi, vgl. Brugmann IF. 6, 100 fif.
220. idg. tercb 'Gebäude'. V. I. gr. T€pa)Livov 'Haus, Zimmer, Kasten' aus xepaßvov; — V. II. lit. trobd 'Gebäude', osk. triihum 'domum'; — RS. got. paurp 'Dorf; — SS. lat. frahs 'Balken'.
Anm. Welche Ablautsform air. ti^eb 'Wohnsitz', kymr. tref 'Dorf darstellt, ist unklar, ebenso, was mit lat. fribus anzufangen ist. Ist es nicht ein Lehnwort aus dem Osk., so müsste man schon eine ei- Basis ansetzen.
221. idg. terei, teröu, terä. Es scheint fast unmög-
Die erä-ßasen. 81
lieh zu sein, in eine Fülle von Worten, denen scheinbar ein Stamm ter- zu Grunde liegt, und die eine ähnliche Bedeutung haben, Ordnung zu bringen. Man vergleiche Nils Flensburg, Studien auf dem Gebiete der idg. Wurzelbildung I. Die ein- fache Basis ter-. Lund 1887, auf dessen Ausführungen ich nicht im einzelnen eingehen kann. Ich mache hier den Versuch, wenigstens drei verschiedene Basen zu unterscheiden.
222. idg. ter ei. So haben wir eine Basis anzusetzen, die 'bohren' bedeutet. Nachdem i vor Konsonant im Idg. ge- schwunden war, wirkte die Analogie der erä-Basen. — V. I. gr. xeipuu aus xepjiu weist auf die ei-Basis, xepexpov 'Bohrer', exope 'durchbohrte', lat. teroj terebray got. pairlcö 'Loch', abg. treti 'reiben', russ. tereth auf eine e-Basis; — V. II. gr. xprj- xü^, xpricic;, Kompromissform xepribuuv 'Holzwurm', ags. präwan, ahd. dräjan, mhd. drätey nhd. draM\ got. pröpjan 'üben', abg. tratiti 'verbrauchen' (vgl. Brugmann M. U. I 42, Verf. S. Btr. 23, 293), gr. xpiüTXn 'Loch'. RS. der e?-Basis: lat. triviy tntus triticum, gr. xplßiu, lit. trinti 'reiben, feilen'; — RS. der e-Basis: air. tarathar 'terebra', gr. xpävr|(;.
223. idg. t e r ö u 'durchbohren, verwunden' haben wir anzusetzen in V. I. gr. xepucKuu 'aufreiben, entkräften' Hesych, xepu<; 'abgerieben, aufgerieben, erschöpft, schwach', ai. tdrunas 'neugeboren, jung', tarutä 'Überwinder, Besieger', tärutras 'siegreich', tarusy- 'bekämpfen'; — V. II. gr. xpiuxö<;, xixpiucKUJ 'verwunde', eHexpiw; — SR. gr. xpaujua 'Wunde', lat. trudere, abg. trutiti 'laedere', trud^ 'Mühe'; — SS. abg. tryti 'reiben', gr. xpOua 'Loch', xpüxuj 'reibe', lit. trükstu, triikau 'reissen', aisl. prüga 'premere', gr. xpucei 'er wird schädigen, aufreiben', xexpucGcci 'erschöpft sein', xexpujuevo«; 'erschöpft, aufgerieben'.
224. idg. terä 'hindurchdringen, hinübersetzen'. V.l. ai. dtärit "er setzte über', got. pai7'h 'durch', lit. tdrdau 'for- schen': — V. II. lat. inträre, trämes, ai. tra 'beschützen', träsva, trdtä\ — RS. as. thuruh 'durch', ai. tirnds zu taVy türtds 'schnell', lit. tirti 'erfahren'; — SS. lat. trans?, vgl. hierzu Flensburg a. a. 0. 25 und die dort zitierte Litteratur.
225. idg. dhere. V.l. lat. ßrmus\ — V.U. gr. Gpri- cacGai 'sich setzen', lat. fretus 'gestützt'; — RS. gr. Gpävo^, gr. GpricKO)* vouj, GpdcKeiv dvajui)uvr|CKeiv (zu etwas anhalten) Hesych (Curtius Grd.^ 257).
Hirt, Der indogermanische Ablaut. ö
82 Die zweisilbig^en schweren Basen.
226. idg. dhorö 'springen'. V. I. gr. ^öopov, Oopoö^ai;
— V. II. gr. GpiuCKUJ, 0pujc|iö^.
227. idg. derä 'arbeiten'. V. I. lit. ddrbas 'ArheiV; — V. IIa. lit. daran 'thun' für *dira-\-u\ IIb. gr, bpäjLia, bpdiu, lit. drohe 'feine Leinwand'; — RS. lit. dlrbu, dirpti 'ar- beiten'.
228. idg. dore 'schlafen'. V.l. IsLt.dormio 2in8*dor9m;
— V. II. ai. nidra 'Schlaf, nidrämi 'einschlafen', abg. dre- mati 'schlummern', russ. dremath^ serb. drijemati 'Schlaflust haben'; — SS. gr. ebpaGe, ai. nidritas 'schlafend' (Neubild.) für *nidrtas.
229. idg. derä 'spalten'. V. I. ai. ddrima RV. 'Zer- spaltung', dari- RV., abg. derq 'scindere, dilacerare', got. tairan 'reissen', bepeiv 'schinden'; — V. IIa. gr. ebdpriv, abg. dhrati, serb. derati 'zerreissen' ; IIb. ai. dräd 'spalten', uddradayan C. 'zerbröckeln' (einziger, zweifelhafter Beleg); — RS. ai. dlr- nds 'gespalten, geborsten', lit. [dirti] 'Rasen abstechen, schin- den', dürti 'in etwas stechen', ahd. zorn, serb. dl-o 'zerrissen';
— SS. gr. bpaxo«;, aind. drtas, s. dröhljen 'Brocken', ai. dadrvams. Spuren einer (sekundären?) ei-Basis in beipiu — ebdprjv.
230. idg. darä*w. V. I. ndl. tarwe 'Waizen'; — RS. ai. dürvä 'ein bestimmtes Hirsegras', lit. dirvä 'Acker'.
231. idg. dherä 'verwirren, trüben'. V. I. lit. dergia, derJcti 'schlecht Wetter sein, stürmend regnen'; — V. II. got. dröhjan 'Aufruhr erregen', ahd. truoM] — RS. a. gr. Gpöcciu 'beunruhige', xpäxu^ 'rauh, uneben', lit. dirgau, dirgyti 'einen Mechanismus in Unordnung bringen'; mit lo-Erweiterung viel- leicht hierher: ai. dhürvati 'beschädigen', dhürvane; dhürtis 'Beschädigung', lat. fraus, fraudäre aus frä-w?'^ — RS. b. gr. rapaxri; — SS. preuss. dragios, abg. drozdije 'Hefe', serb. drözdina 'faex', ahd. treher 'Hefe', serb. droh, droba 'Ein- geweide', dröban 'dicht und klein an einander'.
Anm. Auch ags. {on)drdidan 'in Furcht geraten', as. {an)- drädaUf afrs. dred Turcht', ags. ondresn 'dss.' gehören wohl hierher.
232. idg. perä 'fahren, erfahren'. V.l. gr. Trepduü 'durch- bohre', direpäva aus *d7T6pacva, gr. Trepaioc; 'der letzte', mit o-Vok. got fa7'an, serb. jjrämbj russ. ^o?*dm5 'Schiff'; — V.U. abg. prati 'ferri', got. fröd- 'klug'; — RS. ahd. fürt 'Furt';
— SS. got. frapl 'Verstand'.
Die er«-Basen. 83
233. idg. pere. V.U. gr. eju-TTiTTpriiLii, irpribiuv, irpriOiu, russ. preju, preti "schwitzen, sieden', preh f. 'Geruch von Ver- branntem'; — RS. lit. spirgas 'ein kleines, gebratenes Fett- stückchen', spirgau 'braten'; — SS. gr. ejUTiiTTpaiaev.
234. idg. p e r ä 'verkaufen'. V. I. gr. e-rrepacca ; — V. II a. gr. TTepvTijui; II b. gr. TTiTupdcKUü, eTipäca (Hesych), TrpäTÖ<;; — RS. gr. TTOpvdjuev 'TiiuXeTv'.
235. idg. perö. V. I. gr. erropov; — V. II. gr. TrerrpiuTai 'es ist bestimmt'; — RS. a. ai. pürtäm 'Lohn'; b. lat. parSj falls aus ^pardt (?).
236. idg. perö 'vorn'. V. II. gr. Trpuu'i 'früh', ahd. vruo, ai. prätar 'früh morgens'; — RS. lit. pirmas, sigs. forma, ai. pürvas, jav. pa^rvö 'der frühere', lat. prandium aus *pra- mediom\ — SS. got. fruma 'erster', gr. TTpdjLioq, got. frauja 'Herr' aus fra-wja:^ — serb. pfvo aus ^p^rvo mit Übertritt in eine leichte Basis.
237. idg. b he rag 'Birke'. V. I. lit. herzas, abg. hreza^ russ. bereza, serb. hreza, ahd. birihha, ags. heorc, aisl. hjork; — RS. ai. hhürjas; RS. oder SS. lat. fraxinus 'Esche' {frä oder frä).
238. idg. bhorä*. V. I. lit. hdrti 'schelten, schmähen', russ. boröth 'bezwingen'; — RS. hürti, huriü 'Wahrsagerei treiben'; — SS. gr. qppdZ^uj.
239. idg. b e r e g 'kratzen'. V. II. lit. hrezluj breszti 'kratzen'; — RS. ahd. burst aus '^burhst 'Bürste'.
240. idg. merä 'zerschlagen, kämpfen'. V. I. ai. äma- rlta 'Verderber'; — V. II. ai. mr^a^i 'zermalmen' ; — RS. gr. )udpva)uai 'kämpfe'; — SS. gr, ßdpvajuai aus *ßpdva)uai durch Metathesis.
241. idg. merek. V. I. lit. merlciuj merkti 'einmal die Augenlieder schliessen', ai. mdricis 'Lichtstrahl' (anders Solmsen KZ. 34, 28); — V. II. lit. brekszta, breksti 'anbrechen' (vom Tage); — RS. lit. mirksnis 'Blick', mirksiu 'blinzeln', got. maürgins'^ gr. djuapuccuu mit Bezzenberger BB. 17, 222 hier- herzustellen, trage ich Bedenken, da das u nicht erklärbar ist; — SS. got. brah 'das Blinken'.
242. idg. moräg. V. L lit. mdrgas 'bunt'; — RS. lit. mirgii 'flimmern'.
Anm. Gr. piopcpr] mit Solmsen KZ. 34, 23 hierlier zu stellen, sclieint mir unmöglich zu sein. Seine ganzen Ausführungen sind
84 Die zweisilbigen schweren Basen.
wegen Nichtbeachtung der AblautsverhUltnisse hinfällig und auch Honst nicht überzeugend. Dass lat. for aus mf entwickelt sei, hat J. Schmidt Kritik 29 zurückgewiesen. Wenn Solmsen a. a. 0. 28 an dem Z von ai. marici Anstoss nimmt, so zeigt er, dass ihm die Gründe für das Auftreten des indischen i nicht bekannt sind.
243. idg. more 'weich'. V. I. ahd. marawi 'zart, mürbe', ags. mearu 'dss.'; — V. II. ags. hrced 'Dunst, Geruch', ahd. bräto Sveiches, essbares Fleisch'; — RS. a. ahd. muruici 'mürbe', lit. mtirti 'durchweicht werden'; b. gr. luapaiveiv, jiapacjaö? (vgl. Verf. SBtr. 2;), 299).
244. idg. weredh 'anreizen'. V. I. gr. epeGi^uj; — V. II. ai. vrädhanta 'anspornen'.
245. idg. w e r ö d 'Wurzel'. V. II. ags. wröt 'Rüssel', aisl. rot 'Wurzel'; — RS. lat. rädix, got. waürts, lat. rämus, nach Brugmann Grd. P 479 aus ^'radmos, s. aber oben § 188; — SS. gr. pdbaiuvoq 'Schoss', pabivöq 'schlank'.
246. idg. were 'kochen'. V. I. lit. verdu 'koche', serb. vrelo 'Quell'; — V. II. lit. Prät. viriaü aus vire-^ — RS. lit. virti 'kochen'.
247. idg. w e r ö p. V. II. gr. piuip 'Strauchholz' (eig. 'was sich biegt'; — RS. lit. virpiu 'beben, vor Schwäche zit- tern'; — SS. gr. paTTiq 'ßuthe, Stab'.
248. idg. w e r e g. V. II. gr. priyvoini (priccuj) 'reisse, zerreisse'; — SS. gr. eppayriv, schwed. vräk 'Eisbruch', vrak 'Trümmer, Treibholz von einem Schiff', gr. pdKoq, äol. ßpdKO^ 'Fetzen', ai. vrknäs, vrscati 'spaltet'.
249. idg. serä*g 'hüten'. V. I. lit. sergiu, sergmi 'hüten', sdrgas 'Hüter', russ. dial. soröga 'ein Mensch, der schwer zu überreden ist' (vgl. Mikkola IF. 6, 350), russ. sto- röza 'Wache'; — V. II. wird gefordert durch das slav. f, das nur in einer Verbindung sra entwickelt sein kann; — RS. ahd. soraga, ai. sürksati 'sich kümmern'.
Anm. Vgl. hierzu auch Mikkola IF. 6, 350; nur scheinen aber russ.-poln. straza nicht alt zu sein.
250. idg. skere 'schneiden'. V.l. ahd. sceran^ scart 'zerhauen', gr. (TKepa(po<; eig. 'schneidend', ahd. scirbl; — V. IIa. gr. Kapfjvai; IIb. aisl. sTcrama 'Wunde', lit. skrösti 'auf- spalten'; — RS. lit. skiriüy skirti 'schneiden', air. scaraim 'trenne, scheide'; — SS. nihd. schram(m) 'Schwert wunde'.
251. idg. sterö 'ausbreiten'. V. I. ai. Aor. ««far«« 'streuen', stdriman 'Ausstreuen', gr. (TTopevvujLii, eaiöpeca, lat. ster-n-O] —
Die e^ä-Basen. 85
V. IIa. ai. strnäti; IIb. gr. cTTpiuciu, eaipiuiaai, arpiuTÖi;, cTTpuüjua; — RS. a. ai. Htlimds 'gestreut', lat. strclvi, stratusj stramen] b. äol. ecfTÖpOTai; — SS. ai. -strtas V., gr. (TTparöc;, ahd. stracclien 'ausgedehnt sein', ahd. strach 'ausgestreckt, gerade, straff', mhd. strant, ags. Strand (vgl. Verf. SBtr. 23, 306 f.).
252. idg. s p h e r 0/0 'schnellen'. V. I. ai. Aor. spTiaris 'schnellen, stossen', lat. sper-n-o ; — V. II a. ahd. spor-n-ön 'mit der Ferse ausschlagen', gr. ecr-rrdpriv; IIb. nhd. sprühen^ ahd. *spruoen, mhd. spraejen 'zerstieben', lat. sprevi\ — RS. lit. spiriü, spirti 'mit dem Fusse stossen', ai. sphürtis 'Zucken, Zittern'; b. ai. spliuritas 'zitternd'.
253. idg. spereg 'platzen, bersten'. V. I. ahd. spraJiha, lett. spregstu, spregt 'platzen, bersten', lit. sprögstu, sprögti 'platzen'; — RS. ai. sphürjati AV. 'brummen, dröhnen, pras- seln, von verschiedenen Geräuschen, z. B. dem des Feuers (z.B. arcUa sphürjäyan RV. 10, 87, 11), auch hervorbrechen, plötzlich erscheinen'; b. gr. ccpapafo^ 'Geräusch', acpapaTeo)uai 'knattern, knittern', dcmdpaYO^; — SS. lit. spragü, sprageti 'prasseln, platzen'.
254. idg. sraerä*d 'stinken'.? V. I. serb. smräd 'Ge- stank'; — RS. lit. smirsti, smirdau 'stinkend werden'.
Die elä-BsLSQn.
255. Die elä-Basen zeigen auch in der Entwicklung der Einzelsprachen genau die gleichen Erscheinungen wie die em-Basen, sodass die oben für diese gegebene Tabelle auch für sie genügt.
Beispiele:
256. idg. elä 'treiben'. V. I. gr. nXdGri 'er wurde ver- trieben' eXairip 'Treiber'; — RS b. lat. alacer 'munter'.
257. idg. kwelä* 'bewegen'. Eine ausserordentlich weit verbreitete Basis mit mannigfacher Bedeutung; — V. I. ai. acant V. B. U. S., caritäm 'das Gehen' cdritum B. 'sich bewegen, gehen', caritram 'Fuss, Bein' lit. k4lti 'heben', gr. TeXein 'Vollendung', reXeiu 'beende', gr. ireXoiuai; — V. II a. lit. Jcilaü 'erhob sich'; b. ai. Tcränä^) 'gern, willig, sofort'; — SS. ai. cirnas ü. zu car, lit. hiltij kilstu 'sich heben'.
1) Ich glaube, dass das ä des indischen Partiziums auf -äna von der V. II der 6ef- Basen ausgegangen ist.
86 Die zweifiilbigen schweren Basen.
258. idg. kolö 'Erhebung, Hügel'. V. I. lit. Mlnas 'Hüger, lat. columna, columen, ags. hill 'llüger; — V. IIa. gr. KoXujvri 'Hüger, koXujvö^ für *Ka\tuvri ; II b. lat. clemens ;
— RS. alid. holnif got. hulps 'geneigt'.
259. idg. kolö 'ausbreiten, zerstreuen'. V. I. ai kari- hjati, harisai RV., -Jcarifä 'zerstreuen', aisl. hella 'ausgiessen';
— V. II. lit. Möju 'breite hin', abg. Madq, klasti 'ponere', serb. Mästiy got. *hlöpy ahd. hluot 'lud', lit. Monas 'ßleich- platz hinter der Scheune'; — RS. ai. kirnas ausgestreut, be- deckt, erfüllt'; — SS. got. hlapauj ahd. hladan.
260. idg. kele 'warm sein'. V. I. lat. calidus für ce- lidus nach edlere ; — V. II a. lat. edlere, lit. szilaü 'wurde warm'; IIb. ahd. Zäo, läwer, aisl. lilfjry hlcer, 'lau, mild', urg. *hlewaz; — RS. lit. szilti 'warm werden', sziltas 'warm'. J. Schmidt Vok. II, 454.
261. idg. kelä 'rufen'. V. I. gr. Ke'Xaboc; 'Lärm' (?j; V. II a. gr. KaXeuu, lat. cdläre, ahd. -|- halön, lett. + kalüt 'schwatzen'; IIb. gr. KiKXr|CKU), ojuoKXri ags. hlöwan 'rugire, boare', mhd. lüejeii; — RS. gr. KXrjxöt;, eTTiKXricri^, lat. nö- menclator^ clämor, clämäre, clärus 'hell, laut'; — SS. lat. classis.
262. idg. kolä* 'schlagen'. V. I. lit. kälti 'schmieden, schlagen', russ. koJöth 'stechen, abstechen, schlachten', gr. €UKoXo(;, bucKoXoq 'schwer zu behandeln; — V. II a. lit. -\-kaliail für kilö-\-u; IIb. gr. d7T0KXd(;; — RS. air. dar 'Tafel, Bett', gr. KXfipo^ 'Loos, iVnteil', lit. kiHti, kiilsiu 'dre- schen', ai. kütam 'Hörn, Hammer, Schädel', lat. clädes; — SS. gr. KXdce 'er brach ab, KXaciö^ 'zerbrochen'.
263. idg. kolä 'Holz'. V. I. russ. kolöda 'Block, Klotz', serb. kläda\ — V. II. gr. kXujv kXujvö^ 'Schössling, Zweig'; — RS. ahd. holzj gr. KXäpo<; 'Loos'; — SS. gr. xXdbo^ 'Zweig'. Wohl zum vorhergehenden.
264. idg. kelä 'heimlich'. V. I. gr. KeXaivöq (Verf. BB. 24, 268), got. hilan\ — V. IL lat. + ceZärg; — RS a. got. hulundi; b. lat. calam; — SS. lat. clanij falls = klä-m.
265. V. I. lat. culcita 'Kissen, Polster'; — RS. ai. kür- cds 'Bündel, Ballen\
266. idg. kolö 'spinnen'. V. IIa. gr. KdXiu? 'Tau'; II b. KXojeuj 'spinne'; RS b. gr. KdXaOoc; 'geflochtener Korb'.
Die e^a-Basen. 87
267. idg. koläp 'Handhabe'. V. I. lit. Tcdlpa 'Quer- holz am Schlitten^ das die Kufen verbindet', nhd. helh 'Griff, Stil an der Axt'; RS. lit. Jcilpa 'Steigbügel'.
268. idg. keläni- 'Halm'. V. I. lat. culmus, ahd. Jia- larriy halm, abg. slama, serb. slmna 'Stroh', russ. solöma 'dss', apreuss. sahne (ohne Längezeichen) = sälme, lett. sdlmi 'Stroh, Streu'; — RS b. gr. KdXajuoc;, KaXd|ur|.
269. idg. gwele. Die ursprüngliche Bedeutung dieser Basis anzugeben, hält schwer, und ebenso fragt es sich, ob alles zu vereinigen ist, was in den Einzelsprachen von dieser Basis abgeleitet wird. V. I. ai. galitas E. + von gal 'herab- träufeln', aisl. Tielda 'Quelle', ahd. quellan (w-Präsens); lit. gelti 'stechen', gelmenis 'heftige Kälte', ahd. quelan, gr. ße- Xe^vov 'Geschoss', ßeXövr) 'Nadel'; — V. II. ai. glayati AV. 'Widerwillen, Unlust empfinden, sich erschöpft fühlen' Brug- mann M. U. I 41 unter Zustimmung von Curtius Et^. 474), ai. gländSy glänis 'Erschöpfung, Ermüdung', jav. ni-jräire 'sie wurden geworfen', gr. ße'ßXr|Ka, eßXr|v; — RS a. Mi. gilsta^ gilti 'anfangen zu stechen'; b. gr. ßaXaveu<; 'Bader', ßaXa- veiov 'Bad'.
270. idg. gelä 'kalt'. V. I. lat. gelidus, ahd. halt\ — V. II. lat. + gdäre 'gefrieren machen'; — RS. aisl. Jculde 'Kälte'; — SS. lat. glacies.
271. idg. gwele 'Eichel'. V. I. abg. zeladh 'Eichel', serb. ielüd; — V. II a. lit. gile 'Eichel'; — RS. lat. glans, glandis falls für glandis stehend, sonst SS.; b. gr. ßdXavo<;.
272. idg. gelö 'lachen'. V. I. gr. eTeXaca; — V. IIa. -f ^i\^(; für *-^a\^c,\ — RS b. t«XtivÖ(; 'ruhig heiter' aus t«- Xacv6<;.
273. idg. gelö. V. II. gr. T^uucca; — SS. gr. T^dcca, TXdZ^uu 'singe, lasse ertönen', aisl. Maka 'zwitschern'. Diese beiden Basen sind wohl zu vereinen.
274. idg. geläg 'Milch', z. T. angelehnt an mel^g 'mel- ken'. V. I. got. mihiks, lit. melzu 'melken'; — RS a. lit. milszti 'melken', serb. müzaj das Melken', ags. molcen lat. Zäc; b. gr. ydXa; — SS. gr. -^Xdfoc; 'Milch'.
275. idg. g w e 1 e b 'umfassen, helfen'. V. I. lit. gMu, gelheti 'helfen'; — V. II. lit. glehm, glöhm 'mit den Armen um- fassen', ahd. chläftra 'Mass der ausgespannten Arme'; — SS. mhd. Mam {klammes) 'Krampf, Beklemmung, Fessel'.
88 Die zweisilbigen schweren Basen.
276. idg. ghele 'grflo, gelb'. V. I. Kt. ielti 'grünen', ai. Tuiriias V., lat. helvu^; — V. II. gr. xKiupcx; grfinlicb, gelb- lich'; — RS. lat. fldvuSj lit. zilti 'grau werden'; gr. x^öp^ 'grüngelb'.
Anm. Ahg.zlaiOf got. gulp 'Gold* gehört schwerlich hierher, wegen niss. zoloto^ serb. zlato, ai. hätaka- aus haUaka 'Land, aas dem das Gold kommt'.
277. idg. ghelö 'glatt'. V. II. abg. gladhkh 'glatt', serb. gläddk, lit. glödüs 'glatt anliegend', (Ntr. glödu); — SS. ahd. glcU, lat. glaber.
278. idg. gbelä 'braose'. V. II. dor. xexXöba 'ransche, brause', kcixXtiE 'kleiner Stein, Kiesel', ai. hrädinm ^Schlössen, Hagel'; — RS. gr. xakala 'Hagel'; — SS. ahd. hagtd, aisl. hagl, ags. hagol 'Hagel' aus *lcnglüa-y gr. KaxXd21ui.
279. idg. tele 'tragen', e ist auszusetzen wegen got. pulany lit. fyWi; gr. rXiiröq enthält daher idg. eh. — V. I. gr. TeXa^u)v 'Tragriemen, Träger', exeXacca Hesych, ai. tälima n. 'Fussboden'; — V. II a. got. ptda^ pidmns, lit fyleti für tilefi mit analogischer Dehnung 'schweigen', ai. tuld 'Wage'; — RS a. tXtito^, lat. latus, lit. tüti 'schweigend werden, zu reden aufhören', tiltas 'Brücke', ai. füna- 'Köcher', ahd. gidult b. gr. xdXavTOV 'Wage' xdXapo^ 'Korb', eraXacca^, ai. tuUmas 'wägbar' När. 8, 3; — SS. gr. xeiXa^iev.
280. idg. teläk. V. I. russ. toUch 'stossen'; — RS. lit. aptilk^ imogüs 'ein durchtriebener Mensch'.
281. idg. delä*gh. V. I. gr. boXixö^ (mit auffallendem t), evbcXexrj?; — V. II. ai. draghmdn Xänge', draghiyas; — RS. ai. dirghds lang', gav. dar^gäm 'lange', oss. darjj kurd. derg, apers. darga lang', abg. dHghj serb. düg lang', lit. ilgas.
Anm. Lat. longus, got. laggs kann ich nicht mit dieser Basis vereinigen. Das i in boXixö^ dürfte anf eine ursprüngliche ei-Basis weisen.
282. idg. dhelä* 'ausbreiten'. V. I. lit, d^lna innere, flache Hand', serb. dlan 'Handfläche', russ. dolönb: — RS b. gr. OdXacca.
Anm. Ich stelle die Worte zusammen, indem ich auf gr. irdXajoc und iraXdinii verweise, die ebenfalls gleichen Stammes zu sein scheinen.
283. idg. pele füllen'. V. I. slI parinas n. RV., 'Fülle, Reichtum', pdriman RV. 'Spende, Fülle'; V II a. ai. prnäH
Die elä-Btüsen. 89
*fiillf, lat pl€mu9, e^rplenufit completum, compi'evi, gr. irXfiTO, irXfi|Hi^, irijiiTXivii , ttXtiOu^, arm. // 'voll', air. lin 'nnmerns, pais', gr. Tr€irXi]c9ai ^schwanger sein', lat. plebes; — RS a. ai. pürdM, parnds, pärid^ 'gefiQlt, voll', lit. pdti 'fallen', p'dnas VolF, abg. plhwb, serb. pan, got fuUs, gr. iiXäGo^ (vgl. Brng- maiin M. ü. I 44 f., Brogmaims Erklänmg ist aber kaum halt* bar), air. län VolF, ahd. foW {? vgl. plebeg)-^ b. ai. pdpuri- RV. ; — SS. ai. -prnas V. B. S. (nur unbetont vorkommend), pdpri- RV., ainm. per^na- gr. mfnrXdvai ln^7^Xa^ev, sd.piprmds.
284. idg. pelä- unter dieser Basis vereinigen sieh Be- deatongen wie 'ausbreiten' und 'nahem'. Sie werden hier ge- trennt. V. I. gr. ireXa^ 'nahe', ireXaGui, ireXd2Iuj, TreXarn^; — V. n. gr. TtXnciov, dor. tiXötiov 'nahe'. — V. I. gr. ireXato^ 'Meer', ireXoro^ 'Opferkuehen'; — V. n. lit. plexfi, splesti 'ausbreiten', Kt, plötias 'dünn', ahd. rluor, air. lär 'Estrich' mhd. tluoder 'eig. Plattfisch', serb. pljeca 'Spreu': — RS a. lat. planus; b. gr. iraXdiiri 'Hand', alat. palma, falls dies nicht entlelmt ist = pehma, ahd. folmn ahd. folda\ — SS. gr. irXoKOu^ 'Kuchen', ahd. flado 'Kuchen', gr. irXdOovov; irXdE 'Fliehe, Ebene', irXoKoei^ 'flach', iiXaicEpö^ 'breit', ahd. flah\ gr. irXoTuq, lit platAs 'breit', aisl. flatr, ahd. flaz 'eben, flach', ai. prihüf, prfhiti.
285. idg. p e 1 e 'grau'. V. I. lit pdlszas 'f ahF, ai. pa- läds 'Greis, altersgrau', abg. pde^h 'grau'; — V. II a. lit. -f pdi Hans*; — RS. lit. pOkas 'grau', pükti 'grau werden'.
286. idg. pelä*k. V. I. lit pelke, lett pelze 'Wasser- pfutze', pr. pelly 'Bruch', alb. pelk 'Weiher'; — SS. gr. itoXko^ 'Sumpf muss für ttXoko^ stehen, wenn es hierher gehört'.
287. idg, p e 1 e k 'sehlagen, weinen'. V. II. abg. pla- kati 'wdnen', got. faiflökun 'beklagen', lit. pUju, ploti gchla- gen, klatschen', lit. plekiu 'schlage'; — RS. dor. TtXdccui 'schlage'. tiXöto 'Schlag', Ut ploga-, — SS. Ut plal% pUüUi 'schlagen', lat plango, gr. irXdIui 'schlage, verschlage', irXa THvai, umbr. tupiak 'duplex'.
288. idg. bhalä*g. V.l. ahd. halcho-^ — RS b. ai. hh»rij- 'Schnitzbank', gr. <pdX(rr€, Johansson IF. 2, 24.
289. idg. bhele 'blasen'. V. U. ahd. hl^jan, ahd. blämn, ahd. Mattara 'Blase'; — RS. lat fläre: — SS. ags. laasl Sturmwind'.
90 Die zweisilbigen schweren Basen.
290. idg. beläd 'polterif. V. I. lit. hdldau 'stark und fortgesetzt poltern', [hÜdüu] 'pochen, klopfen, poltern'; — RS. lit. hildu 'hohl poltern', mhd. poltern.
291. idg. melä* 'mahlen' (aus 'gemahlen' entwickelt sich die Bedeutung 'weich'. V. I. ai. a-marita 'Verderber' (?) lat. molitus, lit. yndlti 'mahlen', russ. molöth, serb. mljetij arm. melk 'weichlich, schlaff; — V. II. ai. mlänas 'welk', mldyati 'welkt, erschlafft', av. mratö = ai. mlätds 'gegerbt'; — RS a. ai. mürnds 'zermalmt, zerbrochen', lit. miltai 'Mehl', got. mulda 'Staub, Erde', ahd. molta 'dss.', air. hlaith, mläith 'weich, sanft*, kymr. hlawt 'Mehl', gr. ßXdH 'schlaff, träge', ßXnxpö?, dßXr|Xpo<S 'schwach, kraftlos, sanft'; b. gr. inaXaKoq, inaXdccuj; — SS. ai. -mrnas V. B.
292. idg. melö 'hoch'. V.l. gr. lueXaGpov 'Dach'; — V. II. gr. ßXiuep6(; 'hoch'; — RS. ai. mürdhd m. 'Kopf, as. molda 'Kopf.
293. idg. melö 'hervorkommen, wachsen'. V.l. gr. e^o- Xov, )uoXoO|uai; — V. II. gr. eßXu)* ecpdvr) Hes., ßXuucKUü, luejußXujKa, dYXi-ßXuu^' dpTi Ttapuuv Hes., lat. flös, ahd. Uuot 'Blüte'; — SS. gr. ßXacTdvuj, 'sprosse', ahd. hlat, vgl. Verf. SBtr. 23, 305 f.
294. idg. mele 'schwarz'. V. II. gr. lueXaq, ai. malinas 'schmutzig, befleckt'; — V. I. ahd. hläo aus *mlewaz 'blau', ahd. bluot 'sanguis'; — SS. ags. hlcec 'schwarz', vgl. Verf. SBtr. 23, 295; 307.
Anm. lit. mUynas 'blau' muss sekundär gedehntes e enthal- ten, wegen gr. lu^Xac;.
295. idg. mala*. V. I. got. unfilamalsJcs 'unpassend, as. malsc 'stolz' übermütig; — RS. ai. mürklids 'Dummkopf; mürchati 'gerät in Geistesverwirrung, wird ohnmächtig, ge- rinnt, wird fest'. Dazu auch mürtds 'geronnen', mürtis 'fester Körper, materielle Gestalt', vgl. Johansson IF. 2, 37 ff., v. Sabler KZ. 31, 278, lett. mulTcis 'einfältiger Tropf, lit. mül- his 'dss.'.
296. idg. wolä*g 'Feuchtigkeit'. V. I. abg. vlagOy serb. vläga 'Feuchtigkeit'; — RS. lit. vilgyti 'befeuchtend glätten', ahd. wolcan 'Wolke'.
297. idg. welebh. V. I. gr. eXeqpaipoiuai 'durch ver- gebliche Hoffnungen täuschen' ; — RS. lit. vilbinti 'beschwich- tigen, besänftigen' Bezzenberger BB. 4, 314, apvilstu 'täuschen'.
Die ewä-Basen.
91
298. idg. RS. werdnä 'Wolle', ai. urnäj lit. vÜna, serb. vüna, g'ot. wulla, lat. lana, gr. dor. Xävo<; 'Wolle'.
Aiim. Hier liegt also in allen Sprachen nur eine Stammform vor. Gehört noch g-r. Xäxvr] dazu, so wäre es SS.
299. idg". seleb 'schwach sein'. V. II. got. slepan 'schlafen', abg. slahh, serb. släb 'schwach'; — RS. lit. silpnas 'schwach, kraftlos', silpti 'schwach werden', lat. lahor 'herab- gleiten', Idbes'^ — SS. ahd. slafy lat. labo 'wanken'.
Amn. Zu V. 11 gehört auch ahd, släf 'Schläfe', vgl. ahd. dunivengi, thinnabahho 'Schläfe'.
300. idg. swelä* 'brennen'. V. I. gr. clXac, 'Glanz', ceXrjvri, ahd. swilizön 'langsam verbrennen'; — V. II. lit. svilaü 'sengte'; — RS. lit. smlti 'sengen'.
301. idg. skelä. V. I. gr. aKeXexöc; 'ausgetrocknet, dürr, mager', lit. szdltas 'kalt' (?); — V. II. gr. (XTTOCKXf|vai 'ver- dorren, (TKXripo^, dor. CKXäp6<; 'trocken'.
302. idg. skhele. V. I, ai. skhalitas B. taumeln, stol- pern'; — V. II. lit. -|- Skelett 'Jemand etwas schuldig sein'; — RS. lit. sMlti 'in Schuld geraten', ahd. sculd.
303. idg. skelä 'spalten, schlagen'. V. I. lit. sJcelti 'etwas spalten'; — V. II. ahd. sluog aus sMö?] — RS. lit. skilti 'spalten, Feuer schlagen'; — SS. ahd. slahan aus '"'sklaharij gr. XaKxlw, lat. laceräre{?).
Die ew^-Basen.
304. Die Ablautsverhältnisse sind ganz die gleichen wie bei der vorhergehenden Abteilung, nur in der RS. finden wir im Indischen a {an), in SS. ni. Die V. II wird hier seltener.
305. Wir können demnach folgende Übersichtstabelle aufstellen :
SS.
nd
ni
va
na
7ia?
na
na
no
|
V. I. |
|
|
idg. |
en9 |
|
ai. |
ani |
|
gr. |
eva (eve) |
|
lat. |
eni |
|
kelt. |
|
|
germ. |
en |
|
lit. |
en |
|
slav. |
e |
|
V. |
IIa. |
|
ewa* |
|
|
anä |
|
|
avri, |
d, (i) |
|
ane, |
a, ö |
|
am, |
anä |
|
unBj |
ö |
|
ine, |
ö, ü |
|
hne, |
a |
|
V. IIb. |
RS. a. |
RS.b. |
|
nä* |
en9 |
en9 |
|
na |
ä(än^) |
— |
|
vri, vä, vuu |
vä |
ava |
|
ne, nä, nö |
na |
ani |
|
nl, nä |
na |
ana (?) |
|
ne, nö |
un |
— |
|
ne, nö, nü |
in |
— |
|
ne, na |
\ |
— |
92 Die zweisilbigen schweren Basen.
Beispiele:
806. idg. j e n ä t e r 'Frau des Bruders'. V. I. gr. elvd- Tepe? für evotiepe^; — RS. a. ai. yätci 'Jirudersfrau', serb. jeti've 'Frauen zweier Brüder', lit. inte\ b. lat. janitrlces 'des Bruders Frau'.
Allin. janitrix ist wohl schlechte Schreibung für janetrix n;ich genitrix für f/enetrix, wo i durch genitor hervorgerufen ist.
307. anä*'t 'Thürpfeiler'. V.l. lat. «w^«e 'Thürpfeiler', aisl. qnd 'Vorzimmer', aruien. dr-and 'Thürpfosten, Thür- scliwelle; — RS. ai. dta f. 'Umfassung, Rahmen', av. qipyd.
308. idg. anö 'oben'. V. I. gr. dva, lat. anhelare\ — V. IIa. gr. dvuj, got. ana\ b. abg. na, lit. nü, preuss. wa, no', — RS. ai. ä 'an, auf, herbei'.
309. idg. anä*t 'Wasservogel'. V. I. lit. dntis, abg. ofy, di\\d. anuty lat. anas, anatis; — RS. ai. «^/i 'ein Wasser- vogel', gr. vficca.
310. idg. anä* 'atmen'. V.l. Sii. dnitiy anisur, anisyati, anitas, anitum 'atmen', dnilas 'Wind', gr. dvejuoq, lat. animusj air. a7ial 'Atem'; — RS. ai. atmä m. 'Seele', nach Wacker- nagel Ai. Gr. § 12, das doch aber von ahd. ätum u. s. w. schwerlich getrennt werden kann.
311. idg. onömen 'Name'. V. I. gr. övo|Lia, arm. nnun'^ — V. II. lat. nömeuy mhd. riuomen, ai. ndma\ — RS. abg. imq, serb. ime aus ^endtn-^ — SS. got. namö.
312. idg. onö 'schelten'. V. I. ahd. anado 'Kränkung', nhd. ahnden^ ags. a7ida 'Hass, Neid', gr. ovöccexai 'er wird schelten', ujvocdjuriv, övgctöc; 'tadelnswert'; — V. II. gr. vujGriq, vujOpö^ 'träge, faul, matt'; — RS. ai. adhrds 'dürftig, gering' (Johansson IF. 2, 41).
Anm. Gr. vococ; aus *vo0cFo(; mit Brugnianii BSGW. 1897, p. 29 flf. hierher zu stellen, ist unmöglich, weil SS. vdco^ lauten müsste.
313. idg. kanäk. V. II. gr. K\r\KOc, 'Safflor'; — RS. ai. käncanam 'Gold', ahd. honag; vgl. hierzu noch v. Bradke IF. 5, 267.
314. idg. konö 'tönen'. V.l. gr. KÖvaßo(; 'Geräusch', Kovaßeu) 'rasseln'; — V. II a. lat. canövus\ — RS. b. gr. KavdZ;uj 'töne', Kavaxri 'Geräusch', Kavaxri? 'tönend'.
315. V. I. gr. Kovapö^ 'wohlgenährt'; — RS. ved. svätrds 'angenehm' (?), Bechtel HPr. 220 f. Unsicher nach Wackernagel Ai. Gr. § 12 b. S. 16.
Die enä-Basen. 93
316. idg. khanä Tnterschenker. V. I. abd. hamma 'Hintersclieiikel; Kniekehle'; — V. II oder RS. gr. KVTnuiq 'Beinschiene'^ Kvri)ur| 'Unterschenkel, Schienbein', air. cnühn 'Knochen'; — RS. ai. Jchadis m. 'Spange, Ring an Fuss, Arm und Hand' (?).
317. idg. khanä 'graben'. V.l. Sii. Jihdnitum 'gYSiben% hJianitä 'Gräber', hhanitram 'Schaufel'; — V. IIb. lat. ca- nalis\ — RS. ai. Mä 'Quelle, Brunnen, grabend' (?), khatäs 'gegraben'.
318. id^. khanöd 'kauen, beissen'. V.l. lit. kändu 'beisse', Jcdndau, abg. Icqsiti 'edere', serb. Msiti 'mit vollem Löffel essen'; — V. II. gr. KVuubaXov 'wildes Tier', Kviubiuv 'Zahn am Jagdspiess', KvuubaH 'Zapfen'; — RS. ai. Tchädati 'kaut', -Tdiädäs 'fressend, verschlingend', Madam 'Futter', khä- ditds 'zerbissen, verzehrt, vernichtet'.
319. idg. gene 'gebären, erzeugen'. V. I. ri. djani, jdni 'zeugen, gebären', djanista, janitös, jdnitvä, janitram 'Heimat', jafiima 'Geburt', gr. ^evecxq, Tcvexrip, lat. genitor, genetrix, Sihd. chind 'Kind'; — V.U. ai. //iä^2V 'Verwandter', gr. YvuuTo^ 'Bruder', got. knöds 'Stamm', ahd. chnuat 'dss/,